TAUFKIRCHEN (dpa-AFX) - Die Geschäfte beim Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt
WAS BEI HENSOLDT LOS IST:
Hensoldt ist aus der ehemaligen Airbus-Radarsparte hervorgegangen, die im Jahr 2017 vom US-Finanzinvestor KKR übernommen worden war. Im vergangenen September erfolgte der - zunächst eher mäßig erfolgreiche - Gang an die Börse. Nur wenige Monate danach steht aber fest: Dem Unternehmen ist zum 21. Dezember ein Platz im Nebenwerte-Index SDax sicher.
Im Tagesgeschäft ging die Corona-Krise bislang fast spurlos am dem Konzern vorüber, der seinen Hauptsitz im bayerischen Taufkirchen nahe München hat. Für die ersten neun Monate meldete Hensoldt einen Rekord beim Auftragsbestand, Umsatz und das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) stiegen. Zudem hatte das Unternehmen zwischen Januar und September bereits vom Kauf des französischen Verteidigungselektronik-Unternehmens Nexeya profitiert, der im Oktober 2019 übernommen worden war.
Wegen hoher Belastungen aus der Neubewertung von Finanzinstrumenten musste der Konzern allerdings unter dem Strich ein dickes Minus hinnehmen. Das änderte jedoch nichts an der Zuversicht der Unternehmensführung: Das Management argumentiert, dass es durch die Corona-Pandemie zwar zu Verzögerungen und Verschiebungen im Projektgeschäft gekommen sei, Großaufträge seien aber nicht storniert worden.
Konzernchef Thomas Müller rechnet daher für 2020 mit einem Umsatzwachstum und einem signifikanten Anstieg des Auftragseingangs. Nach den ersten drei Quartalen war das Auftragsbuch mit 3,4 Milliarden Euro prall gefüllt, hierbei war der Auftragseingang mit zwei Milliarden Euro drei Mal so hoch wie im Vorjahr. Dies kam vor allem dank der Radarbestellung für die deutschen und spanischen Eurofighter zustande. Müller kann zudem auf bereits grundsätzlich vom Bundestag genehmigte weitere milliardenschwere Aufträge hoffen.
Das bereinigte Ebitda soll indes 2020 annähernd auf dem Vorjahresniveau liegen. Zum Vergleich: 2019 lag der Umsatz bei 1,1 Milliarden Euro, operativ erzielte Hensoldt ein bereinigtes Ergebnis von 215,6 Millionen Euro.
US-Investor KKR hält nach dem Börsengang mit 63 Prozent noch immer die Mehrheit an Hensoldt. Ex-Eigner Airbus hatte nach dem Verkauf 2017 zunächst auch eine Minderheitsbeteiligung behalten, diese aber inzwischen abgebaut. Zum Zeitpunkt der Übernahme durch KKR lag der Jahresumsatz von Hensoldt leicht unter dem Niveau von 2019 bei rund einer Milliarde Euro.
WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:
Marktbeobachter zeigten sich zuletzt überzeugt von den Aussichten für die Aktie. Alle vier von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Experten empfehlen einen Kauf der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit 14,80 Euro ein gutes Stück über dem aktuellen Niveau.
JPMorgan-Analyst David Perry hob sein Kursziel für die Papiere nach erfreulichen Nachrichten zur Wirksamkeit eines möglichen Corona-Impfstoffes Mitte November auf 15,50 Euro. Die Nachricht rechtfertige bei den Aktien der europäischen zivilen Luftfahrtunternehmen höhere Bewertungsmultiplikatoren, schrieb der Experte in einer Branchenstudie. Bei Hensoldt sei zudem das Verhältnis von Auftragseingang zum Umsatz so hoch wie bei keinem anderen von ihm beobachteten europäischen Sektorunternehmen, lobte er.
Die Experten der Citibank zeigen sich trotz Kaufempfehlung und einem Kursziel von 15 Euro vorsichtig: Analyst Charles Armitage betonte zuletzt das hohe Anlagerisiko. Denn die Papiere des Spezialisten für Rüstungselektronik hätten zwar enormes Potenzial, so der Experte - aber nur, wenn die Rüstungsinvestitionen nach Plan verliefen.
Die Branchenkenner der Deutschen Bank rufen zwar ein deutlich zurückhaltenderes Kursziel auf Höhe des Ausgabepreises von 12 Euro aus - sie zeigten sich aber optimistischer für das operative Geschäft des Konzerns: Hensoldt werde von steigenden Rüstungsausgaben profitieren, gab sich Analyst Jaime Rowbotham überzeugt.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Der Börsenstart für Hensoldt verlief zunächst nicht optimal. Der Ausgabepreis der Aktien von 12 Euro hatte bereits am unteren Ende der eigentlich angepeilten Spanne gelegen. Und über den Ausgabepreise kamen die Aktien dann auch lange nicht hinaus. Im Gegenteil: Im Oktober knickten sie bis auf 9,66 Euro ein.
Erst der wahrscheinliche - und inzwischen bestätigte - SDax-Aufstieg bis Jahresende gab dem Kurs Ende November genügend Auftrieb, um das Ausgabeniveau erstmals zu übertreffen. In der Spitze ging es gar bis auf 13 Euro nach oben. Zuletzt lag der Kurs bei 12,60 Euro, was einer Marktkapitalisierung von rund 1,3 Milliarden Euro entspricht.
Indes war es an sich schon bemerkenswert, dass das Unternehmen den Gang aufs Parkett in diesem Jahr überhaupt wagte: Die Angst vor der Corona-Pandemie, Shutdowns und wirtschaftliche Einbrüche führten zu immensen Schwankungen an den Finanzmärkten - Gift für Börsengänge. In Deutschland wagten daher nur wenige Unternehmen diesen Schritt./ssc/tav/men/zb
Quelle: dpa-Afx