FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach zehn Jahren im Amt ist Schluss: Paul Achleitner räumt seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank. Ein letztes Mal wird der inzwischen 65-jährige Österreicher an diesem Donnerstag (19.5.) die Hauptversammlung des Frankfurter Dax-Konzerns
Auf einen Nachfolger hat sich die Bank bereits festgelegt: Der Niederländer Alexander (Alex) Wynaendts (61) stellt sich als neuer Chefkontrolleur des größten deutschen Geldhauses zur Wahl. Wynaendts begann seine berufliche Laufbahn bei der ABN Amro, wo er 13 Jahre im Geschäft mit vermögenden Privatkunden und im Investmentbanking in Amsterdam und London tätig war. Von 2008 bis 2020 war er Chef des niederländischen Versicherungskonzerns Aegon
Der Zeitpunkt für Achleitners Abtritt scheint günstig: Nach einer langen Durststrecke und einem Konzernumbau inklusive des Abbaus Tausender Stellen liefen die Geschäfte der Deutschen Bank zuletzt wieder besser. Im vergangenen Jahr erzielte der Konzern den höchsten Jahresgewinn seit 2011, das laufende Jahr begann mit einem Milliardengewinn im ersten Quartal.
Der Aktienkurs hat das Rekordtief von knapp 4,45 Euro ein gutes Stück hinter sich gelassen. Nach zwei Nullrunden winkt den Aktionären für das Geschäftsjahr 2021 wieder eine Dividende von 20 Cent je Anteilsschein. Die Hauptversammlung wird über eine Ausschüttung von rund 400 Millionen Euro entscheiden.
Immerhin scheint Achleitner der fast schon traditionelle Misstrauensantrag zum Auftakt der Hauptversammlung bei seiner Abschiedsvorstellung erspart zu bleiben. "Herr Dr. Achleitner scheidet ohnehin aus dem Aufsichtsrat aus, seine fehlende Zuverlässigkeit ist für die Zukunft nicht mehr relevant", schreibt der Aktionär Karl-Walter Freitag, der sich seit Jahren immer wieder mit Kritik zu Wort gemeldet hat, in seinem fast 50-seitigen Ergänzungsantrag zur diesjährigen Hauptversammlung.
Konzernchef Christian Sewing dagegen will der Aktionär das Vertrauen entziehen. Freitag wirft Sewing in seinem umfangreichen Ergänzungsantrag zur Tagesordnung unter anderem Pflichtverletzungen, Interessenkonflikte und fehlende Unvoreingenommenheit vor. Die Deutsche Bank
Achleitner hat sich bemerkenswert lange auf einem der wichtigsten Posten der deutschen Wirtschaft gehalten. Noch 2019 schien Achleitner ein Chefkontrolleur auf Bewährung, Aktionäre forderten die "Abwahl des Systems Achleitner". Immer klarer wurde seit seinem Amtsantritt Mitte 2012: Das Haus war mitnichten "besenrein", wie Josef Ackermann es zu seinem Abschied nach einer Dekade als Deutsche-Bank-Chef im Frühjahr 2012 versprochen hatte.
In der vorab veröffentlichten Rede von Achleitner zur diesjährigen Hauptversammlung äußert sich der scheidende Chefkontrolleur selbstkritisch: "Auch ich habe die Startvoraussetzungen 2012 anders eingeschätzt, als sie sich heute in der Rückschau darstellen", heißt es in dem Redetext. "Die vermeintliche Stärke, mit der die Deutsche Bank aus der Finanzmarktkrise herausgekommen war, erwies sich letztlich eher als Hindernis. Das überhöhte Selbstbild stand dem so dringend erforderlichen Wandel im Weg."
Während die US-Konkurrenz direkt nach der Finanzkrise Bilanzen und Geschäfte entrümpelte, wurschtelte sich die Deutsche Bank durch. Und Achleitner musste sich die Frage gefallen lassen, ob das Geldhaus nicht längst besser dastünde, wenn der Aufsichtsrat nicht zu lange an den falschen Managern festgehalten hätte. Sewing ist der vierte Konzernchef in Achleitners Amtszeit.
Lange sah es so aus, als habe den einst als Deal-Maker gefeierten Achleitner bei der Mammutaufgabe, die Deutsche Bank neu auszurichten, das Glück verlassen. Sewings bisherige Bilanz beschert Achleitner einen versöhnlichen Abschied: Deutschlands größtes Geldhaus schüttet erstmals seit dem Geschäftsjahr 2018 wieder Gewinn aus. Achleitners Fazit laut Redetext: Es sei gelungen, die Deutsche Bank "in diesen zehn Jahren wieder aufs richtige Gleis" zu setzen. "Die Deutsche Bank ist wieder in der richtigen Spur. Das ist, was für mich zählt."/ben/DP/zb
Quelle: dpa-Afx