BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius
LAGE DES UNTERNEHMENS:
Eigentlich brauchte Fresenius-Chef Stephan Sturm im Jahr 2020 endlich eine richtig gute Erfolgsmeldung. Mit dem verpatzten Kauf des US-Generikaherstellers Akorn im Jahr 2018 hatte der Manager Skepsis unter Investoren gesät. Der frühere Fresenius-Chef und jetzige Nestle-Lenker
Dass der gewiefte frühere Investmentbanker Sturm in dieser Hinsicht aber kürzer tritt, der erhoffte Milliardendeal bisher ausblieb und der Fresenius-Vorstand sogar im Jahr 2018 eine Gewinnwarnung aussprechen musste - all dies hat der Wahrnehmung des Konzerns an Börse geschadet. Hie und da waren in der jüngsten Vergangenheit unter Branchenkennern sogar Forderungen nach einer Verschlankung des Konzerns aufgekommen.
Nach einem Übergangsjahr 2019, in dem Fresenius Milliarden Euro in den Ausbau seiner Geschäfte investierte, wollte Sturm 2020 eigentlich wieder richtig durchstarten. Doch seit mehr als einem Jahr hält Corona Fresenius nun auf Trab. Zunächst erwischte es die Kliniktochter, die im Frühjahr Betten für Covid-19-Patienten freihielt, die dann zu großen Teilen frei blieben. Außerdem fehlten Einnahmen und Patienten, weil Operationen verschoben wurden.
Darunter litt auch zeitweise die auf Flüssigmedizin wie klinische Ernährung und Narkosemittel spezialisierte Tochter Kabi. Während im Klinikgeschäft staatliche Finanzspritzen die Belastungen zu großen Teilen zwar ausgleichen konnten, rutschte die kleinste Tochter Vamed wegen verschobener Projekte in die roten Zahlen.
Im Sommer musste Sturm musste daher seine Jahresziele kürzen - zuletzt wurde für das bereinigte Konzernergebnis nur noch das untere Ende der Spanne von minus vier bis plus ein Prozent prognostiziert. Investoren müssen sich also auf einen Ergebnisrückgang gefasst machen.
Mit dem Dialyseanbieter FMC gerät nun für viele überraschend auch die größte Konzerntochter ins Schlingern. In der Pandemie hatte sich das Unternehmen bislang recht gut geschlagen, weil seine Patienten auf die lebenswichtige Blutwäsche angewiesen sind. Zudem hatte FMC im vergangenen Jahr vom Corona-Paket der US-Regierung profitiert.
Doch der vor wenigen Tagen präsentierte Ausblick auf 2021 liest sich düster: Weil ausgerechnet viele Dialysepatienten an Covid-19 sterben, rechnet FMC im neuen Jahr "ohne Berücksichtigung etwaiger Restrukturierungsmaßnahmen" mit einem Ergebnisknick um bis zu ein Viertel. Noch viel stärker dürfte dabei wiegen, dass FMC steigende Kosten für Schutzmaßnahmen schultern muss, während die Einnahmequellen aus staatlichen Corona-Fonds versiegen.
Damit schiebt FMC den Ambitionen von Fresenius-Chef Sturm womöglich einen Riegel vor. Dieser hatte noch im Dezember für dieses Jahr bessere Ergebnisse in Aussicht gestellt. Allerdings schließt auch der Ausblick von Anfang Februar einen Gewinnzuwachs vorerst nicht aus: Das auf die Anteilseigner entfallende bereinigte Konzernergebnis soll im Vergleich zum Vorjahr "mindestens in etwa stabil" bleiben, lautet die bisher noch recht vage Prognose.
Eine detaillierte Fassung der Ziele will das Unternehmen am 23. Februar zur Bilanzvorlage für 2020 geben. Dann will FMC womöglich auch schon erste Ergebnisse vorstellen, wie das Unternehmen seine Kosten senken will.
SO ENTWICKELT SICH DIE AKTIE:
Die Aussagen von FMC sorgten Anfang Februar an der Börse für Entsetzen. Händler sprachen von einem "schockierenden Ausblick". FMC-Aktien brachen binnen eines Tages um fast 15 Prozent ein und erreichten damit den niedrigsten Stand seit März. Der Börsenwert des Unternehmens sackte zwischenzeitlich um 2,5 Milliarden Euro ab. In diesem Sog rauschte der Fresenius-Kurs zeitweise um fast neun Prozent bis auf knapp 33 Euro herunter.
