MAINZ (dpa-AFX) - Es ist ein Beispiel dafür, wie vieles miteinander zusammenhängen kann: Das schrumpfende Geschäft mit Covid-19-Impfstoff lässt Gewinn und Umsatz von Biontech
Im Jahr 2023 stand bei Biontech am Ende ein Nettogewinn von 930,3 Millionen Euro zu Buche. Das war deutlich weniger als die 9,4 Milliarden Euro im Jahr davor. Der Umsatz lag 2023 bei 3,8 Milliarden Euro nach 17,3 Milliarden im Vorjahr. Biontech verwies unter anderem auf Wertberichtigungen von Impfstoff-Vorräten durch den US-Partner Pfizer
Die an der US-Börse gehandelten Papiere des Konzerns sackten am Mittwoch nach Handelsstart um sechs Prozent auf 88,49 US-Dollar ab. Von den Rekordhöhen zur Pandemie-Hochzeit Mitte 2021 mit über 460 Dollar ist der Kurs mittlerweile weit entfernt.
Die nackten Zahlen zeigen, wie viel kleiner das Geschäft mit dem in der Pandemie weltbekannt gewordenen Vakzin mittlerweile ist. 2023 lieferten Biontech und Pfizer weltweit mehr als 400 Millionen Covid-19-Impfstoffdosen aus. Im Vergleich dazu waren 2022 noch rund 2 Milliarden Dosen in Rechnung gestellt worden, 2021 sogar 2,6 Milliarden.
Steuereinnahmen in Mainz und Idar-Oberstein rauschen in den Keller
Die Rückgänge bei Umsatz und Gewinn bei Biontech hinterlassen tiefe Spuren in den Haushalten von Städten mit einem Biontech-Standort. In Rheinland-Pfalz sind das die Landeshauptstadt Mainz mit der Unternehmenszentrale sowie Idar-Oberstein. Erst am Dienstag hatte das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz frische Zahlen zu den kommunalen Steuereinnahmen für 2023 veröffentlicht. Demnach nahmen die Gemeinden und Städte im Land rund 5,9 Milliarden Euro Steuern ein, etwa 13 Prozent weniger als 2022, als die Einnahmen allerdings auch stark gewachsen waren.
Der Rückgang lässt sich nach Angaben der Statistiker fast ausschließlich durch ein um 29 Prozent niedrigeres Gewerbesteuernettoaufkommen erklären. Wie in den Vorjahren hätten die Zahlen aus Mainz die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen insgesamt stark geprägt. Hier sackten die Einnahmen im Vergleich zu 2022 um knapp 1,04 Milliarden Euro beziehungsweise 83 Prozent auf rund 217 Millionen Euro ab. Ähnlich das Bild in Idar-Oberstein: Hier ging es mit dem Gewerbesteueraufkommen um 89 Millionen Euro oder 58 Prozent nach unten.
Biontech steigert Ausgaben für Forschung und Entwicklung
Biontech will seine onkologische Forschung forcieren und 2026 sein erstes Krebsmedikament auf den Markt bringen. Zuletzt seien zahlreiche klinische Fortschritte erzielt worden, sagte Unternehmenschef Ugur Sahin bei der Vorstellung der Geschäftszahlen. Es gebe eine Reihe an Wirkstoffkandidaten in der mittleren und späten klinischen Entwicklung. Bis 2030 streben die Mainzer Zulassungen in zehn Indikationen an.
Damit die Entwicklung weg vom Fokus auf Covid-19-Impfstoffe hin zu Krebsmedikamenten gelingt, schraubt Biontech seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung nach oben. 2023 gab das Unternehmen rund 1,8 Milliarden Euro dafür aus. Davon floss der Löwenanteil mit 1,47 Milliarden Euro in die Entwicklung onkologischer Präparate sowie von Medikamenten gegen Infektionskrankheiten. Lediglich 313 Millionen Euro wurden für Covid-19-Forschung ausgegeben. 2022 hatten die Forschungsausgaben insgesamt bei 1,5 Milliarden gelegen, 2024 sollen es nun zwischen 2,4 Milliarden bis 2,6 Milliarden Euro werden.
In der Onkologie laufen derzeit nach Biontech-Angaben 22 klinische Studien, davon seien sieben Programme fortgeschritten in den Phasen 2 und 3. Vergleichsweise weit sind die Mainzer nach eigenen Angaben bei Therapien für Patientinnen und Patienten mit einem bestimmtem Brustkrebs-Typ, Bauspeicheldrüsen- und Lungenkrebs. Bei den Infektionskrankheiten startete Biontech 2023 klinische Testungen für Impfstoffkandidaten gegen Malaria, Tuberkulose und Mpox. Letzteres wurde früher Affenpocken genannt.
Eli Lilly
"Wir gehen davon aus, dass unser Covid-19-Impfstoffgeschäft auch 2024 weiterhin eine wichtige Einnahmequelle bleiben wird", sagte Finanzvorstand Jens Holstein. "Wir sind davon überzeugt, dass unsere solide finanzielle Position es uns ermöglichen wird, unsere langfristige Strategie zur Entwicklung innovativer Therapien gegen Krebs, Infektionskrankheiten und andere schwere Erkrankungen voranzutreiben."
Eine Anfang dieses Jahres vorgestellte Studie zu Patentanmeldungen für Innovationen im Kampf gegen Krebs machte hierzulande Merck, Boehringer Ingelheim, BASF
Der US-Pharmakonzern will ab 2024 in Alzey für mehr als zwei Milliarden Euro eine neue Produktionsstätte für Medikamente, etwa gegen Diabetes, errichten. Zum offiziellen Spatenstich werden am 8. April unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) in Rheinhessen erwartet.
Studie zum Biotech-Standort Rheinland-Pfalz sieht auch Verbesserungsbedarf
Dass in der Biotechnologie Musik drin ist, zeigt auch die Tatsache, dass die EU-Kommission eine Strategie für die Branche entwickelt hat. In einem Statement von EU-Kommissarin Margrethe Vestager von Mittwoch hieß es unter anderem: "Im Gesundheitswesen könnte die Biotechnologie Behandlungen für Krankheiten ermöglichen, die wir für unheilbar hielten."
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie betonte in einer Mitteilung, Biotechnologie sei als Zugpferd der Gesundheitsversorgung zu begreifen. Sie sei ein echter Standortvorteil. Der Anteil biotechnologisch hergestellter biologischer Arzneimittel, also Biopharmazeutika, an innovativen Therapien steige kontinuierlich. Allein in Deutschland arbeiten dem Verband zufolge 776 Unternehmen mit rund 34 400 Mitarbeitenden in diesem Bereich.
Eine im vergangenen Juli und vom Land in Auftrag gegebene Studie kam zu dem Schluss, dass Rheinland-Pfalz gute Voraussetzungen dafür habe, um ein bedeutender Biotechnologie-Standort der Zukunft zu sein. Es müsse sich dafür aber ordentlich strecken. Verbesserungsbedarf sah die Ausarbeitung der Unternehmensberatung Roland Berger etwa bei der Unterstützung von Gründern oder der Verfügbarkeit von Infrastruktur./chs/DP/men
Quelle: dpa-Afx