KASSEL (dpa-AFX) - Nach schwierigen Jahren haben sich die Perspektiven für den hessischen Düngerkonzern K+S
DAS IST LOS BEI K+S:
Die Agrarmärkte florieren, die Preise für Feldfrüchte wie Baumwolle, Soja und Mais haben seit dem Sommer letzten Jahres kräftig zugelegt. Für die Landwirte lohnt es sich, mehr Geld für höherwertiges Saatgut auszugeben und mehr Dünger auszubringen, um hohe Erträge zu erzielen. Gute Aussichten also für Düngerkonzerne wie K+S.
Für zusätzlichen Rückenwind könnten nun Sanktionen der EU gegen Belarus sorgen. So forderte das Europäische Parlament nach der erzwungenen Landung eines Flugzeugs und der Festnahme des Bloggers Roman Protassewitsch in Belarus weitere Schritte gegen den Staat. Strafmaßnahmen solle es etwa gegen die Rohölverarbeitung, die Herstellung von Erdölerzeugnissen, die holzverarbeitende Industrie sowie die Kali- und Stahlindustrie geben, heißt es in einer Resolution.
Sollte Belarus kein Kali mehr in die EU liefern dürfen, könnte sich K+S Branchenexperten zufolge wohl eine großes Stück des Kuchens sichern. Wie viel Gewinnpotenzial darin steckt, lässt sich aber schwer sagen, solange die Sanktionen nicht im Detail bekannt sind.
Aber auch ohne derartige Schützenhilfe traute sich Konzernchef Burkhard Lohr bereits im Mai zur Vorlage der Zahlen für das erste Quartal einen optimistischeren Ausblick für das Gesamtjahr zu. Neben den Kali-Perspektiven lag das insbesondere am starken Geschäft mit Auftausalz, dem der lange Winter in Europa zugute kam. "Die Schneefälle über Ostern haben zudem die Lagerbestände der Kunden weiter sinken lassen", betonte Lohr auf der Hauptversammlung im Mai. Daher dürften die Kunden auch mit Blick auf den kommenden Winter ihre Lager wieder auffüllen und so für gute Geschäfte sorgen.
2021 peilt der Manager nun einen Anstieg des operativen Gewinns (Ebitda) auf 500 bis 600 Millionen Euro an, inklusive eines für den Sommer erwarteten einmaligen Buchgewinns von 200 Millionen Euro aus der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Reks, in dem die Kasseler ihr Entsorgungsgeschäft mit dem der Remondis-Tochter Remex bündeln.
Selbst ohne den Reks-Effekt wäre das in jedem Fall ein Wachstum des operativen Gewinns nach 267 Millionen Euro im schwierigen Pandemiejahr 2020. Herausgerechnet ist dabei im Vorjahr auch schon der Beitrag des amerikanischen Salzgeschäfts. Das hatte der hoch verschuldete Konzern für einen Nettoerlös von 2,6 Milliarden Euro an die Industrieholding Stone Canyon verkauft. Mit dem Geld soll der Schuldenberg schrittweise reduziert werden. Zudem konnte K+S dank des nun größeren finanziellen Spielraums eine umfangreiche Kreditlinie der Förderbank KfW kündigen.
Gleichzeitig drückt das Management weiter auf die Kostenbremse, um die Gewinnentwicklung anzukurbeln. Spätestens ab 2023 soll dann auch bei geringeren Kalipreisen an jedem Produktionsstandort ein positiver freier Mittelzufluss (Free Cashflow) erwirtschaftet werden. Auch das würde beim Schuldenabbau deutlich helfen.
Neben den geplanten operativen Verbesserungen gibt es bei den Hessen weitere Baustellen. So bleiben die Kosten im Zusammenhang mit Umweltauflagen in Deutschland hoch. Mit einem Rückgang rechnet das Management erst ab dem kommenden Jahr. K+S will denn auch im Verlauf des Jahres 2022 mit der Einleitung von Produktionsabwässern in das stillgelegte Bergwerk Springen in Thüringen beginnen. Ein Schritt, der notwendig wird, da dann keine Abwässer mehr in den Boden verpresst werden dürfen. Noch haben die Behörden den Plänen für Springen nicht zugestimmt. Konzernchef Lohr gab sich zuletzt aber zuversichtlich, dass die laufenden Gespräche mit den Behörden positiv enden werden.
