(Berichtigt wird im siebten Absatz vierter Satz, der Name des Impfstoff-Herstellers: Biontech rpt Biontech.)

DARMSTADT (dpa-AFX) - Der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck KGaA schwimmt in der Corona-Pandemie bislang obenauf - und mit ihm die Aktie. Das Dax-Unternehmen hat nach einem Durchhänger die richtigen Weichen gestellt. Zur Lage bei Merck, was die Aktie macht und was die Analysten sagen.

DAS IST LOS BEI MERCK:

Wenn die gebürtige Spanierin Belén Garijo ab Mai an die Konzernspitze rückt, übernimmt sie ein wieder erstarktes Unternehmen. Zusammen mit dem noch amtierenden Konzernchef Stefan Oschmann hat die derzeitige Merck-Vizechefin und Lenkerin der Pharmasparte ihren vor einiger Zeit wegen Patentabläufen leidenden Geschäftsbereich wieder ans Laufen gebracht - durch eine konsequente Neuausrichtung und neue Märkte wie etwa China. Die Laborsparte florierte bereits vor der Pandemie, durch die Forschung an Corona-Impfstoffen bekam der Bereich zuletzt nochmals Auftrieb.

Einzig in der Spezialchemiesparte lässt der erhoffte Aufschwung noch etwas länger auf sich warten, weil einige Teilbereiche in den Würgegriff der Pandemie gerieten. Die Viruskrise hatte vor allem dem Geschäft mit Farbpigmenten für die Automobil- und Kosmetikbranche zugesetzt, weil die Nachfrage aus den jeweiligen Industrien schwächelte.

Oschmann hinterlässt aber auch hier ein gut bestelltes Haus, denn die Spezialchemie hat wie die Pharmasparte ihren Umbau ebenfalls bereits weitgehend hinter sich. Weil das lange florierende wichtige Geschäft mit Flüssigkristallen etwa für Displays und Smartphones Konkurrenz aus Asien bekam, schwenkte die Sparte vor wenigen Jahren um. Der Fokus liegt nun auf der Halbleiter- und Elektronikindustrie.

Mit dem rund 5,8 Milliarden Euro teuren Zukauf des US-Halbleiterzulieferers Versum Materials im Jahr 2019 hat der scheidende Unternehmenschef eine vielversprechende Basis für weiteres Wachstum gelegt. Auch abseits des Zukaufs sprang das Halbleitergeschäft von Merck im dritten Quartal deutlich an.

Seiner breiten Aufstellung verdankt Merck auch, dass der Konzern in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise kam und das Management zunehmend optimistischer wurde. Die im Frühjahr noch gestutzten Ziele wurden mehrfach aufpoliert. Die Vorlage der Zahlen für das Schlussquartal und die Jahresbilanz ist für den 4. März geplant.

Während die Corona-Pandemie an einigen Stellen im Konzern belastet, profitiert Merck andererseits aber auch von ihr. Denn in einer unvergleichlichen Kraftanstrengung schließt sich die Pharmabranche auf der Suche nach einem Corona-Gegenmittel in immer neuen Allianzen zusammen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch die Darmstädter eine Rolle in dieser Phalanx spielen sollten. Unter anderem ist Merck als Produzent von Lipiden in der Lieferkette des mRNA-Impfstoffes von Biontech und Pfizer eine wichtige Stellschraube. Erst kürzlich bauten die Unternehmen ihre Zusammenarbeit aus.

In der eigenen Pharmaforschung gab es für Merck allerdings zuletzt auch Licht und Schatten. Der Konzern setzt nach seinem Geschäftsumbau verstärkt auf Krebsarzneien und seine Multiple-Sklerose-Tablette Mavenclad. Ende Januar floppte jedoch eine Lungenkrebsstudie mit dem wichtigen Testkandidaten Bintrafusp alfa, den Merck mittlerweile in Kooperation mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) weiterentwickelt.

