DORTMUND (dpa-AFX) - Mit seinem Mega-Preisschild von 85 Millionen Euro stahl Jadon Sancho dem neuen Dortmund-Trainer Marco Rose die Show. Noch während der offiziellen Vorstellung des neuen Fußball-Lehrers verkündete Borussia Dortmund
Die Aktien des deutschen Fußballclubs stiegen am Donnerstag um mehr als drei Prozent. "Sancho gehört unseres Erachtens zu den derzeit wertvollsten Spielern im Kader", hatte vor kurzem Analyst Winfried Becker von Frankfurt Main Research in einer Studie geschrieben.
Mit Sancho verliert Borussia Dortmund abermals einen eigentlich unverzichtbaren Schlüsselspieler, macht aber zum wiederholten Mal kräftig Kasse. Nur Ousmane Dembélé brachte dem Revierclub bei seinem Wechsel zum FC Barcelona im Sommer 2017 mit insgesamt 135 Millionen Euro mehr Geld ein als der 21-Jährige. Ähnlich wie Watzke brachte auch Rose sein Bedauern über den sportlichen Verlust zum Ausdruck: "Jeder Trainer hat gerne einen Spieler wie Jadon im Team. Wir haben uns natürlich damit beschäftigt, wie wir die Qualität ersetzen können. Wir werden keinen Jadon Sancho bekommen, aber wir werden versuchen, kreative Lösungen zu finden."
Sancho habe laut Watzke den ausdrücklichen Wunsch auf einen Wechsel geäußert und sich "vorbildlich verhalten. Es ist ein Unterschied, ob jemand, der vier Jahre hier ist, diesen Wunsch äußert oder ob jemand versucht, mit Krawall vom Hof zu gehen", sagte der BVB-Geschäftsführer mit Bezug auf die weniger harmonisch verlaufenden Trennungen von Dembélé und Pierre-Emerick Aubameyang (2018/FC Arsenal).
Um den sportlichen Verlust auszugleichen, wird der BVB einen Teil des Transfererlöses in einen Nachfolger investieren. Als Kandidat wurde zuletzt der 19 Jahre alte Sancho-Landsmann Noni Madueke vom niederländischen Erstligisten PSV Eindhoven gehandelt. Zudem hilft der Erlös dem BVB, einen Verlust von 75 Millionen Euro auszugleichen, mit dem der Verein aufgrund der Corona-Pandemie rechnet. Dem Vernehmen nach muss der BVB jedoch 15 Prozent der Transfersumme an Sanchos ehemaligen Verein Manchester City abführen, von dem er 2017 für 7,5 Millionen Euro nach Dortmund gewechselt war.
City-Stadtrivale United war bereits im vergangenen Sommer einer Verpflichtung des bis 2023 an den BVB gebundenen Sancho nahe, wollte aber damals die vom BVB geforderten 120 Millionen Euro nicht bezahlen. Der englische Nationalspieler, der bei der EM bisher nur zu einem sechsminütigen Kurzeinsatz kam, erhält nach Medienberichten einen Fünfjahresvertrag bis Sommer 2026.
Angesichts der Aufregung um Sancho geriet die Vorstellung von Rose in den Hintergrund. Dabei ist die Hoffnung groß, dass der einstige Gladbach-Coach eine ähnliche Ära wie Jürgen Klopp prägen kann. Denn von allen bisherigen Nachfolgern des einstigen Meistertrainers kommt der neue Coach ihm am nächsten. "Marco steht für modernen, attackierenden, offensiven Fußball. Er kann Spieler und Mannschaften entwickeln. Er ist menschlich ein guter Typ, der sehr gut zu Borussia Dortmund passt", kommentierte Sportdirektor Michael Zorc.
Rose hatte schon vor Jahren das Interesse der Vereinsbosse geweckt, als er als Coach des Außenseiters Salzburg in der Saison 2017/18 den BVB aus dem Achtelfinale der Europa League warf. Doch statt nach Dortmund wechselte Rose 2019 nach Mönchengladbach, wo er das Team gleich in seinem ersten Jahr in die Champions League führte.
Vor den höheren Ansprüchen in Dortmund ist Rose nicht bange: "Wenn man hier Trainer wird, weiß man, von was man redet. Dass man ganz oben mitspielen muss, dass man um Titel spielt. Das war ein Grund, warum ich mich für den Verein entschieden habe."
Eine große Baustelle hat der 44 Jahre alte Sachse bereits ausgemacht: "Wir haben letztes Jahr zu viele Gegentore bekommen. Das ist ein Thema, an dem wir arbeiten wollen." Gleichwohl stellt Rose - ähnlich wie Klopp bei seiner damaligen Vorstellung - Vollgasfußball in Aussicht: "Nach Dortmund passt Arbeiterfußball. Das bedeutet, viel zu investieren, viel zu laufen und das Stadion hinter sich zu bringen. Das ist ein großes Paket."
Anders als ursprünglich geplant, gehört Edin Terzic nicht zum Trainerstab. Der BVB-Erfolgscoach der vergangenen Rückrunde, der das wankende Team als Favre-Nachfolger zum Pokalsieg und in die Champions League geführt hatte, kehrt nicht auf seinen Posten als Co-Trainer zurück, sondern wird Technischer Direktor. Das erspart Rose vorerst leidige Spekulationen über eine mögliche Konkurrenzsituation zwischen beiden Fußball-Lehrern. Und doch gilt der bei den Fans beliebte Terzic weiterhin als möglicher Chefcoach-Kandidat für den Fall einer erfolglosen Mission des neuen Trainers in Dortmund.
Gleichwohl sieht ihn Rose mehr als Ratgeber und nicht als Konkurrenten: "Ich weiß, dass das eine spannende Konstellation für alle außen rum ist. Aber ich werde Edin anzapfen und fragen, was wir aus der erfolgreichen Rückrunde mitnehmen können. Für mich gibt es nichts Besseres, als jemanden zu haben, der den Verein kennt. Ich wäre doch blöd, wenn ich das nicht dankbar annehme."/bue/DP/jha
Quelle: dpa-Afx