STUTTGART (dpa-AFX) - Der Autobauer Mercedes-Benz hat seit geraumer Zeit einen guten Lauf. Vor allem steigende Preise für Neu- und Gebrauchtfahrzeuge sowie die Tendenz zu Luxusautos geben den Stuttgartern Rückenwind. Wie stark der Krieg in der Ukraine die Geschäfte belastet, dürfte an diesem Mittwoch (27.4.) im Zentrum stehen, wenn Finanzchef Harald Wilhelm die Ergebnisse des ersten Quartals vorstellt.
DAS IST LOS BEI MERCEDES:
Wie auch schon im zweiten Halbjahr 2021 hat Mercedes im ersten Quartal die Knappheit bei Elektronikchips im Verkauf zu spüren bekommen. Bei den Pkw lieferte das Unternehmen 501 600 Autos aus, rund 15 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die weltweite Nachfrage bezeichnete der Konzern allerdings als stark. Bei den besonders lukrativen Top-Modellen (unter anderem S-Klasse, G-Klasse, GLS, AMG und Maybach) verkaufte Mercedes-Benz sogar etwas mehr als vor einem Jahr. Das Unternehmen bestückt die teureren Modelle vorrangig mit knappen Chips. Auch bei den Elektroversionen geht es weiter deutlich bergauf.
Allerdings hätte es insgesamt wohl auch noch deutlich mehr sein können. Zu den Problemen mit der Halbleiterversorgung kamen auch Schwierigkeiten mit Teilen aus der Ukraine. Ob Mercedes den Trend bestätigen kann, den Absatzknick dank steigender Preise wettzumachen, wird Anleger sehr interessieren. Und auch, wie es mit den deutlich steigenden Energie- und Rohstoffkosten bei den Gewinnen weitergeht.
Zur Vorlage der Jahreszahlen im Februar machte Finanzchef Wilhelm schonmal klar, dass die Nettopreiseffekte die anziehenden Rohstoffpreise in diesem Jahr nicht vollständig kompensieren dürften. Auch die Lage bei den Halbleitern ist weiter kaum abzuschätzen, soll sich aber nach und nach im Jahresverlauf stabilisieren.
Die abgespaltene ehemalige Tochter Daimler Truck, an der Mercedes noch insgesamt 35 Prozent hält, veranschlagte für den Rückzug aus Russland bereits einen Einmalaufwand von rund 200 Millionen Euro wegen Abschreibungen und voraussichtlich ausbleibenden Forderungen. Auch Mercedes hielt nach der Aufspaltung im Dezember noch Anteile an dem Konstrukt des russischen Gemeinschaftsunternehmens.
Bislang gehen die Stuttgarter in diesem Jahr von einem Umsatz leicht über dem Vorjahr aus, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern aus fortgeführten Geschäften dürfte auf Vorjahresniveau liegen. Die operative Umsatzrendite im Pkw-Bereich soll 11,5 bis 13 Prozent erreichen. Inklusive der Vans, die in diesem Jahr wegen hoher Investitionen in Elektromodelle 8 bis 10 Prozent operative Marge anpeilen, lag der Konzern im vergangenen Jahr bei starken 12,7 Prozent. Konkurrent Volkswagen hat bereits starke Eckdaten für das erste Quartal vorgelegt, profitierte dabei aber auch von Rohstoffsicherungsgeschäften.
Mercedes-Chef Ola Källenius spielen vor allem die steigenden Preise und sein nach Amtsübernahme 2019 eingeleitetes scharfes Sparprogramm in die Karten. Von 2019 bis 2025 sollten die Fixkosten um ein Fünftel runter - im vergangenen Jahr lag das Unternehmen schon 16 Prozent unter der Vergleichszahl. Gleichzeitig stieg der durchschnittliche Umsatz pro Fahrzeug zwischen 2019 und 2021 um 26 Prozent auf 49 800 Euro. Damit will der Schwede weitermachen und hat Mercedes einen verschärften Fokus auf Luxus verordnet - auch wenn er damit bei den Verkaufszahlen absehbar hinter Erzrivale BMW zurückbleiben dürfte.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Mit dem Schwerpunkt auf margenstarke Autos und dank des starken Preisumfeldes sollte Mercedes Umsatz und Profitabilität auf einem hohen Niveau gehalten haben können, schrieben jüngst die Experten von Warburg Research. Auch die Finanz- und Mobilitätsdienstesparte dürfte ein solides Ergebnis erzielt haben.
Preise und Absatzmix dürften weiter die wesentlichen Treiber der Entwicklung im ersten Quartal gewesen sein, auch wenn zuletzt Probleme in der Lieferkette das Nachrichtengeschehen dominiert hätten, schrieb auch Richard Carlson von der Credit Suisse. Die ersten drei Monate seien wohl noch stärker ausgefallen als von ihm zuvor geschätzt - aber das Startquartal ist damit nach seiner Meinung auch der Höhepunkt im Jahr. Seine Schätzungen für das zweite Halbjahr reduzierte der Experte.
12 der 14 von dpa-AFX erfassten Analysten seit der Vorlage der Jahreszahlen am 24. Februar raten zum Kauf der Papiere, 2 sind neutral. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 89 Euro, rund 40 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Mercedes (ehemals Daimler) hat vor der Abspaltung des Truckgeschäfts und mit der Erholung vom Corona-Einbruch im Frühjahr 2020 den Anlegern eine gute Entwicklung beschert. Mit der Aussicht auf die bei Großinvestoren beliebte Trennung der Pkw- und Lkw-Geschäfte zog der Kurs deutlich an.
Im Tief des Corona-Crashs fiel das Mercedes-Papier im Frühjahr 2020 (um die Abspaltung von Daimler Truck bereinigt) unter 18 Euro. Mitte Februar 2022, also rund eine Woche vor dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, markierte die Aktie dann ein Hoch bei 77,90 Euro - in rund zwei Jahren hat sich der Wert vom einen zum nächsten Extrem mehr als vervierfacht.
Mit dem Kriegsausbruch in Osteuropa fiel der Kurs dann wieder unter 55 Euro, hat sich bis dato aber wieder auf knapp 64 Euro berappelt. Damit ist Mercedes an der Börse aktuell rund 68 Milliarden Euro wert. BMW kommt in dieser Rechnung nur auf rund 51 Milliarden Euro.
Größte Anteilseigner bei Mercedes sind Chinesen: Der staatliche chinesische Joint-Venture-Partner BAIC ist mit einem Anteil von knapp 10 Prozent der größte Einzelaktionär. Der Gründer und Eigentümer des Autokonzerns Geely, Li Shufu, hält über ein Investmentvehikel 9,7 Prozent. Der Staatsfonds von Kuwait kommt auf 6,8 Prozent./men/nas/mis
Quelle: dpa-Afx