FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie birgt viele Risiken, aber auch Geschäftschancen: Das wird auch beim Blick auf den Gabelstaplerhersteller Kion
LAGE BEI KION:
Der Hersteller von Flurförderzeugen und automatisierten Lagersystemen hat als konjunktursensibles Unternehmen aktuell an der Krise zu knabbern. Im zweiten Quartal sank der Umsatz um 17 Prozent auf rund 1,9 Milliarden Euro, das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis rutschte sogar um fast drei Viertel auf 60,7 Millionen Euro ab. Und unter dem Strich: Rote Zahlen. Nach 125,2 Millionen Euro Gewinn vor einem Jahr nun ein Verlust von 17,1 Millionen Euro. Gerade im April und Mai schwächelte dabei das Geschäft mit Gabelstaplern, vor allem in Europa.
Doch der Investitionszurückhaltung der allgemeinen Industrie steht ein starkes Wachstum des Onlinehandels gegenüber: Der braucht wiederum zusätzliche Logistik und automatische Lager- und Sortiersysteme. Die Aufträge bei Kion schwollen insgesamt um 12 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro an - vor allem bei den Automatisierungslösungen, bei denen die Aufträge auf mehr als das Doppelte wuchsen.
Insbesondere E-Commerce-Unternehmen hätten eine starke Nachfrage entfaltet, hieß es. Und der Markt für automatisierte Materialflusslösungen in den Lagern blieb in fast allen wichtigen Kundenindustrien intakt, so der Konzern. Derzeit kann an der Börse in der Pandemie fast alles noch stärker als ohnehin aufblühen, was mit dem Onlinehandel zu tun hat, seien es Essenslieferdienste oder Modehändler. Viele von ihnen erhöhen ihre Kapazitäten, was die Hoffnung auf künftige Gewinne unter Anlegern schürt.
Dabei kommt Kion auch der vor einigen Jahren erfolgte Kauf des US-Unternehmens Dematic zugute. Dematic ist der Kern der Sparte für automatisierte Lieferkettenlösungen, die aktuell von den hohen Aufträgen profitiert.
Anfang August meldete Kion nun eine strategische Kooperation mit dem chinesischen Roboterhersteller Quicktron. Im Zuge dessen will Kion auch eine Minderheitsbeteiligung an den Chinesen übernehmen. Über finanzielle Details wurde Stillschweigen vereinbart. Quicktron, 2014 in Shanghai gegründet, stellt autonome, mobile Roboter her. "Die Zusammenarbeit mit Quicktron wird unsere Position im Bereich automatisierter Fahrzeuge weiter stärken", sagte Konzernchef Gordon Riske. Die Vereinbarung sieht den weltweiten Vertrieb der Quicktron-Produkte durch Kion vor, aber auch eine gemeinschaftliche Entwicklung.
WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:
Analystin Daniela Costa von Goldman Sachs hob ihre Gewinnschätzungen und das Kursziel nach den vorläufigen Zahlen zwar an - vor allem wegen des unerwartet starken Anstiegs bei den Bestellungen der Lieferkettenlösungen. Allerdings ist die Expertin angesichts der Gesamtbewertung mit ihrem Kursziel von 47 Euro nach wie vor skeptisch und empfiehlt den Verkauf der Papiere.
Neben Alexander Hauenstein von der DZ Bank ist Costa aber die einzige, die zum Abstoßen rät. Acht der 13 im dpa-AFX-Analyser erfassten Expertinnen und Experten raten dagegen zum Kauf, drei zum Halten der Titel. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 65 Euro und damit unter dem aktuellen Niveau von rund 69 Euro.
Zu den Optimisten gehört Philippe Lorrain von der Berenberg Bank. Das Segment Materialtransport dürfte für langfristig orientierte Anleger mit Affinität zur Lagerautomatisierung attraktiv bleiben, schrieb der Analyst. Innerhalb des Subsektors ziehe er die Kion-Aktie jener von Jungheinrich vor, denn der Frankfurter Gabelstaplerhersteller dürfte in den kommenden Jahren stärker wachsen und erwirtschafte einen höheren freien Mittelzufluss als sein Hamburger Konkurrent. Der Experte hat ein Kursziel von 79 Euro auf dem Zettel.
Neutral gestimmt ist Akash Gupta von der US-Bank JPMorgan mit seinem auf 56 Euro angehobenen Kursziel. Der Analyst senkte zwar seine Gewinnschätzungen für dieses Jahr, erhöhte sie aber für die kommenden beiden Jahre. Die Zahlen zum zweiten Quartal hätten seine Erwartungen deutlich überboten, schrieb er. Der starke Auftragsanstieg bei Lieferkettenlösungen dürfte die Befürchtung einiger Investoren ausräumen, dass Kion hier Marktanteile verlieren könnte.
WAS DIE AKTIE MACHT:
Die Kion-Aktie kannte seit dem Tief des Corona-Crashs im März bis fast Ende Juli nur eine Richtung - die nach oben. Seit dem Corona-Crash-Tief von 33,20 Euro legte das Papier bis dahin 116 Prozent zu. Dann legte das Papier mit den endgültigen Zahlen eine Atempause ein und kam wieder etwas zurück, mittlerweile notiert es aber wieder um die 69 Euro. Damit kosten die Anteilsscheine mehr als vor der Corona-Krise.
Mit der Rally hat sich das Papier unter den deutschen Standardwerten zu einem der Gewinner der vergangenen Monate gemausert. In diesem Jahr legte der Kurs um zwölf Prozent zu - damit gehört Kion zu den besseren Werten im MDax
Mit dem inzwischen erreichten Niveau ist sogar wieder das Rekordhoch von knapp 82 Euro aus dem Oktober 2017 durchaus in Reichweite gerückt. Kion wurde 2013 vom Finanzinvestor KKR an die Börse gebracht. Die Platzierung gelang dabei nur mit Hilfe des chinesischen Industriekonzerns Weichai Power, der sich kurz davor ein großes Paket gesichert hat und inzwischen 45 Prozent der Anteile hält.
Doch nach einem holprigen Start schlug sich Kion am Kapitalmarkt schnell gut. Ausgehend vom Ausgabepreis von 24 Euro ging es für den Kurs bis zum Herbst 2017 um fast 250 Prozent nach oben. Damit entwickelte sich das Papier besser als der MDax oder die Anteile des Konkurrenten Jungheinrich
Doch nach dem Rekordhoch Ende 2017 war die Luft raus und in den beiden Jahren danach sackte der Kurs auch wegen des Handelskriegs zwischen China und den USA peu a peu ab - und dann kam noch die Corona-Krise hinzu.
Nach der Erholung in den vergangenen Wochen ist Kion an der Börse wieder mehr als acht Milliarden Euro wert und liegt damit in dieser Wertung im oberen Mittelfeld des MDax./men/zb/mis/jha/
Quelle: dpa-Afx