(Korrigiert wurde im ersten Satz des achten Absatzes die Zahl der Kurzarbeiter: 1300.)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp
Der Aktie verhalf dies zu einem Kurssprung. Die Papiere legten am Vormittag acht Prozent zu und standen damit in der Gewinnerliste des Mittelwerteindex MDax ganz vorne. Zuletzt waren die Aktien auf dem niedrigsten Niveau seit Ende 2020 um die 7-Euro-Marke gependelt. Analyst Christian Obst von der Baader Bank zog in einem ersten Kommentar ein positives Fazit der Ergebnisse und des Ausblicks, auch wenn der freie Mittelfluss (Free Cashflow) negativ bleibe. Er hält an seiner Einschätzung fest, dass die Aktie unterbewertet ist.
Vor allem das bereinigte operative Ergebnis sei deutlich stärker als erwartet ausgefallen, kommentierte Luke Nelson von JPMorgan. Er hob den Materialhandel und das Stahlgeschäft hervor. Einzige Enttäuschung sei die Automotive-Sparte, die unter den Lieferengpässen in der Industrie leide.
Thyssenkrupp erwartet nun für 2021/22 (per Ende September) einen Umsatzanstieg im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Bislang war der Konzern von einem mittleren einstelligen prozentualen Wachstum ausgegangen. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) soll von 796 Millionen auf mindestens zwei Milliarden Euro steigen. Zuvor hatte das Management um Konzernchefin Martina Merz bis zu 1,8 Milliarden in Aussicht gestellt. Analysten hatten ebenfalls mit einem Wert in dieser Größenordnung gerechnet. Die Erwartung eines Jahresüberschusses von mindestens einer Milliarde Euro bleibe bestehen.
Dazu erwartet Thyssenkrupp jetzt einen freien Mittelabfluss vor Fusionen und Akquisitionen im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Das Unternehmen hatte die Prognose dieser von Analysten viel beachteten Kennziffer Mitte März wegen der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zwischenzeitlich ausgesetzt. Insgesamt steht der Ausblick von Thyssenkrupp unter der Bedingung, dass fossile Energieträger und hier besonders Erdgas sowie Rohstoffe weiter uneingeschränkt zu bekommen sind und die Rohstoff- und Energiekosten auf dem Niveau des zweiten Quartals bleiben.
Mit der Entwicklung zeigte sich Konzernchefin Merz zufrieden: "Trotz erschwerter Bedingungen in unseren auto- und komponentenbezogenen Geschäften hatten wir ein gutes zweites Quartal." Das Unternehmen habe Widerstandsfähigkeit bewiesen und die Ergebnisse deutlich verbessert. "Mit unserer dezentralen Aufstellung als Unternehmensgruppe sind wir in der Lage, schneller als in der Vergangenheit auf neue Herausforderungen zu reagieren."
Der Umsatz stieg im zweiten Quartal um knapp ein Viertel auf 10,6 Milliarden Euro. Getrieben wurde das Wachstum von höheren Preisen im Materialhandel und im Stahlgeschäft, welches so Lieferengpässe und damit verbundene schwächere Abrufe aus der Automobilindustrie mehr als ausgleichen konnte. Das bereinigte operative Ergebnis des Konzerns legte von 220 auf 802 Millionen Euro zu. Analysten hatten bei beiden Kennziffern mit deutlich weniger gerechnet. Unter dem Strich verdiente Thyssenkrupp 565 Millionen Euro, nachdem ein Jahr zuvor noch ein Verlust von 211 Millionen angefallen war.
Wegen der schwächeren Abrufe sind im Stahlgeschäft immer noch rund 1300 Mitarbeiter in Kurzarbeit, erläuterte Finanzvorstand Klaus Keysberg in einer Telefonkonferenz. Die Tendenz soll jedoch sinken. Hinter dem geplanten Spin-off des Stahlgeschäfts steht weiter ein dickes Fragezeichen. Thyssenkrupp hatte im Zuge des Ukraine-Krieges die Pläne wegen des instabilen Umfeldes auf Eis gelegt. Die Sparte befindet sich derzeit im Umbau, inklusive des Abbaus von Stellen. Zudem steht das Stahlgeschäft vor der Herausforderung, klimafreundlicher zu produzieren, was Milliardeninvestitionen nötig macht. An den Plänen zur "grünen Transformation" und der Dekarbonisierung halte das Unternehmen fest. Hier brauche Thyssenkrupp jedoch konkrete Förderzusagen der Politik, bekräftigte Keysberg.
Der freie Mittelabfluss vor Fusionen und Akquisitionen (Free Cashflow vor M&A) betrug im Quartal 772 Millionen Euro und lag damit etwas über dem Vorjahresquartal. "Die dynamische Entwicklung bei den Rohstoff- und Materialpreisen belasten derzeit unseren Cashflow", sagte Keysberg. "Wir gehen aber davon aus, dass wir uns in den Folgequartalen sequenziell verbessern werden. Die Rückkehr zu einem positiven Free Cashflow vor M&A bleibt unser vorrangiges Ziel."/nas/jha/men/zb
Quelle: dpa-Afx