LIPPSTADT (dpa-AFX) - Beim Autozulieferer Hella laufen die Geschäfte nach der Corona-Delle mittlerweile wieder besser. Doch während der Licht- und Elektronikspezialist aus dem westfälischen Lippstadt von der anhaltenden Erholung der Branche profitiert, sorgt ein Pressebericht für Unruhe im Umfeld des MDax-Konzerns. Was momentan bei den Lippstädtern los ist, wie Analysten die weiteren Perspektiven einschätzen und wie sich die Anteilsscheine entwickelt haben.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Seit Ende April steht im Raum, dass Hella schon in naher Zukunft einen neuen Hauptanteilseigner bekommen könnte. So erwägt die Industriellenfamilie Hueck laut "Manager Magazin" ('MM') den Verkauf ihrer 60-prozentigen Aktienmehrheit am Zulieferer. Die Hella-Eignerfamilie habe bereits eine Investmentbank damit beauftragt, Angebote für ihre Aktienmehrheit einzuholen, berichtete das Blatt unter Verweis auf mit der Sache vertraute Personen. Sollte es tatsächlich zum Verkauf der Anteile des seit 2014 börsennotierten Konzerns kommen, könnten dessen Tage an der Börse gezählt sein, hieß es in dem Bericht weiter.

Ende Mai legte das Magazin nach und verwies darauf, dass es mit dem möglichen Anteilsverkauf schnell gehen könnte. Der 71-jährige Jürgen Behrend, der den Autozulieferer lange geführt hatte und seit einigen Jahren im Gesellschafterausschuss sitzt, drücke aufs Tempo, hieß es unter Berufung auf das Unternehmensumfeld. Interessenten gebe es einige, wie die Finanzinvestoren Advent und Bain Capital, die als Team antreten sollten, sowie CVC und Blackstone. Auch die Autozulieferer Hasco und Faurecia würden Gebote erwägen. Bei Hella wolle man noch vor dem Sommer entscheiden, wie das Magazin weiter schrieb. Käme es tatsächlich zum Verkauf, wäre ein milliardenschweres Übernahmeangebot an die restlichen Hella-Eigner zwingende Folge.

Der Licht- und Elektronikspezialist selbst hat sich zu den Marktgerüchten bislang nicht geäußert. Weder das Unternehmen noch der Gesellschafterausschuss gaben eine offizielle Stellungnahme zum im Raum stehenden Anteilsverkauf ab. Konzernchef Rolf Breidenbach soll von den Verkaufsplänen auch erst spät gehört haben.

Der Manager hat Hella nach einem von Corona beeinträchtigten Jahr zuletzt wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt. Dennoch hatte Breidenbach Mitte April davor gewarnt, dass die Krise noch nicht ausgestanden sei. Das Gleiche gelte auch mit Blick auf die mangelnde Verfügbarkeit von Halbleitern und anderen Komponenten im Markt. Breidenbach ging sogar davon aus, dass sich die Lage hier in den nächsten Monaten noch weiter verschärfen werde.

Ungeachtet dessen war Hella aufgrund der Erholung der Automärkte erneut optimistischer für das Ende Mai zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2020/2021 geworden. Der Zulieferer erwartete zuletzt einen währungs- und portfoliobereinigten Umsatz in der oberen Hälfte der bereits bekannten Bandbreite von 6,1 bis 6,6 Milliarden Euro. Die Spanne wurde damit präzisiert, nachdem der Konzern seinen Ausblick bereits im Dezember angehoben hatte. Als bereinigte Ebit-Marge (Ebit: Ergebnis vor Zinsen und Steuern) peilte das Management zuletzt ebenfalls die obere Hälfte der zuvor angehobenen Bandbreite von rund 6 bis 8 Prozent an.

Im dritten Quartal profitierte Hella von wieder besseren Geschäften und Einsparungen. Bereits im zweiten Geschäftsquartal hatte das Unternehmen nach einer Marktbelebung wieder Aufwind verspürt, nachdem das erste Quartal noch stark von den Folgen der Corona-Krise beeinträchtigt war. Im Geschäftsjahr 2019/2020 war Hella wegen hoher Abschreibungen infolge der Pandemie und der Marktschwäche tief in die roten Zahlen gerutscht. Schon vor Beginn der Krise hatte der Konzern zudem die Auswirkungen der damals anhaltend mauen Autokonjunktur gespürt.

