LOS GATOS (dpa-AFX) - Der Streaming-Riese Netflix kann in der Corona-Krise auch unter verschärften Konkurrenzbedingungen weiter kräftig zulegen. So gut sogar, dass der Konzern seine wachstumsverwöhnten Anleger zuletzt mit seinen starken Nutzerzahlen sogar noch überraschte. Doch wie lange noch - und was kostet Netflix der Kampf um die begehrten Kunden? Was beim Unternehmen los ist, wie die Experten die Aktie sehen und wie das Papier zuletzt lief.

DAS PASSIERT BEI NETFLIX:

Beobachter hatten den großen "Streaming War" ausgerufen, den entscheidenden Kampf um die zahlende Kundschaft für abrufbare Filme und TV-Serien. Schließlich wurden die Rivalen zuletzt immer mehr, vor allem auf dem Heimatmarkt der US-Amerikaner. Unter anderem schwang sich der Unterhaltungsriese Walt Disney mit seinem Videodienst Disney+ auf und holte gleich viele Millionen Kunden an Bord.

Die AT&T-Tochter Warner Media brachte sich mit HBO Max in Stellung, allerdings bislang mit weniger sichtbarem Erfolg. Doch in der Pandemie ändern sich die Bedingungen ständig und der Telekom- und Medienkonzern will das eigene Angebot pushen: HBO Max bekommt im Jahr 2021 einen Großteil der Warner-Kinofilme wenn auch befristet, doch aber zeitgleich mit den Lichtspielhäusern - zumindest in den USA.

Ob Streaming-Platzhirsch Netflix das spüren wird, bleibt abzuwarten. Bisher kommen die Kalifornier gut klar, trotz Konkurrenz auch durch Apple TV+ und Amazons Prime Video : Über 200 Millionen Kunden zählte Netflix zum Ende 2020, deutlich mehr als selbst anvisiert und auch deutlich mehr als von Analysten erwartet. Genau genommen gewann der Dienst im letzten Quartal 2020 rund 8,5 Millionen Kunden dazu - nun sind es derer knapp 204 Millionen. Auch der Umsatz wuchs kräftig um über ein Fünftel auf 6,6 Milliarden Dollar (5,4 Mrd Euro).

Während viele Firmen stark unter der Corona-Krise leiden, profitiert Netflix davon, dass viele Menschen wegen des Virus viel Zeit zu Hause verbringen. Aber die hohe Konkurrenz um die Vormacht im Wohnzimmer kostet auch Geld: So sank der Gewinn trotz anschwellender Kundenzahlen im vierten Quartal leicht auf 542 Millionen Dollar. Netflix muss hohe Investitionen schultern, um weiter in steter Folge Serien und Filme auch aus Eigenproduktion auf die Geräte zu bringen. Und der Anteil von Eigenproduktionen steigt, auch weil die Filmstudios und Serienproduzenten mehr und mehr eigene Streamingangebote ins Feld führen.

Doch von großem Wehklagen kann bei Netflix derzeit noch keine Rede sein: Im Gesamtjahr 37 Millionen neue Abos, Umsatzplus von knapp einem Viertel auf 25 Milliarden Dollar, und der Betriebsgewinn um drei Viertel auf 4,6 Milliarden Dollar gestiegen. Erstmals seit 2011 zieht das Unternehmen wieder Aktienrückkäufe in Betracht.

Fürs neue Jahr stapelt der einst als DVD-Verleiher gestartete Anbieter aber tief. Im ersten Quartal könnten der Prognose zufolge 6 Millionen Abos dazukommen. Analysten hatten sich noch mehr ausgerechnet, denn Disney+ macht schließlich Tempo: Seit dem Start im November 2019 hat der Hollywood-Gigant bis Anfang Dezember bereits 86,8 Millionen Nutzer gewonnen, ist aber bislang in viel weniger Ländern verfügbar als Netflix. Allerdings half Disney auch mit starken Rabatten und Sonderangeboten nach. Denn: Bis Ende des Geschäftsjahres 2024 will Disney 230 bis 260 Millionen zahlende Kunden aufweisen können.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Während Disney die Dividende aussetze, denke Netflix nun über Aktienrückkäufe nach, zog Bernstein-Analyst Todd Juenger Bilanz nach den Netflix-Zahlen. Das Unternehmen erziele mit seinen Abonnenten rund das Doppelte an durchschnittlichem Erlös pro Nutzer. Zudem dürfte Disney+ eine engere Zielgruppe ansprechen. Netflix sei beim Bargeldzufluss bereits auf der positiven Seite, Disney dürfte die kommenden vier oder fünf Jahre Geld verlieren, bevor es hoffentlich dann ans Geldverdienen gehe. Der Experte schraubte sein Kursziel von 591 Dollar auf 671 Dollar hoch.

Doug Anmuth von JPMorgan geht davon aus, dass Netflix 2021 zwischen 17 und 18 Milliarden Dollar für Inhalte ausgeben wird nach rund 12,5 Milliarden im Vorjahr. Besonders wichtig für den Experten: Beim Zufluss finanzieller Mittel sehe sich das Unternehmen nun nachhaltig im positiven Bereich und müsse sich damit für das Tagesgeschäft kein Geld mehr von außen besorgen. Im zweiten Halbjahr dürfte das Unternehmen mit Aktienrückkäufen beginnen.

Die beim Finanzdienst Bloomberg erfassten Analysten haben insgesamt auch eine eher positive Meinung. 31 von 44 Expertinnen und Experten raten zum Kauf, 8 zum Halten und 5 zum Verkauf der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 610 Dollar und damit gut 50 Dollar über dem aktuellen Kursniveau.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Erfolg des Streamingangebots spiegelt sich auch in der Kursentwicklung wider. Zwar konnte sich die Netflix-Aktie vergangenes Frühjahr anfangs dem Corona-Schock der Börsen nicht entziehen und fiel im März bis auf rund 290 US-Dollar. Da aber witterten Investoren schnell eine Chance.

Vom März-Tief bis Ende Juli schoss der Aktienkurs denn auch bereits auf ein Hoch von rund 575 Dollar nach oben - fast doppelt so viel wie im Corona-Tief. Danach ging es erst einmal auf und ab, bevor mit den Zahlen zum vierten Quartal ein möglicher Befreiungsschlag erfolgte - Lohn war ein neues Rekordhoch bei über 593 Dollar. Zuletzt fiel der Kurs dann aber wieder ein wenig zurück auf aktuell rund 557 Dollar.

Zwar feierten Anleger das 1997 gegründete Unternehmen viele Jahre und sorgten allein von Ende 2012 bis Mitte 2018 für ein Kursplus von mehr als 3000 Prozent. Dann aber drückte die Sorge vor einer erstarkenden Konkurrenz immer wieder auf die Stimmung. Was folgte war eine Berg- und Talfahrt. Erst die Corona-Krise verhalf den Papieren zu neuen Höhen.

An der Börse bringt es Netflix mittlerweile auf einen Wert von 246 Milliarden Dollar. Disney hat mit einer Marktkapitalisierung von 312 Milliarden Dollar aber immer noch einen ordentlichen Vorsprung. Zum Vergleich: Die beiden deutschen Medienkonzerne RTL und ProSiebenSat.1 bringen es gemeinsam auf einen Börsenwert von umgerechnet gerade einmal rund 11,3 Milliarden Dollar./men/ngu/mis

Quelle: dpa-Afx