(neu: Stellungnahme des Isar-2-Betreibers Preussen Elektra)
MÜNCHEN/BERLIN (dpa-AFX) - Wegen eines verschlissenen Druckventils im Kraftwerk Isar 2 spitzt sich die seit Monaten laufende Debatte um die Laufzeit der deutschen Atommeiler wieder zu. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) warf der bayerischen Staatsregierung vor, die Informationen über die "interne Leckage" nicht früher an den Bund weitergegeben zu haben. Insbesondere die Union und den bayerischen Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, Thorsten Glauber (Freie Wähler), nimmt die Grünen-Politikerin dabei ins Visier, wie sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur deutlich machte.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CDU-Chef Friedrich Merz hätten sich ja den Reaktor angeschaut und mit dem Betreiber gesprochen. "Ich frage mich schon, ob sie über die Leckage nicht informiert wurden, oder ob sie das Problem in ihrer Pressekonferenz am 4. August vor dem Reaktor einfach verschwiegen haben", sagte Lemke der dpa. "Es stellt sich auch die Frage, warum Minister Glauber, immerhin Chef der bayerischen Atomaufsicht, nicht auf das Problem hingewiesen hat. Das ist einfach unseriös", sagte sie weiter.
Am Montag hatte Lemkes Haus eine Mitteilung veröffentlicht, wonach der Betreiber des AKW Isar 2, die Eon-Tochter
Laut Lemke müsse der Betreiber jetzt "zeitnah" entscheiden, ob die Reparatur des Ventils durchgeführt werden solle. Laut Angaben von Preussen Elektra muss der Austausch noch im Oktober erfolgen. Ansonsten seien die Brennstäbe zu schwach, um den Meiler wieder hochzufahren. Insbesondere die Information sorgte dem Vernehmen nach bei Politikern und Verantwortlichen in Berlin und München für Verwunderung. Denn bisher hatte es geheißen, das Kraftwerk laufe bis zum Jahresende auf Volllast und könne somit auch im Bedarfsfall im Reservebetrieb bis Mitte April Strom liefern.
Anders als in den vergangenen Wochen wollte sich Söder am Dienstag zunächst nicht zur Atomdebatte und Isar 2 äußern. Für seinen Koalitionspartner in München erhöht die Reparaturfrage aber den Druck auf die Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) müsse "jetzt endlich hopp oder top" zur Laufzeitverlängerung sagen, sagte Bayerns Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
Der Betreiber, die Politik und die Wirtschaft müssten wissen, wie es sofort und ab Januar weitergehe, betonte Aiwanger. "Wer sich mit den technischen Fragen ernsthaft beschäftigt, muss diesen Hilferuf des Betreibers nach Entscheidung jetzt endlich erhören."
Auch der für die Atomaufsicht in Bayern zuständige Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) deutet die Reparaturentscheidung nicht als Frage der Sicherheit des 1988 erbauten Meilers in Essenbach bei Landshut, sondern nur als politische Weichenstellung: "Es braucht jetzt endlich eine Entscheidung des Bundes und keine weitere Taktiererei", sagte er in München. Es zeige sich, dass die Idee einer Kaltreserve der Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim keine gute Lösung sei. "Ein Kernkraftwerk ist kein Notstromaggregat. Jetzt zeigt sich, welche Hürden diese Idee in sich trägt."
Kritiker der Kernkraft forderten dagegen die sofortige Abschaltung von Isar 2. Die schockierenden Informationen über einen anscheinend bis vor kurzem entweder nicht entdeckten oder vertuschten Schaden eines kaputten Ventils im Reaktor bestätigten die Befürchtungen des Bundes Naturschutz, sagte der Bund-Vorsitzende Richard Mergner. "Das Atomkraftwerk ist nicht sicher und muss schleunigst abgeschaltet werden." Die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt betonte: "Der jetzt bekannt gewordene Ventil-Schaden im AKW Isar-2 ist nicht der erste in diesem Jahr: Schon im Januar trat ein Ventil-Leck in Isar-2 auf, Eon nahm den Reaktor damals vom Netz."
Der Isar-2-Betreiber Preussen Elektra erläutert auf Anfrage, dass das AKW für etwa eine Woche vom Netz genommen werden müsste, um "einen möglichen weiteren Betrieb" über das Jahresende hinaus sicherzustellen. Dabei würden neben einigen wiederkehrenden Prüfungen auch "nicht-sicherheitsrelevante Reparaturen" durchgeführt, zu denen der Betreiber auch die Reparatur an der inneren Ventil-Leckage zählt. Die Leckagen seien "normalbetrieblich vorhanden und gewollt", heißt es zur Einordnung des Problems. Es liege also "kein Schaden" im eigentlichen Sinne vor, versichert das Unternehmen. Preussen Elektra stehe mit den Bundesministerien in "vertrauensvollen und konstruktiven Gesprächen". Zur Frage, wer die Kosten für eine mögliche Reparatur übernehmen sollte und wie hoch diese Kosten sind, äußerte sich die Unternehmenssprecherin auf Anfrage zunächst nicht./had/DP/stw
Quelle: dpa-Afx