(neu: Schulze, Altmaier, AG Energiebilanzen)
BERLIN (dpa-AFX) - Der Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne soll Fahrt aufnehmen. Dazu beschloss der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Am Freitag soll noch der Bundesrat abstimmen. Breite Kritik an der Novelle kam von der Opposition sowie von Umwelt- und Branchenverbänden. Die Reform reiche nicht aus, um selbst gesteckte Ziele zu erreichen.
Die Gesetzesänderungen sollen zu Jahresbeginn in Kraft treten. Das ist auch deswegen notwendig, weil dann alte Ökostromanlagen nach 20 Jahren aus der Förderung fallen. Vorgesehen sind nun Anschlussregelungen, damit Anlagen nicht stillgelegt werden.
Die schwarz-rote Koalition hatte erst vor kurzem eine Einigung bei noch offenen Punkten erzielt. Ob der für 2030 angepeilte Ökostrom-Anteil von 65 Prozent angesichts schärferer EU-Klimaziele noch höher liegen soll als bisher geplant, soll aber erst Anfang 2021 Thema werden. Vor allem die SPD will höhere Ausbauziele.
Die Reform löse "einige der akuten Probleme" beim Ökostrom-Ausbau, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Ich erwarte, dass wir gleich zu Beginn des nächsten Jahres den nächsten großen Schritt gehen und die Ausbauziele für 2030 und damit auch das Ausbautempo deutlich erhöhen." Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte die EEG-Novelle ein "klares Zukunftssignal" für mehr Klimaschutz. Er machte deutlich, die Koalition werde auf der Grundlage von verschärften EU-Klimazielen ein Ambitionsniveau festlegen: "Für mich steht klar, dass wir sowohl mehr erneuerbare Energien brauchen als auch bei den erneuerbaren Energien mehr Marktwirtschaft brauchen."
In diesem Jahr deckten erneuerbare Energien nach vorläufigen Berechnungen von Energieverbänden rund 46 Prozent Anteil am Stromverbrauch in Deutschland. Die Corona-Krise ließ allerdings den Energiebedarf insgesamt sinken, die Energiebedingten Treibhausgas-Emissionen fielen der Expertengruppe Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen zufolge um 12 Prozent oder etwa 80 Millionen Tonnen.
In der EEG-Novelle wird das Ziel verankert, dass der gesamte Strom in Deutschland vor dem Jahr 2050 treibhausgasneutral ist. Das Gesetz regelt, in welchem Umfang die einzelnen Technologien zum 65-Prozent-Ziel beitragen sollen und wie dies erreicht werden soll. Vor allem der derzeit schleppende Ausbau der Windenergie an Land soll in den kommenden Jahren deutlich gesteigert werden.
Um die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen, sollen Standortkommunen von Windparks finanziell profitieren. Bund und Länder sollen sich eng abstimmen, um Verfahrensdauern für die Genehmigung neuer Anlagen zu verkürzen. Auch der Ausbau von Solarstromanlagen soll vorangebracht werden. Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms wird mit Milliardenmitteln aus dem Bundeshaushalt leicht gesenkt.
Der CDU-Energiepolitiker Joachim Pfeiffer sagte, mit der Novelle würden Kommunen gestärkt und das EEG entbürokratisiert. Ziel sei mehr Markt. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte mit Blick auf höhere Ausbauziele, die SPD sei bereit, weitere große Fragen zu klären. Die Ausbaupfade müssten erhöht werden.
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf der Koalition mit Blick auf die Reform eine "Bankrotterklärung" vor. Die Novelle werde ihrem Anspruch nicht im Ansatz gerecht. Der FDP-Energiepolitiker Martin Neumann kritisierte, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen solle, werde nur unzureichend geklärt.
Grund für den schleppenden Ausbau der Windkraft an Land sind lange Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen für Windräder, Protest und Klagen von Bürgerinitiativen und Naturschützern.
Der Bundesverband Windenergie erklärte, ein Jahr vor dem Atomausstieg und angesichts erster Abschaltungen bei der Kohleverstromung brauche es einen deutlichen Zubauschub für erneuerbare Technologien. Die Koalition habe es nicht geschafft, das Jahresende mit einem klaren Schritt der Zuversicht zu beenden.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie kritisierte, es sei mit der EEG-Novelle eine Chance vertan worden, das wichtigste Klimaschutzinstrument zu stärken, Innovation voranzutreiben und die Energiewende zu beschleunigen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz forderte eine deutliche Anhebung des Ökostrom-Ausbaus auf mindestens 75 Prozent bis 2030. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erklärte, mit der Novelle werde lediglich auf Sicht gefahren, aber keine langfristige Planungssicherheit für Betriebe geschaffen./ted/DP/stw
Quelle: dpa-Afx