(Im vorletzten Absatz, vorletzter Satz, wurde die Zahl 2025 ergänzt. Zudem wurde ein Erklärsatz zu den Auflagen für Dividenden ergänzt.)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie schöpft in der Energiekrise keine Hoffnung für das kommende Jahr. Nach einem Produktionseinbruch warnte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) am Donnerstag vor weiteren kräftigen Rückgängen 2023. Auch der Umsatz werde "aller Voraussicht nach" schrumpfen, sagte VCI-Präsident Markus Steilemann in Frankfurt. Eine konkrete Prognose gab der Verband nicht ab. Er warnte vor der Abwanderung von Chemiebetrieben ins Ausland wegen hoher Gas- und Strompreise.
"Die Ertragslage der gesamten Branche hat sich im Jahresverlauf rapide verschlechtert", sagte Steilemann. Die Vorzeichen für 2023 in der drittgrößten deutschen Industriebranche nach dem Auto- und Maschinenbau seien denkbar schlecht. Jedes vierte Branchenunternehmen mache Verluste. Insbesondere der Mittelstand sei betroffen. Auch Kurzarbeit werde im Frühjahr wieder Thema werden, sagte Steilemann.
Er warnte vor der Abwanderung von Chemiebetrieben besonders nach China und in die USA, die größten Chemiemärkte weltweit. Dort sei Energie günstiger als hierzulande. Viele Branchenfirmen wollten weniger investieren und wenn, dann vor allem außerhalb Deutschlands, sagte er. Fast jedes vierte Unternehmen verlagere Teile der Produktion ins Ausland, zeige eine VCI-Mitgliederumfrage
Die Chemie- und Pharmaindustrie mit gut 475 000 Beschäftigten leidet unter den hohen Gas- und Strompreisen infolge des Ukraine-Kriegs. Die Produktion wird laut VCI dieses Jahr um 6 Prozent gemessen am Vorjahr sinken. Während die Pharmabranche zulegte, schrumpfte die Herstellung der Chemie allein um rund 10 Prozent. "Einen ähnlich starken Einbruch bei der Produktion gab es zuletzt 2009 als Folge der Weltwirtschaftskrise." So sei die Produktion von Ammoniak, das in der Dünger- und Pharmabranche gebraucht wird, um 75 Prozent gesunken.
Unterdessen soll der Branchenumsatz um gut 17 Prozent auf den Rekord von 266,5 Milliarden Euro klettern und damit noch stärker als zuletzt angepeilt. Der Zuwachs sei auf die um 22 Prozent gestiegenen Preise für Chemie-Erzeugnisse zurückzuführen, so der VCI. Preisbereinigt falle der Umsatz um fünf Prozent, auch die Verkaufsmengen sänken.
Der Verband forderte Änderungen bei der Gaspreisbremse für die Chemieindustrie. Die Förderobergrenzen vor allem für Großverbraucher seien zu niedrig, kritisierte er und wandte sich etwa gegen verschärfte Regelungen zu Boni- und Dividendenzahlungen. So hatte sich die Ampel-Koalition darauf verständigt, dass Unternehmen ab 50 Millionen Euro erhaltener Staatshilfe keine Boni und Dividenden auszahlen dürfen. Auch müssten Nutznießer bis April 2025 mindestens 90 Prozent des heutigen Beschäftigungsniveaus garantieren. Steilemann forderte eine "vollkommen auflagenfreie" Gaspreisbremse.
Die Chemie- und Pharmabranche ist nach früheren Angaben mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher und steht für ein Drittel des gesamten Industrieverbrauchs. Sie benötigt Gas als Energiequelle und Rohstoff zur Weiterverarbeitung, etwa für Kunststoffe, Arzneien und Dünger. Auch ist die Chemie als Lieferant etwa für die Auto-, Konsumgüter- und Bauindustrie konjunkturabhängig./als/DP/mis
Quelle: dpa-Afx