(neu: 3. Absatz zu "Handelsblatt"-Artikel und dessen Einordnung)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Chemiekonzern Covestro
Die Hoffnungen auf eine Übernahme sind seit ersten Spekulationen darüber im Juni wesentlicher Treiber des Aktienkurses. In Medien war im Sommer die Rede davon, dass Adnoc informell 60 Euro je Aktie in Aussicht gestellt habe, womit Covestro mit 11,6 Milliarden Euro bewertet würde. Erst im September hatte Covestro dann mitgeteilt, mit Adnoc zu sprechen - der Aktienkurs war daraufhin bis auf rund 54 Euro gestiegen, nachdem die Papiere Mitte Juni noch weniger als 40 Euro gekostet hatten. Seit der Mitteilung vom September herrscht wieder weitgehend Funkstille nach außen, ein wenig Übernahmefantasie entwich denn auch aus dem Kurs.
Am Freitag notierten die Papiere über weite Strecken als einer der Favoriten im Dax deutlich im Plus. Am frühen Nachmittag drehten sie dann ins Minus, nachdem das "Handelsblatt" unter Berufung auf Insider berichtet hatte, dass die Gespräche zwischen den Konzernen weiterhin am Anfang stünden und nur langsam voran kämen. Im Wesentlichen ist das allerdings keine Überraschung.
Im Tagesgeschäft bekommt Covestro schon länger die Schwäche der Bauwirtschaft sowie die Zurückhaltung vieler Verbraucher beim Kauf von Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten und Möbeln zu spüren. Schwächeln diese Bereiche, lahmt auch die Nachfrage nach den Hart- und Weichschaumvorprodukten des Unternehmens, die zu Dämmmaterial, Polstern und ähnlichem verarbeitet werden. Und auch harte Kunststoffe, Polycarbonate, etwa für Laptop- und Smartphone-Gehäuse, sind dann weniger gefragt.
Für 2023 erwartet Covestro derweil ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um die 1,1 Milliarden Euro. Als freier operativer Mittelzufluss - also dem Geld, das im Tagesgeschäft letztlich hängen bleibt oder abfließt - sollen 0 bis 200 Millionen Euro herauskommen. Seit dem Sommer hatte Covestro nur noch die unteren Hälften der Zielspanne beim operativen Ergebnis von 1,1 bis 1,6 Milliarden Euro sowie der Bandbreite von 0 bis 500 Millionen Euro beim freien operativen Mittelzufluss avisiert.
Im dritten Quartal sackte der Umsatz des Kunststoffkonzerns um knapp 23 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro ab. Das lag vor allem an deutlich niedrigeren Verkaufspreisen und Wechselkurseffekten. Der Absatz gab nur noch leicht nach.
Der operative Gewinn fiel mit einem Minus von gut 8 Prozent auf 277 Millionen Euro auch dank Einsparungen und einer Entspannung bei den Rohstoffpreisen weniger deutlich aus. Unter dem Strich steht wegen steuerlicher Effekte allerdings ein Verlust von 31 Millionen Euro - nach einem Gewinn von 12 Millionen vor einem Jahr.
Der freie operative Mittelzufluss vervielfachte sich indes auf 308 Millionen Euro, womit sich für die ersten neun Monate plus 159 Millionen Euro Free Operating Cashflow ergeben. Covestro erreichte das durch eine geringere Mittelbindung im Betriebskapital - dem Working Capital - unter anderem dank der Steuerung der Vorratshaltung.
Mit Blick auf die Nachfrageentwicklung 2024 ist Covestro-Chef Steilemann erst einmal vorsichtig. "Wir setzen jetzt eher auf eine Belebung ab dem zweiten Halbjahr 2024", sagte er. Bis dahin dürfte die wirtschaftliche Gesamtsituation gedämpft bleiben. Es gebe zwar positive Signale seitens der Möbelindustrie in Asien sowie seitens der Elektroindustrie, allerdings auf weiterhin niedrigen Niveaus. Zudem dauere der negative Trend der Bauindustrie an, die auch nächstes Jahr keine Wachstumsimpulse liefern dürfte.
"Wo Schatten ist, ist aber auch Licht", so Steilemann. Trotz des fortgesetzten konjunkturellen Gegenwinds sieht er auch positive Impulse durch Selbsthilfemaßnahmen. So hat Covestro die Kosten bereits deutlich reduziert. Zudem verbessert der Konzern weiterhin Produktionsabläufe. "Wir werden mehr Volumen aus existierenden Anlagen nächstes Jahr herausholen können."
Bereits am Donnerstagabend hatte Covestro das vorzeitige Ende eines Aktienrückkaufprogramms bekannt gegeben. Grund sei die "momentane Gesamtlage" und die "begrenzt verbleibende Zeit bis zum Auslaufen des Programms". Das Programm sollte ein Volumen von bis zu 500 Millionen Euro erreichen und bis spätestens 28. Februar 2024 abgeschlossen werden. Umgesetzt wurde ein Rückkauf von insgesamt rund 200 Millionen Euro.
Ob es für 2023 eine Dividende geben wird, ließ Steilemann offen. Es sei noch zu früh, darüber zu sprechen. Eigentlich schüttet der Konzern 35 bis 55 des Nettoergebnisses aus, was für Verlustjahre eigentlich keine Ausschüttung bedeuten würde. Die Regelung sei aber kein Axiom, sagte der Manager./mis/men/jha/jha/
Quelle: dpa-Afx