HAMBURG (dpa-AFX) - Jungheinrich
DAS IST LOS BEI JUNGHEINRICH:
Die Geschichte der Hamburger Firma Jungheinrich reicht zurück bis ins Deutsche Kaiserreich. 1908 gründete Hermann Jungheinrich das Im- und Exporthaus H. Jungheinrich. Dessen ältester Sohn Friedrich stellte zunächst im väterlichen Betrieb Sackkarren, Hebelrollen und Handhubwagen her, die nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau halfen. 1953 legte er dann mit der H. Jungheinrich & Co. Maschinenfabrik den Grundstein für das heutige Unternehmen. In der Zeit des deutschen "Wirtschaftswunders" wurde Jungheinrich zum Weltkonzern. Der Börsengang erfolgte im Jahr der Wiedervereinigung.
Nun will sich Jungheinrich vom reinen Maschinenbauer zu einem zunehmend daten- und softwaregetriebenen Unternehmen wandeln. Dazu plant der Konzern auch Zukäufe. "Wir müssen softwarelastiger werden", sagte jüngst Finanzchef Volker Hues der "Börsen-Zeitung". Den ingenieurlastigen Konzern müsse man jetzt durch Transaktionen verändern. So solle sich Jungheinrich einen besseren Zugang zu den weltgrößten Märkten China und USA verschaffen und sich auch für das Wachstum in der Automation rüsten. Für eine Übernahme im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro sieht Hues das Unternehmen gerüstet.
Derweil laufen die Geschäfte für den Gabelstapler-Hersteller weiterhin rund. Dabei profitiert das Unternehmen vor allem von einer hohen Nachfrage nach Neufahrzeugen und Automatiksystemen. Der Umsatz kletterte im zweiten Quartal im Jahresvergleich um rund 17 Prozent auf gut eine Milliarde Euro. Beim Ergebnis lief es für Jungheinrich noch besser. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) legte auf 97 Millionen Euro zu - mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr.
Eine hohe Nachfrage stimmt den Gabelstapler-Hersteller weiterhin optimistisch für das laufende Jahr. Weil der Welthandel zuletzt weiter anzog und Unternehmen den steten Warenfluss bewältigen müssen, braucht es Stapler und Lagertransportlösungen. Hinzu kommt der Boom des Online-Shoppings. Firmen bauen daher immer mehr und größere Lagerhäuser, die etwa mit automatischen Hochregal-Lagern und anderen Systemen des Konzerns ausgestattet werden.
Für das Gesamtjahr 2021 kalkuliert das Management mit einem Umsatzanstieg auf 4 bis 4,2 Milliarden Euro. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern peilt das Unternehmen 300 bis 350 Millionen Euro an. 2020 waren coronabedingt der Umsatz auf rund 3,8 Milliarden Euro und das operative Ergebnis auf 218 Millionen Euro zurückgegangen.
Jungheinrichs größte Konkurrenten auf dem Flurförderzeugmarkt sind das japanische Unternehmen Toyota
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die Experten sind überwiegend optimistisch für Jungheinrich gestimmt. Von den acht seit August von dpa-AFX erfassten Experten raten fünf zum Kauf und drei zum Halten der Jungheinrich-Aktien. Keiner von ihnen empfiehlt die Papiere zum Verkauf.
Jungheinrich hat nach Ansicht von Analyst Stefan Augustin von der Investmentbank Warburg Research im zweiten Quartal beeindruckende Zahlen vorgelegt. Die Kombination aus einem starken Geschäft im Kundendienst, einem steigenden Neugeschäft und der Nutzung von Rohstoffen, die noch zu günstigen Preisen gesichert werden konnten, hätten die operative Marge (Ebit) im Berichtszeitraum auf ein Rekordniveau von 9,4 Prozent getrieben. Er rechnet im zweiten Halbjahr aber mit einer Abschwächung.
Auch für Analyst Peter Rothenaicher von der Baader Bank ist das zweite Quartal von Jungheinrich besser als erwartet ausgefallen. Der Auftragseingang sei aber hinter dem Marktwachstum zurückgeblieben. Rothenaicher zeigte sich aber zuversichtlich, dass das Unternehmen zumindest das obere Ende seiner unveränderten Prognose für das Gesamtjahr 2021 erreichen wird.
