KIEW (dpa-AFX) - Fünf Monate nach dem russischen Angriff hat die Ukraine die ersten Flugabwehrpanzer des Typs Gepard aus Deutschland erhalten. "Heute sind offiziell die ersten drei Geparde eingetroffen", sagte Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Montag im Fernsehen. Aus der Bundesregierung besuchten Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) am Montag die ukrainische Hauptstadt Kiew. In ihren Gesprächen ging es um Kooperation im Sicherheitsbereich und den Wiederaufbau in dem kriegszerstörten Land.
Die Moskauer Führung verlangte von den Vereinten Nationen Unterstützung gegen westliche Sanktionen, die russische Getreide- und Düngemittelexporte erschweren. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies Vorwürfe von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zurück, wonach Russland kein zuverlässiger Gaslieferant mehr sei. "Der Kreml ist kein verlässlicher Partner für die Energieversorgung Europas", sagte aber auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Weitere Gepard-Panzer für die Ukraine erwartet
Mit den drei Flugabwehrkanonenpanzern seien mehrere Zehntausend Schuss übergeben worden, sagte Verteidigungsminister Resnikow. Erwartet werden zwölf weitere Gepard-Panzer. Die Lieferung beruht auf einer Übereinkunft mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) vom Mai.
Es ist die zweite Lieferung von schweren Waffen aus Deutschland an die Ukraine. Im Juni hatte die Bundesregierung sieben schwere Artilleriegeschütze des Typs Panzerhaubitze 2000 geschickt. Neben den Geparden wartet die Ukraine vor allem auf moderne Luftabwehrsysteme vom Typ Iris-T aus Deutschland. Diese sollen das Land besser vor den russischen Raketenangriffen schützen. Die Ankunft der Iris-T ist allerdings Berichten zufolge erst für den Herbst geplant.
Zwei Bundesminister zu Besuch in der Ukraine
Wie andere Politiker zuvor reisten Heil und Faeser mit dem Zug über Nacht aus Polen nach Kiew. Sie begannen ihren Besuch in Irpin, einem der Vororte, in denen russische Besatzungssoldaten allen Belegen nach Hunderte ukrainische Zivilisten getötet haben. Deutschland wolle die Zusammenarbeit mit der Ukraine bei der Aufarbeitung russischer Kriegsverbrechen verstärken, sagte Innenministerin Faeser. Dazu solle die schon bestehende Kooperation mit dem Bundeskriminalamt (BKA) ausgeweitet werden.
Arbeitsminister Heil kündigte "administrative Beratung und Hilfe" an - zum Beispiel für Ukrainer, die durch den Krieg ihre Arbeit verloren haben. "Dieser Krieg ist ja nicht nur eine humanitäre Krise und eine massive militärische Auseinandersetzung, sondern auch eine Kriegswirtschaftskrise", sagte er. Außerdem wolle Deutschland der Ukraine auf dem Weg in die Europäische Union helfen und "Schritt für Schritt auch beraten bei der Übernahme europäischer Rechtsetzung, beispielsweise in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik".
Moskau will UN-Hilfe gegen Sanktionen
Im Zuge der Vereinbarung zur Wiederaufnahme ukrainischer Getreideausfuhren fordert Russland Unterstützung im Kampf gegen westliche Sanktionen. "Im vorliegenden Fall müssen die UN ihren Teil erfüllen, der die indirekten Beschränkungen betrifft, die sich gegen die russischen Lieferungen von Getreide und Düngemittel richten", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.
Am vergangenen Freitag hatten die UN, die Türkei, Russland und die Ukraine in Istanbul eine Vereinbarung getroffen, um die Blockade ukrainischer Häfen zu beenden und Getreide des großen Agrarlandes wieder auf den Weltmarkt zu bringen. Nach Moskauer Darstellung wurde parallel ein Memorandum mit Russland unterzeichnet. Es halte fest, dass sich die UN dafür einsetzen, dass Sanktionen gelockert werden, die indirekt Russlands Getreide- und Dünger-Export beschränken.
Die UN bestätigten dies bislang allerdings nicht. Sie hielten am Freitag schriftlich lediglich fest, dass das Abkommen auf dem Grundsatz beruhe, "dass die gegen die Russische Föderation verhängten Maßnahmen auf diese Erzeugnisse keine Anwendung finden".
Am Tag nach der Unterschrift von Istanbul hatte Russland den ukrainischen Hafen Odessa mit Raketen beschossen, was international scharf kritisiert wurde. Peskow hingegen sah in dem Angriff kein Problem. Die Raketen hätten nur militärische Infrastruktur zerstört, behauptete er. "Darum sollte derartiges überhaupt keine Auswirkungen auf den Beginn des Verladeprozesses haben."
Moskau wolle Gaslieferungen nach Europa fortsetzen, solange es sich nicht durch europäische Sanktionen zu einer anderen Politik gezwungen sehe, sagte Peskow. "Russland ist ein verantwortungsbewusster Gaslieferant, und was immer von der EU-Kommission, in den europäischen Hauptstädten oder in den USA gesagt wird"
Russland wolle den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 so weit steigern, wie das technisch möglich sei. Eine seit Tagen in Deutschland feststeckende Turbine werde eingebaut, sobald Siemens Energy die dazugehörigen Dokumente übergebe. Der russische Gaskonzern Gazprom teilte aber mit, dass es zu den Papieren noch Fragen gebe.
Slowjansk, das nächste russische Ziel im Donbass?
In der umkämpften Ostukraine warnte der Bürgermeister der Stadt Slowjansk vor einem Ausfall der Wärme- und Wasserversorgung im Winter. "Sie werden Ihre Wohnung heizen können, wenn es denn Strom gibt, doch die Kanalisation wird einfrieren", sagte Wadym Ljach der Nachrichtenseite Nowyny Donbassu.
Seinen Angaben zufolge sind nur noch 22 000 Menschen in der Stadt, ein Fünftel der früheren Einwohnerschaft. Er forderte die Verbliebenen zur Flucht auf, denn es sei damit zu rechnen, dass russische Truppen die Stadt zu erobern versuchten. "Vorbote wird starker Artilleriebeschuss sein. Dementsprechend wird die Zahl der Opfer in dieser Zeit steigen." Die Ukraine hofft aber, den zur Festung ausgebauten Ballungsraum Slowjansk-Kramatorsk halten zu können.
Russland kündigte unterdessen an, mehr als 200 Ukrainer wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem noch zu schaffenden internationalen Tribunal verurteilen zu wollen. Das sagte der Chef des russischen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, der staatlichen Zeitung "Rossijskaja Gaseta". Die Ukraine bemüht sich mit ausländischer Hilfe um die Aufklärung russischer Kriegsverbrechen./fko/DP/nas
Quelle: dpa-Afx