Dagegen konnten in Darmstadt jüngst Zulassungen für die Krebsmittel Tepmetko und Bavencio gefeiert werden. Verglichen mit einigen Blockbustern anderer Branchengrößen sind Mercks Krebsmittel gemessen am Umsatz zwar noch ein recht kleiner Fisch; Mercks Forscher sind jedoch derzeit mit Blick auf die Testkandidaten in ihren Laboren und die bereits am Markt befindlichen Umsatzbringer wie Mavenclad mehr als optimistisch. Ziel ist ein Erlös von rund zwei Milliarden Euro durch neue Produkte im Jahr 2022.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 21 von dpa-AFX erfassten Experten, die sich seit dem letzten Quartalsbericht im November zur Aktie geäußert haben, votieren aktuell zwölf für einen Kauf der Aktie. Acht Experten stimmen dafür, das Papier zu halten. Nur ein Analysehaus empfiehlt den Verkauf.

Berenberg-Analystin Luisa Hector nahm erst kürzlich Merck unter Beobachtung, stuft das Papier aber mit "Hold" ein. Innovationskraft und hohe Flexibilität seien hervorstechende Merkmale des südhessischen Pharmakonzerns, lobte die Expertin. Das Unternehmen sei gleich mehreren langfristigen Wachstumstrends verpflichtet. Allerdings sei auch die Bewertung inzwischen hoch, begründete sie ihr neutrales Votum. Sie hat mit 150 Euro ein Kursziel dennoch ein Kursziel über der der aktuellen Marktbewertung gesetzt.

Goldman-Analyst Krishna Chaitanya Arikatla empfiehlt bereits seit mehr als einem Jahr, Merck-Papiere aus dem Depot zu werfen. Im November lobte er zwar die überraschend guten Quartalszahlen und hob sein Kursziel auf 107 Euro an, sieht für die Aktie damit aber unverändert deutliches Abwärtspotenzial. Er stellte damals unter anderem die Frage, wie lange der gute Lauf der Laborsparte im Bioprozessing-Bereich anhalte - schließlich profitiere diese enorm von der Pandemie. Im Schlussquartal sollte der Bereich aber gut gelaufen sein, vermutete der Experte in einer weiteren Studie von Anfang Februar.

Richard Vosser von der US-Investmentbank JPMorgan geht grundsätzlich davon aus, dass Merck ein starkes Schlussquartal abliefern dürfte. Zudem rechnet er damit, dass die Markterwartungen etwas steigen dürften, sobald der Konzern einen ersten Ausblick auf das neue Jahr 2021 gebe. Der Experte gehört ohnehin zu den größten Merck-Optimisten - mit 160 Euro ruft er eines der höchsten Kursziele für die Dax-Firma auf. Am meisten aber traut Daniel Grigat von Stifel Europe dem Merck- Papier zu: Er hat aktuell ein Kursziel von 175 Euro auf dem Zettel.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Merck-Aktie hat in den vergangenen Wochen ihrem jüngsten Höhenflug Tribut gezollt, davor aber war das Papier von Rekord zu Rekord gelaufen. Mitte Januar kostete das Papier erstmals fast 150 Euro, seither konsolidiert der Kurs - es ging um rund zehn Prozent ging es vom Hoch aus gesehen nach unten.

Der starke Lauf der letzten Monate fußt auch auf dem erfolgreichen Konzernumbau mit Fokus auf moderne Technologien. Auch Analysten testieren dem Konzern gute Geschäftsaussichten. Die Pandemie hat Merck daher auch an der Börse bestens weggesteckt, die Aktie gehörte im vergangenen Jahr zu den Top 3 im Dax.

Aktuell hat das Papier auf Sicht von zwölf Monaten 16 Prozent, was einen Platz in den Top 10 des Dax bedeutet. Der deutsche Leitindex legte im gleichen Zeitraum um knapp 8 Prozent zu. Seit dem Corona-Tief im März bei rund 76 Euro beläuft sich das Plus von Merck gar auf 80 Prozent.

Mit einer Marktkapitalisierung von 59 Milliarden Euro liegt Merck etwas mehr als drei Milliarden Euro hinter dem Branchenkollegen BASF . Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer hinkt der Merck mit einer Marktkapitalisierung von knapp 50 Milliarden Euro derweil ein ganzes Stück hinter her.

Vor wenigen Jahren sah das noch ganz anders aus: Im April 2015 auf Kurs-Rekordniveau hatte Bayer mit einer Marktkapitalisierung von rund 120 Milliarden Euro noch den Spitzenplatz im deutschen Leitindex inne, Merck brachte mit einem Börsengewicht von damals etwa 46 Milliarden Euro auf weniger als die Hälfte./tav/nas/mis/zb/stw

Quelle: dpa-Afx