Breidenbach leitete aufgrund der schwierigen Lage einen umfassenden Sparkurs mit dem Abbau Hunderter Stellen ein und begründete dies unter anderem mit zunehmendem Wettbewerbs- und Kostendruck. Hella ist vor allem für seine Scheinwerfer bekannt. Produkte der Lippstädter sind in vielen Wagen verbaut. Die Autoindustrie setzt aber nicht nur in großem Stil auf die Scheinwerfer, sondern etwa auch auf Heckleuchten, Innenraum-Lampen und Radarsensoren des Konzerns.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Seit der Vorlage der Zahlen für das dritte Geschäftsquartal Mitte April haben sich neun der im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten näher mit Hella befasst. Es überwiegen die positiven Einschätzungen, wenngleich es auch einige kritische Stimmen gepaart mit Skepsis gibt. Immerhin fünf Analysten raten zum Kauf der Aktie, während jeweils zwei sich für das Halten und den Verkauf der Titel aussprechen.

Obwohl George Galliers von der US-Investmentbank Goldman Sachs mit 66 Euro das höchste Kursziel auf dem Zettel hat, verweist er darauf, dass der Scheinwerfer-Hersteller derzeit in einem schwierigen Umfeld navigiere. Dagegen zeigt sich Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan optimistisch. Er rechnet dank des "sehr starken März" mit einem guten Abschluss des Geschäftsjahres. Auch im neuen Geschäftsjahr 2021/22 traut er dem Zulieferer deutliches und profitables Wachstum zu. Das Margenpotenzial hält Asumendi aber für eingepreist.

Frank Schwope von der NordLB ist ebenfalls grundsätzlich positiv gestimmt. Nach hohen Verlusten im vergangenen Geschäftsjahr sollte der Autozulieferer 2020/21 wieder deutlich schwarze Zahlen schreiben, glaubt der Analyst. Allerdings dürfte das operative Geschäft auch noch im vierten Geschäftsquartal von der Corona-Pandemie belastet gewesen sein.

Davon geht auch das Analysehaus Kepler Cheuvreux aus. Dessen Experte Michael Raab rechnet damit, dass das Schlussquartal des Autozulieferers gedämpfter ausgefallen sein dürfte. Eine Kombination aus Anlaufkosten für neue Produkte und negative Effekte durch Angebotsknappheiten dürften die Umsätze und Margendynamik kurzfristig belastet haben, glaubt Raab, der den Verkauf der Aktie empfiehlt. Gleiches gilt für Harald Hendrikse von der US-Investmentbank Morgan Stanley. Der starken fundamentalen Lage der Autozulieferer stünden hohe Bewertungen entgegen, das Chance/Risiko-Verhältnis sei nun eher negativ, soder Analyst.

Mit Blick auf mögliche Aktienverkäufe der Eigentümerfamilie gibt Sascha Gommel von Jefferies unterdessen zu bedenken, dass sich die Bundesregierung für den Fall einer Übernahme des Lichttechnik-Spezialisten durch die chinesische Hasco einschalten könnte. Ein solcher Deal dürfte folglich schwierig werden, urteilt der Experte. DZ-Bank-Analyst Michael Punzet rechnet damit, dass die anhaltenden Spekulationen über eine Veränderung der Aktionärsstruktur den Aktienkurs von Hella beeinflussen dürften.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Presseberichte über einen möglichen Anteilsverkauf haben den Hella-Aktien kräftig Aufwind gegeben. Seitdem das "Manager Magazin" Ende April erstmals darüber berichtete, haben die Anteilsscheine rund 30 Prozent an Wert hinzugewonnen. Mit dem aktuellen Kurs von 58,80 Euro liegt das Papier nur noch knapp unter dem Rekordniveau von 59,10 Euro, das es Anfang 2018 erreicht hatte.

Seit dem Corona-Crash-Tief im März 2020 von gerade mal etwas mehr als 20 Euro hat sich der Kurs inzwischen fast verdreifacht. Mehr konnte seitdem kaum ein Titel aus dem Autosektor zulegen und auch im MDax < liegt das Papier damit weit vorne. Mit der jüngsten Rally liegt das Papier inzwischen auch auf Jahressicht mit elf Prozent im Plus und damit stärker als der MDax.

Auf längere Sicht ist die Entwicklung der Hella-Papiere für Anleger noch erfreulicher. Allein in den vergangenen zwölf Monaten konnte der Kurs um rund die Hälfte zulegen. Das Kursplus bezogen auf den Ausgabepreis beim Börsengang im Herbst 2014 beläuft sich auf rund 120 Prozent. Der Konzern kommt dank des jüngsten Kursanstiegs auf einen Börsenwert von rund 6,4 Milliarden Euro.

Mit der Marktkapitalisierung liegt das 1899 gegründete Unternehmen im Index der mittelgroßen Unternehmen im Mittelfeld. Das Paket der Eigentümerfamilie ist aktuell 3,8 Milliarden Euro wert./eas/tav/zb/fba

Quelle: dpa-Afx