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KANSAS CITY/LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Pharma- und Agrarchemie-Konzern Bayer
Die Bayer-Aktie eröffnete als einziger Dax-Wert am Freitagmorgen im Plus, rutschte dann aber ab. Zuletzt notierte das Papier rund 1,2 Prozent tiefer bei 64,59 Euro. An der Börse hat die Causa Glyphosat jedoch inzwischen weitgehend ihren Schrecken verloren, denn das Agrargeschäft brummt und auch die Perspektiven für die Pharmasparte der Leverkusener hellten sich in den vergangenen Monaten auf. Im laufenden Jahr hat die Aktie gegen den allgemeinen Trend dadurch massiv aufgewertet und bereits fast 40 Prozent hinzugewonnen.
Bayer hatte 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto, von dem der umstrittene glyphosathaltige Unkrautvernichter Roundup stammt, hohe rechtliche Risiken übernommen. Der Konzern hat sich in den USA nun zwar bereits in drei Glyphosat-Prozessen in Folge durchgesetzt, zuvor jedoch auch drei Verfahren in Serie verloren. Die Leverkusener sind noch mit zahlreichen weiteren ähnlichen US-Klagen konfrontiert.
Das Urteil der Jury reflektiere die Beweislage, dass Roundup nicht die Ursache für die Krebserkrankung sei, erklärte ein Unternehmenssprecher. "Dieser Schluss entspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen 40 Jahre sowie der Bewertung von Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt, dass Roundup sicher verwendet werden kann und nicht krebserregend ist."
Wichtig für die weitere Entwicklung dieser rechtlichen Großbaustelle dürfte eine in Kürze erwartete Entscheidung des obersten US-Gerichts über die Annahme eines Falls sein, in dem Bayer 2019 einen Schuldspruch kassiert hatte. Die neun Richter des Supreme Court berieten laut Gerichtsunterlagen am gestrigen Donnerstag darüber. Für gewöhnlich wird das Ergebnis am folgenden Montag bekannt gegeben, eine Veröffentlichung bereits am Freitag ist aber nicht ausgeschlossen.
Im Fall des Klägers Edwin Hardeman wurde der Konzern vor rund drei Jahren zu einer Schadenersatzzahlung von gut 25 Millionen US-Dollar verurteilt. Auch Hardeman macht glyphosathaltige Unkrautvernichter von Monsanto für seine Krebserkrankung verantwortlich.
Bayer hofft, dass der Supreme Court das Urteil überprüft und kippt - was Signalwirkung für die vielen anderen Verfahren hätte. Zuletzt sah es aber nicht danach aus, die US-Regierung riet den Richtern von der Annahme des Falls ab. Das ist zwar nicht bindend für das oberste US-Gericht, macht einen Prozess aber unwahrscheinlich. Zu beachten ist allerdings, dass lediglich vier der neun Richter einer Annahme zustimmen müssen, es also keine Mehrheit braucht.
In dem Antrag an den Supreme Court argumentiert Bayer mit der sogenannten "Federal Preemption". Der Konzern vertritt also die Ansicht, Schadenersatzansprüche wegen angeblich mangelhafter Warnungen vor Krebsrisiken könnten nach einzelstaatlichem Recht nicht bestehen, wenn sie mit Bundesrecht kollidieren. Zudem ist der Konzern der Meinung, die Zulassung von Experten als Zeugen der Klägerseite habe beim Prozess nicht den bundesrechtlichen Standards entsprochen.
Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder letztlich gegen Bayer entscheidet, hatte der Konzern im vergangenen Sommer zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Mit diesem Geld will das Unternehmen dann ein Programm aufsetzen, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen potenzieller neuer Kläger in den USA umzugehen. Nach Darstellung von Bayer ist Roundup bei sachgemäßer Verwendung sicher.
Sollte es aber zu einer Verhandlung kommen und ein Urteil zugunsten des Dax-Konzerns ergehen, könnten die Rückstellungen womöglich teilweise aufgelöst werden. Die Pharma-Experten der Schweizer Großbank Credit Suisse kalkulieren, dass jede Milliarde Dollar Rückstellungen rund 1,4 Prozent Börsenwert der Bayer-Aktien entsprechen.
Im Fall einer Ablehnung eines Verfahrens würde sich angesichts der bereits erfolgten Rückstellungen für potenzielle Klagen wohl erst einmal nicht viel ändern. Das Risiko künftiger Klagen will Bayer mindern, indem in den USA der Unkrautvernichter Roundup ab 2023 in der Version für private Käufer kein Glyphosat mehr enthalten soll. So stammen die meisten aktuellen Klagen von Privatkonsumenten. Zudem war Bayer bei Vergleichen von Bestandsfällen zuletzt bereits restriktiv, ohnehin sind diese schon zum Großteil abgearbeitet. Dass der Konzern in dem Shelton-Prozess in Kansas City an diesem Donnerstag gewann, dürfte dieses Vorgehen noch bestärken./mis/hbr/tav/men/stk
Quelle: dpa-Afx