BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung setzt in der Corona-Pandemie neben der Impfung verstärkt auch auf Medikamente. Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag mitteilte, hat die Regierung beim US-Pharmakonzern Pfizer
Lauterbach sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, mit ersten Lieferungen des Medikaments Paxlovid werde noch im Januar gerechnet. Das Medikament sei extrem vielversprechend. "Ich rechne damit, dass wir damit zahlreiche schwere Verläufe auf den Intensivstationen verhindern können." Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte kurz vor Weihnachten eine Notfallzulassung dafür ausgesprochen. Lauterbach kündigte ebenfalls eine Notfallzulassung für Deutschland an.
Patienten nehmen nach Angaben des Herstellers über fünf Tage zwei Mal täglich jeweils drei Tabletten ein. Paxlovid besteht unter anderem aus dem Wirkstoff Nirmatrelvir, der ein Sars-CoV-2-Protein hemmt. Damit soll die Vermehrung des Virus gestoppt werden. Nach Angaben von Pfizer von Anfang November verhindern die Corona-Pillen sehr erfolgreich schwere Krankheitsverläufe bei Hochrisikopatienten.
Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Durchfall, Bluthochdruck und Muskelschmerzen. Die EU-Arzneimittelbehörde hatte außerdem mitgeteilt, dass Paxlovid nicht von Patienten mit schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen eingenommen werden dürfe und wegen Wechselwirkungen auch nicht in Kombination mit bestimmten anderen Arzneimitteln. Nicht empfohlen wird das Medikament für Schwangere.
Mittel wie Paxlovid gelten unter Experten als eine Säule der Coronavirus-Bekämpfung. Sie sind aber im Vergleich zu vorbeugenden Impfungen deutlich teurer und in der Anwendung oft komplizierter. Auch die FDA hatte erklärt, dass das Medikament für die breite Bevölkerung kein Ersatz für eine Impfung sei.
Die Impfzahlen in Deutschland stiegen nach den Weihnachtstagen Anfang der Woche wieder deutlich an. Am Montag bekamen nach RKI-Angaben knapp 491 000 Bürger und Bürgerinnen eine Spritze. An Heiligabend und an den zwei Feiertagen zusammen waren es rund 167 000. Mindestens 59 Millionen Menschen sind demnach bisher zweifach geimpft oder haben die Einmalimpfung von Johnson & Johnson
Die aktuellen Corona-Zahlen sind wegen der Ferien- und Feiertagszeit weiterhin nicht sehr aussagekräftig. Das RKI weist selbst darauf hin, dass die Daten aufgrund der geringen Test- und Meldeaktivitäten ein unvollständiges Bild abgeben könnten. Den Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Dienstag mit 215,6 an (Vorwoche: 306,4, Vormonat: 452,2). Gemeldet wurden 21 080 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Innerhalb eines Tages stieg dabei die Zahl der übermittelten sicher nachgewiesenen und wahrscheinlichen Omikron-Fälle laut RKI stark. 10 443 Fälle würden nun der neuen Corona-Variante zugeordnet, 45 Prozent mehr als am Vortag.
Befürchtet wird wegen dieser Variante im Januar ein deutlicher Anstieg der Infektionszahlen. Bund und Länder hatten sich deshalb vor Weihnachten darauf verständigt, spätestens ab dem 28. Dezember das private und öffentliche Leben weiter einzuschränken. Entsprechend traten am Dienstag auch in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen strengere Corona-Maßnahmen in Kraft. Andere Länder hatten ähnliche Maßnahmen bereits zuvor umgesetzt.
CSU-Chef Markus Söder bekräftigte mit Blick auf Omikron seine Forderung nach einer Überarbeitung der Quarantäne-Regelungen. "Wir können bei einer rasant wachsenden Epidemie nicht einfach das ganze Land von einem Tag auf den anderen lahmlegen", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Bild"-Zeitung (Mittwoch). Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte im ARD-Mittagsmagazin: "Sicherlich ist über die Frage von Quarantäne-Bestimmungen auch nachzudenken, wenn wir in eine solche Situation kommen." Aber an diesem Punkt sei man noch nicht.
Selbst bei einem milderen Verlauf werden durch die erwartet hohen Ansteckungszahlen Belastungen des Gesundheitssystems und von wichtigen Bereichen der Infrastruktur befürchtet, weil viele Beschäftigte wegen einer Infektion und Quarantäneanordnungen ausfallen könnten. Die USA und Israel haben bereits Quarantäneregeln und -empfehlungen gelockert.
Für den Fall der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht setzt Bundesjustizminister Marco Buschmann auf stichprobenartige Kontrollen und Bußgelder bei Verstößen. Skeptisch bewertet er jedoch den Aufbau eines nationalen Impfregisters. Datenschützer befürchteten hier den Einstieg in einen umfassenden Zugriff des Staates auf alle Gesundheitsdaten der Bürgerinnen und Bürger, sagte der FDP-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). "Am wahrscheinlichsten ist es daher, dass man zunächst die Nachweise stichprobenartig kontrolliert und es mit einem Bußgeld belegt, wenn jemand dieser Pflicht nicht nachkommt."/jr/DP/he
Quelle: dpa-Afx