Der gute Lauf bei der Nachfrage nach Gabelstapler- und Lagerautomation sollte anhalten, schrieb DZ-Bank-Analyst Thorsten Reigber. Jungheinrich befinde sich auf einem guten Weg, das mittelfristige Margenziel von acht Prozent bereits 2021 zu erreichen.
Jungheinrich bleibt Analyst Philippe Lorrain von der Berenberg Bank zufolge bei der Herstellung stark in Regionen mit hohen Kosten wie etwa Deutschland. Zusammen mit dem Produktmix grenze dies die Profitabilität des Unternehmens ein. Dennoch dürfte sich die Ebit-Marge von Jungheinrich in den nächsten Jahren schrittweise verbessern, da sich die Volumina wieder erholten und das Unternehmen weiter an Effizienzmaßnahmen arbeite.
Zudem sollte nach Ansicht des Berenberg-Experten der neu geschärfte Fokus des Managements auf Rentabilität und die Generierung von Barmitteln dem Unternehmen genügend Kraft geben, um seine globale Präsenz (China, USA) sowie sein Produkt- und Lösungsportfolio im Bereich der Automatisierung zu erweitern. Dies sollte das Umsatz- und Gewinnwachstum unterstützen.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Jungheinrich-Papiere hangelten sich zu Beginn des Jahrtausends zunächst an der Marke von 3 Euro entlang. Etwas Schwung kam dann ab 2003 in die Aktienstory und die jahrelange Markterholung nach dem Platzen der Tech-Blase führte die Anteilscheine im Frühjahr 2007 über zehn Euro. Bis zum Oktober desselben Jahres ging es dann noch einmal bis auf gut zwölf Euro nach oben, doch wegen der globalen Finanzkrise büßten die Papiere bis Anfang 2009 mehr als 80 Prozent an Wert ein.
Vom Tief bei gut zwei Euro aber ging es innerhalb von knapp zwei Jahren wieder über zehn Euro. In den nächsten Jahren bis Anfang 2018 gab es zwar auch immer wieder mal Rücksetzer, doch der Trend zeigte nun nachhaltig nach oben. 2015 fiel die Schwelle von 20 Euro und nur ein Jahr später wurde die 30-Euro-Marke geknackt. Im Ein-Jahres-Rhythmus ging es dann weiter und im Oktober 2017 kostete eine Jungheinrich-Aktie erstmals mehr als 40 Euro, doch die Party für die Aktionäre sollte bald enden.
Anfang 2018 erreichten die Aktien noch das Rekordhoch von rund 43 Euro, bevor Inflationssorgen und die damit verbundenen weltweiten Sorgen vor steigenden Zinsen auch die Jungheinrich-Papiere mit nach unten rissen. Auffällig ist jedoch, dass die Anteilscheine im folgenden Jahr nicht an der allgemeinen Markterholung teilnahmen, sondern um knapp sechs Prozent nachgaben. Ende 2019 notierten die Papiere nur noch bei 21,50 Euro.
Im vergangenen Jahr sorgte dann die Corona-Krise für den nächsten Kurssturz. Die Aktien sackten bis März 2020 auf rund zehn Euro ab. Doch fast genauso schnell wie es nach unten gegangen war, erholten sich die Anteilsscheine auch wieder. So ging es quasi in einem Zug bis auf rund 48 Euro Ende April dieses Jahres nach oben. Danach verloren die Anteilscheine wieder etwas, erholten sich aber schnell und kletterten Ende August wieder auf fast 48 Euro. Dabei profitierte der Titel auch von dem späteren Aufstieg in den MDax. Seitdem geht es für die Aktie wieder bergab. Zuletzt kostete das Papier knapp 41 Euro. Seit Jahresbeginn steht ein Kursplus von fast zwölf Prozent zu Buche.
Aktuell bringt es das Unternehmen an der Börse auf einen Wert von knapp 4,2 Milliarden Euro. Damit hinkt die Marktkapitalisierung der des Konkurrenten Kion deutlich hinterher. Der bringt es auf knapp 10,5 Milliarden Euro./mne/men/he
Quelle: dpa-Afx