(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer
Basierend auf den Wechselkursen zum 31. März rechnet das Unternehmen laut einer Mitteilung vom Dienstag für 2024 nun mit einem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 10,2 bis 10,8 Milliarden Euro. Bisher lagen das obere und das untere Ende der Spanne jeweils 200 Millionen Euro höher. Auf Basis konstanter Wechselkurs stehen weiterhin 10,7 bis 11,3 Milliarden Euro operatives Ergebnis im Plan.
Im ersten Quartal sank der Umsatz um 4,3 Prozent auf knapp 13,8 Milliarden Euro, ohne Wechselkurseffekte ergibt sich ein Minus von gut einem halben Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis fiel um 1,3 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Der Gewinn unter dem Strich sank um rund 8 Prozent auf 2,0 Milliarden Euro.
Wie Analyst Jo Walton von der Schweizer Großbank UBS in einer ersten Einschätzung schrieb, blieb die kleinste Konzernsparte Consumer Health rund um das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten hinter den Erwartungen zurück. Der Bereich bekam laut Bayer eine eher milde Erkältungswelle zu spüren. Das Pharma- und das Agrargeschäft schlugen sich laut Wolton indes mit Blick auf die operativen Gewinnmargen besser als gedacht.
Gleichwohl lag der Umsatz der Agrarsparte Crop Science unter dem des Vorjahresquartals. Gründe sind geringere Verkaufsmengen von Pilzbekämpfungsmitteln sowie Preisdruck bei glyphosathaltigen Unkrautvernichtern, der durch eine Erholung der Verkaufsmenge nicht ausgeglichen werden konnte. Das drückte auch auf den Gewinn.
In der Pharmasparte hielten sich die beiden größten Umsatzbringer - der Blutgerinnungshemmer Xarelto und das Augenmedikament Eylea - in etwa stabil. Einmal mehr stark wuchsen die Umsätze mit noch recht neuen Medikamenten wie dem Krebsmittel Nubeqa und dem Nierenmedikament Kerendia für Diabetiker. Die sollen perspektivisch auch helfen, wegen Patentabläufen nach und nach wohl fallende Xarelto- und Eylea-Erlöse zumindest ein wenig aufzufangen. Gewinnseitig kamen der Pharmasparte gesunkene Ausgaben für Vermarktungs- und Forschungs-Aktivitäten zugute. Das operative Ergebnis stieg denn auch.
Der seit knapp einem Jahr amtierende Bayer-Chef Bill Anderson treibt derweil den Verwaltungs- und Vertriebsumbau voran. Weniger Hierarchien im Management sollen viel Geld sparen - ab 2026 jährlich zwei Milliarden Euro. Die Einmalkosten für das Programm dürften in etwa so hoch ausfallen wie die angestrebten Einsparungen, erklärte Finanzchef Wolfgang Nickl in einer Telefonkonferenz. Wann genau die Kosten anfielen, hänge vom Tempo der Umsetzung ab und lasse sich noch nicht ganz genau sagen.
Bis zum Ende des ersten Quartals fielen laut einer Unternehmenspräsentation im Zuge des Umbaus von Verwaltung und Vertrieb rund 1500 Vollzeitstellen weg. Ende März beschäftigte der Konzern auf Vollzeitstellen umgerechnet gut 98 000 Menschen.
Einer von einigen Investoren - auch angesichts der teuren Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA - erhofften Aufspaltung des Konzerns hatte Anderson im März indes erst einmal eine Absage erteilt. Eine Trennung von der Agrarsparte wäre angesichts der US-Rechtsstreitigkeiten rund um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat und um Gesundheitsfolgen der seit Jahrzehnten verbotenen Chemikalie PCB wohl auch kaum möglich gewesen.
Zuletzt hatte es für Bayer beim Thema PCB aber gute Nachrichten gegeben. Ein Berufungsgericht im Bundesstaat Washington hob ein Urteil aus dem Jahre 2021 auf, das drei Lehrern Schadenersatz von insgesamt 185 Millionen US-Dollar (173 Mio Euro) zugesprochen hatte. Die Entscheidung ist womöglich wegweisend, denn der Fall ist nur der erste von mehreren wegen angeblicher Gesundheitsschäden durch PCB-Exposition in der Schule "Sky Valley Education Center", in dem ein Berufungsgericht eine Entscheidung getroffen hatte.
Zudem setzt Bayer beim Thema Glyphosat nun stärker auf Lobbyarbeit in der US-Politik. Gleichzeitig erwägt das Unternehmen laut Insidern ein juristisches Manöver. So erwäge das Unternehmen eine Strategie mit dem Namen "Texas Two-Step", hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg im März berichtet. Bei diesem juristischen Trick gründen Unternehmen eine Tochter, auf die sie Rechtsrisiken übertragen. Diese würde dann als überschuldet in die Insolvenz geschickt. So kann der Druck auf Kläger erhöht werden, Vergleichsverhandlungen zuzustimmen. Allerdings hatten auch schon anderen Unternehmen auf diese Taktik gesetzt und waren damit gescheitert. Darauf angesprochen, erwiderte Bayer-Chef Anderson nur, dass alle Optionen geprüft würden, ohne konkret zu werden.
Die Bayer-Aktien gewannen am späten Dienstagvormittag gut ein Prozent auf 29,74 Euro. Mitte April waren sie noch unter die Marke von 26 Euro gerutscht. Die Aktien stehen wegen der teuren Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA schon seit Mitte 2018 stark unter Druck, der Ende 2023 dann nochmals zugenommen hatte. Damals war eine wichtige Medikamentenstudie gefloppt./mis/mne/jha/
Quelle: dpa-Afx