Offen ist überdies die Prüfung einer milliardenschweren Wertminderung durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung auf Verlangen der Finanzaufsicht Bafin. Auch hier ist K+S zuversichtlich und sieht den von der Bafin erhobenen Verdacht von zu geringer und verspäteter Abschreibungen auf das Düngergeschäft im Herbst vergangenen Jahres als entkräftet an. Der Grund: Der Abschlussprüfer Deloitte hatte den Konzernabschluss 2020 im März uneingeschränkt testiert.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Die von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX seit der Vorlage der Zahlen für das erste Quartal im Mai erfassten Analysten schätzen K+S im Mittel durchaus positiv ein, wenngleich die Mehrheit aktuell für den Kurs keine Luft mehr nach oben sieht. Allerdings dürften viele Experten den in den letzten Wochen beschleunigten Anstieg der Kalipreise wohl noch nicht in ihren Bewertungsmodellen berücksichtigt haben. So liegt das durchschnittliche Kursziel bei knapp 11 Euro. Zwei Verkaufsempfehlungen stehen sieben Halte- und vier Kaufempfehlungen gegenüber.
Am optimistischen sind denn auch die Analysten mit den jüngsten Studien. So stufte sowohl Andreas Heine vom Investmenthaus Stifel als auch Michael Schäfer von der Commerzbank die Aktien Mitte Juni bei einem Kursziel von jeweils 15 Euro auf "Kaufen" hoch. Die Preise für Kalidünger stiegen mittlerweile schwungvoll und schneller als die ebenfalls anziehenden Kosten, erklärte Heine. Der Gegenwind durch die Wechselkursentwicklungen werde überkompensiert. Zudem könnte der Düngerkonzern von Sanktionen der EU gegen Belarus profitieren, sollten diese die Kali-Industrie des Landes treffen.
Schäfer verweist darüber hinaus auf eine deutliche Produktionskürzung des Konkurrenten Mosaic, der zwei ältere Minen einige Monate eher schließt als ursprünglich geplant. Das habe das Kaliangebot weiter verknappt. Auch die angekündigte Produktionsausweitung des Wettbewerbers Nutrien werde das so schnell nicht ausgleichen. Schäfer geht davon aus, dass sich der Kali-Preisanstieg nach und nach in den Gewinnen von K+S widerspiegeln und dann vor allem 2022 einen größeren Einfluss haben werde.
Deutlich vorsichtiger ist Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan. Zwar habe K+S den Jahresausblick mit den Zahlen für das erste Quartal angehoben, allerdings nur auf das Niveau der Markterwartungen. Mit Blick auf sein "Underweight"-Votum bei einem Kursziel von 7,60 Euro erklärt der Experte, dass K+S recht hoch bewertet sei. So werde die Verschuldungsquote trotz der durch den Verkauf des amerikanischen Salzgeschäfts besseren Finanzlage sowie einer Erholung der Kalipreise hoch bleiben. Gleichzeitig erscheine das Potenzial für den freien Mittelzufluss (Free Cashflow) für ein zyklisches Unternehmen begrenzt, während K+S im Branchenvergleich auch noch recht hohe Produktionskosten habe.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Das bessere Agrarumfeld treibt schon seit Anfang November die Erholung der Aktien von K+S an, die Mitte Mai nochmals Schwung aufnahm. In der Spitze gewannen die Papiere in dem gesamten Zeitraum mehr als 120 Prozent auf 12,60 Euro. Aktuell nahmen einige Anleger Gewinne mit, der Kurs fiel auf knapp 12 Euro zurück.
Der Blick zurück zeigt dagegen ein bislang langfristig betrachtet wenig rosiges Bild. Die Aktien stehen, abgesehen von wenigen Erholungsphasen, seit mehr als einer Dekade unter Druck. Kurz vor der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 hatten die Papiere mehr als 97 Euro gekostet.
Zwar folgte auf den Kurseinbruch im Sog der globalen Finanzkrise 2008 bis 2009 eine Erholung bis ins Jahr 2011 hinein, doch anschließend purzelte der Aktienkurs wieder. 2015 trieb das Interesse des kanadischen Wettbewerbers Potash den Kurs nochmal bis auf rund 40 Euro. Allerdings gab Potash - das mittlerweile mit Agrium zu Nutrien
Von den knapp 40 Euro ist aktuell etwas mehr als ein Viertel übrig, vom Rekordhoch aus 2008 in etwa ein Neuntel. Um den seit 2011 laufenden Abwärtstrend nach oben zu verlassen, müssten die Papiere nachhaltig über den Bereich um die 15 bis 16 Euro klettern.
An der Börse bringt es K+S aktuell auf einen Wert von rund 2,3 Milliarden Euro, was einen der letzten Plätze im MDax bedeutet. Zum Vergleich: Mitte 2015 waren es im Zuge des Interesses von Potash noch rund sieben Milliarden Euro gewesen. Damals war K+S auch noch im deutschen Leitindex Dax
Die beiden deutlich größeren Wettbewerber Nutrien und Mosaic bringen es auf Marktkapitalisierungen von umgerechnet rund 30 Milliarden Euro beziehungsweise gut 10 Milliarden Euro./mis/knd/ck/fba
Quelle: dpa-Afx