Inzwischen haben sich die Papiere von Mutter und Tochter zwar etwas stabilisiert, den Einbruch aber längst nicht wettgemacht. Seit Jahresbeginn beläuft sich der Kursverlust für Fresenius-Aktionäre auf gut sechs Prozent, bei FMC sind es sogar fast 15 Prozent.
Der Kurseinbruch ist ein weiteres ernüchterndes Kapitel in einem bereits länger währendem Trauerspiel für die Investoren: Seit mehr als drei Jahren befindet sich das Fresenius-Papier nun schon auf nahezu konsequenter Talfahrt. Seit dem Hoch aus dem Sommer 2017 bei 80 Euro hat sich der Kurs bis heute mehr als halbiert.
Damals lockte die Anleger noch der Akorn-Verkauf, den Konzernchef Sturm später aufgrund von Ungereimtheiten bei den US-Amerikanern abblies. Danach befeuerten die Gewinnwarnungen und wechselnde Probleme bei den Konzerntöchtern den Abverkauf der Aktie.
Zum Corona-Crash an den Börsen im Frühjahr kostete die Fresenius-Aktie im Tief nur noch gut 24 Euro - bis Jahresende holte der Kurs den Einbruch nicht mehr auf. So gehört Fresenius in den vergangenen zwölf Monaten mit einem Kursverlust von fast 27 Prozent zu den schlechtesten Dax-Mitgliedern. Und auch die FMC-Aktie liegt mit einem Abschlag von einem Fünftel in diesem Zeitraum zu den schwächsten Titeln im deutschen Leitindex.
Inzwischen sind Fresenius und FMC an der Börse zusammen nur noch knapp 37 Milliarden Euro wert - wobei 17 Milliarden Euro auf FMC und Fresenius auf rund 20 Milliarden Euro kommt. Vor etwa einem halben Jahr hatten es beide noch auf fast 50 Milliarden Euro gebracht. Fresenius hält etwas mehr als 30 Prozent an FMC, kann das Unternehmen aber wegen der Rechtsform AG & Co. KGaA trotzdem kontrollieren und konsolidieren.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Viele Analysten, die sich in den vergangenen Monaten zu Fresenius geäußert haben, hielten das Papier für fundamental unterbewertet und deshalb für ein "Schnäppchen", wohingegen es bei FMC bereits mehr vorsichtige Stimmen gab. Entsprechend lässt sich wohl auch die Reaktion der Branchenkenner auf die Ausblicke beider Dax-Unternehmen erklären: Weitaus mehr Kaufvoten für FMC wurden gestrichen, für die Fresenius-Aktie bleibt die Analystenschar in der Mehrheit trotz Kurszielsenkungen weiter positiv gestimmt.
Elf Fresenius-Experten im dpa-AFX Analyser haben sich seit dem Ergebnisausblick bisher zum Unternehmen geäußert, neun davon mit Kaufvotum. Jeweils ein Analyst stimmt mit "Halten" oder "Verkaufen". Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 47,45 Euro - also rund ein Drittel über dem derzeitigen Kursniveau. Einzig Jefferies-Analyst James Vane-Tempest stimmt für den Verkauf, mit einem Ziel von 33 Euro sieht er sogar noch weiteres Rückschlagpotenzial für die Aktie.
Vane-Tempest sieht sich durch die jüngsten Nachrichten in seinen Befürchtungen bestätigt. Er empfiehlt den Anlegern bereits seit dem vergangenen August, Fresenius aus dem Aktiendepot zu werfen. Er begründete die damalige Abstufung für den Titel mit seinen Zweifeln an einer Erholung der Geschäfte im zweiten Halbjahr 2020.
Nun schrieb er, die Ergebnisprognose von FMC sei noch schlechter als seine bereits gesenkten eigenen Annahmen. Der Ausblick der Mutter Fresenius liege unter den Markterwartungen und sollte vor allem die Optimisten unter den Anlegern enttäuscht haben. Denn diese hätten bereits auf währungsbereinigt prozentual zweistellige Wachstumsraten für das Konzernergebnis spekuliert.
Zu den standhaften Optimisten zählt dagegen etwa Veronika Dubajova von der US-Investmentbank Goldman Sachs
Zwar strich sie das FMC-Papier von ihrer "Conviction List", behielt aber ihr Kaufvotum. Denn das Chance-Risiko-Profil der Aktie hält sie weiter für attraktiv. Auch Fresenius bleibt für sie einen Kauf wert, wenngleich sie das Kursziel auf 47 Euro senkte. Für das laufende Jahr traut sie dem Konzern trotz gestutzter Annahmen immer noch ein leichtes Ergebniswachstum zu./tav/jsl/edh/zb
Quelle: dpa-Afx