(Neu: Aussagen aus der HV zu Russland und Wintershall Dea)
LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - BASF
"Wir sehen das wie die Bundesregierung", sagte Brudermüller. "Sie hat sich gegen ein Erdgas-Embargo ausgesprochen. Wir halten diese Linie für die richtige." Russland decke rund 50 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs. "Damit bilden die russischen Gaslieferungen die Basis für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie", betonte der BASF-Chef. Dies seien Realitäten. Priorität von Politik und Wirtschaft müsse sein, sich aus dieser Abhängigkeit so schnell wie möglich zu befreien. Dies alles gehe jedoch nicht auf Knopfdruck.
BASF beziehe kein Gas und kein Öl direkt aus Russland, sondern von westeuropäischen Lieferanten. "In deren Portfolio ist aber auch Erdgas aus Russland. Und damit auch in einem ähnlichen Verhältnis bei BASF am Standort in Ludwigshafen. Um es klar zu sagen: Eine kurzfristige Lösung, Erdgas aus Russland zu ersetzen, gibt es nicht."
Bis spätestens Anfang Juli will BASF den Großteil seiner Geschäfte in Russland und Belarus wegen des Krieges einstellen. "Eine Ausnahme machen wir: Wir führen unser Geschäft für die Produktion von Nahrungsmitteln fort." Die Ukraine und Russland seien die "Kornkammern der Welt". "Sie sind wichtige Getreideexporteure. Durch den Krieg könnte eine Hungersnot drohen, die vor allem Afrika treffen würde. Wir wollen einen Beitrag leisten, um das zu verhindern."
Die BASF-Geschäfte laufen nach Angaben des weltgrößten Chemiekonzerns zum Jahresbeginn weiter rund. Die positive Geschäftsentwicklung im ersten Quartal 2022 habe sich auch im April fortgesetzt, sagte Brudermüller in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Der Auftragsbestand sehe solide aus. Ausnahmen bildeten jedoch die Automobilbranche und China.
Das Dax-Unternehmen bestätigte zwar am Freitag die Ziele für dieses Jahr. Allerdings bleibe das Marktumfeld von außergewöhnlich hoher Unsicherheit geprägt, hieß es. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf Preise und die Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen seien nicht vorhersehbar.
Für 2022 rechnet das Unternehmen mit einem Rückgang beim Umsatz auf 74 Milliarden bis 77 Milliarden Euro und beim operativen Ergebnis auf 6,6 Milliarden bis 7,2 Milliarden Euro. 2021 kletterte der Umsatz um ein Drittel auf 78,6 Milliarden Euro. Dazu trugen höhere Verkaufspreise und Mengen bei. Den um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) konnte BASF auf 7,8 Milliarden Euro mehr als verdoppeln.
Im ersten Quartal des laufenden Jahres habe BASF teilweise höhere Margen realisieren können, teilte das Unternehmen weiter mit. Dies habe in dem Zeitraum zu einer deutlichen Ergebnisverbesserung vor allem in den Segmenten Basischemikalien (Chemicals), Industrial Solutions und Kunststoffe (Materials) im Jahresvergleich geführt. Zu Industrial Solutions gehören unter anderem Dispersionen und Pigmente.
Belastet hätten hingegen deutlich gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sowie Transportkosten als Folge des Krieges in der Ukraine und der pandemiebedingten Lockdowns in China. BASF habe die höheren Kosten über Preiserhöhungen kompensieren können. Allerdings sei es zu Unterbrechungen und Störungen in den Lieferketten gekommen. Dies habe zu einer eingeschränkten Nachfrage vor allem aus der Automobilindustrie geführt.
Die Aktie verlor am Freitag gegen Mittag knapp ein halbes Prozent. Analysten lobten die neuesten Aussagen zur Geschäftsentwicklung. Alle Geschäftsfelder des Konzerns hätten die Markterwartungen übertroffen, besonders aber die Sparten Materials und Chemicals, schrieb Analyst Chris Counihan von Jefferies. Die Dynamik des ersten Quartals habe sich im April fortgesetzt.
Das Unternehmen hatte bereits Mitte April Eckdaten für das erste Quartal vorgelegt. Im ersten Quartal kletterte der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen (Ebit) im Jahresvergleich wie bereits bekannt um rund ein Fünftel auf etwa 2,8 Milliarden Euro. Der Umsatz wuchs um fast ein Fünftel auf rund 23 Milliarden Euro.
Der Nettogewinn sank von 1,7 Milliarden Euro im Vorjahresquartal auf 1,2 Milliarden Euro. Dies sei zurückzuführen auf Wertberichtigungen der Wintershall Dea, an der BASF gut 70 Prozent hält, hieß es. Wintershall Dea war mit rund einer Milliarde Euro an der Finanzierung der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 beteiligt. Das Unternehmen hat die Investition bereits abgeschrieben.
BASF wolle Wintershall Dea weiterhin an die Börse bringen, betonte Brudermüller. Das Unternehmen sei zwar nicht von Sanktionen im Zuge des Krieges betroffen, besitze in Russland aber Beteiligungen an Produktionsanlagen. "Damit wird ein Börsengang derzeit schwierig."
Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren hatte am Donnerstag gesagt, sein Unternehmen sei technisch bereit für die Börse. "Aber wir leben gegenwärtig in sehr unsicheren Zeiten." Rund 30 Prozent des Unternehmens sind in der Hand der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. Deren Anteilseigner Michail Fridman und Petr Aven stehen auf einer EU-Sanktionsliste. Die beiden gaben ihre Posten im Verwaltungsrat von LetterOne auf, ihr Vermögen im Unternehmen wurde eingefroren./wo/mne/mis
Quelle: dpa-Afx