MÜNCHEN/STUTTGART (dpa-AFX) - Lastwagen müssen ihren CO2-Ausstoß im Vergleich zu 2019 bis 2030 um mindestens 30 Prozent senken - so will es die EU. Andernfalls drohen den Herstellern immense Strafen. Klar ist: Der Supermarkt in der Stadt wird bald mit Elektrolastwagen beliefert - aber wie fahren die schweren Sattelzüge in Zukunft quer durch Europa? Ein kritischer Kommentar des Fraunhofer-Forschers Patrick Plötz zum Wasserstoff-Lkw hat die Debatte darüber befeuert.
"Langfristig sind die Kosten entscheidend", schreibt Plötz in der Fachzeitschrift "Nature Electronics". Und da sähen die meisten Studien den Batterie-Lkw klar im Vorteil gegenüber dem Lastwagen, der den Strom für seinen Elektromotor mit einer Brennstoffzelle aus Wasserstoff gewinne. Deshalb werde Wasserstoff wahrscheinlich keine große Rolle im Lkw-Verkehr spielen, sondern eher eine Nischen-Lösung für sehr schwere Transporte in abgelegenen Regionen sein. Politik und Industrie müssen nun rasch entscheiden, wo sie ihr Geld investieren.
Die VW
Wer die falsche Entscheidung trifft, riskiert viel: Denn mit Sattelschleppern verdient die Branche das meiste Geld. Und die Gewinnmarge in der Transportbranche ist mit etwa drei Prozent vom Umsatz sehr klein. Mit welchem Antrieb kommt der Spediteur künftig besser auf seine Kosten?
Andreas Kammel, Tratons Strategiechef für alternative Antriebe, macht folgende Rechnung auf: Ein großer Batterie-Truck wird 2030 etwa 200 000 Euro kosten, ähnlich viel wie ein Wasserstoff-Laster. Aber der setzt die Energie viel schlechter um. Ein Batterie-Truck braucht über seine Lebensdauer Strom für 250 000 Euro, beim Wasserstoff geht es eher in Richtung 500 000 Euro. "Deshalb ist der Batterie-Lkw gerade bei der intensiven Nutzung im Fernverkehr am günstigsten", sagt Kammel.
Beim Gewicht, bei der Tankzeit und mit 1000 Kilometern Reichweite liege der Wasserstoff-Truck aber vorn, sagt Daimler-Technikvorstand Andreas Gorbach. Er "kann vor allem im harten Fernverkehrseinsatz eine sinnvolle Option für unsere Kunden sein, insbesondere in Bezug auf die Gesamtbetriebskosten".
Die Lkw-Batterie wiegt heute 4 Tonnen, damit kommt ein schwerer Lastwagen 400 Kilometer weit. Und das Laden der Lkw-Batterie dauert anderthalb Stunden. Unterwegs soll das künftig aber an leistungsfähigen Ladestationen während der 45-minütigen Pause geschehen, die die Lkw-Fahrer in der EU nach viereinhalb Stunden Fahrzeit ohnehin einlegen müssen. Daimler, Volvo und Traton wollen zusammen bis 2027 mindestens 1700 Hochleistungs-Ladepunkte errichten und betreiben. Die Batterie werde leistungsfähiger, sagt Kammel. Die Nachteile bei Nutzlast und Ladezeit würden immer geringer, aber "die Kostenvorteile gegenüber Brennstoffzelle und Diesel wachsen weiter".
Daimler dagegen sieht bei den Kosten und der technischen Machbarkeit der Infrastruktur den Wasserstoff im Vorteil. Kaum ein Land werde sich mit Ökostrom zu wettbewerbsfähigen Preisen selbst versorgen können, sagt Gorbach. Stromkabel aus Übersee? Unmöglich. Aber grüner Wasserstoff kann in den wind- und sonnenreichen Regionen der Welt hergestellt, nach Europa transportiert und sogar gespeichert werden. "Wir gehen davon aus, dass dieser perspektivisch zu sehr attraktiven Preisen gehandelt wird."
Die Lkw-Bauer Daimler, Volvo und Iveco, der Gasehersteller Linde
Im weltweit wichtigsten Lkw-Markt USA sind die Strecken sehr lang, die Standzeiten für die Fahrer kürzer. "Das sind große Hürden, um den E-Lkw konkurrenzfähig zu machen", sagt Traton-Manager Kammel. Scania bringt im kommenden Jahr die ersten vollelektrischen 40- und 60-Tonner, MAN folgt später. "Wir erwarten, dass wir 2030 die Hälfte unserer Schwerlastwagen als E-Lkw verkaufen können. Vorausgesetzt, die Infrastruktur kommt."
Denn der Profi braucht eine alltagstaugliche Infrastruktur. Es wäre "fatal, die Infrastrukturen für Batterie- und für Wasserstoff-Trucks parallel aufzubauen, aber beides nur lückenhaft, weil das Geld fehlt", sagt Kammel. Dagegen heißt es bei Daimler: "Wir brauchen beides."/rol/DP/mis
--- Von Roland Losch, dpa ---
Quelle: dpa-Afx