(neu: die drei letzten Absätze zum Rhein-Niedrigwasser)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Spezialchemiekonzern Evonik
Im zweiten Quartal bekamen die Essener auch die strikten Corona-Lockdows in China und Logistikprobleme zu spüren. Von den drei als Wachstumssparten definierten Geschäftsbereichen konnte nur Smart Materials den Absatz steigern, Specialty Additives sowie Nutrition & Care verkauften weniger Menge. Sie bedienen unter anderem die Tierfutter- und Lebensmittelindustrie und die Pharmabranche, stellen aber auch Desinfektionsmittel, Materialien für den 3D-Druck und Flammschutzmittel her.
Dank Preiserhöhungen im Zuge gestiegener Rohstoffkosten sowie wegen des schwachen Euro steigerten alle drei Sparten die Erlöse aber deutlich. Beim Blick auf das operative Ergebnis war das Bild mit deutlicheren Zuwächsen bei Smart Materials und Specialty Additives, aber nur einem Miniplus für Nutrition & Care durchwachsener.
Einen großen Umsatz- und Gewinnsprung verzeichnete die Sparte Performance Materials, in der die Bereiche rund um chemische Standardprodukte gebündelt sind, von denen sich Evonik perspektivisch trennen will. Gerade das Geschäft des sogenannten C4-Verbundes rund um petrochemische Zusätze für Kautschuk, Kunststoffe und Spezialchemikalien profitiert von Preisklauseln, die an den Ölpreis gekoppelt sind.
Insgesamt erzielte Evonik im zweiten Quartal im Jahresvergleich bei einem Umsatzwachstum um fast ein Drittel auf 4,77 Milliarden Euro ein bereinigtes operatives Ergebnis von 728 Millionen Euro, was zwölf Prozent mehr ist als vor einem Jahr. Unter dem Strich entfiel auf die Anteilseigner ein Gewinn von 297 Millionen Euro, nach 218 Millionen vor einem Jahr.
Damit steht nach dem ersten Halbjahr ein bereinigter operativer Gewinn von 1,46 Milliarden Euro in den Büchern, womit bis zum oberen Ende der Jahreszielspanne noch 1,14 Milliarden fehlen. Beim Umsatz peilt die Evonik-Führung 2022 nun vor allem wegen höherer Verkaufspreise 17 bis 18 Milliarden Euro an, nach 15,5 bis 16,5 Milliarden bisher.
"Mit Blick auf die angespannte Gasversorgung beruht unser Ausblick auf der aktuell gültigen Gesetzeslage und einer ausreichenden Gasversorgung, um unsere Produktion im benötigten Umfang aufrechterhalten zu können", betont das Unternehmen. Um sich für einen Gasmangel zu wappnen, soll an den deutschen Standorten Erdgas teilweise durch andere Stoffe ersetzt werden. Insgesamt könnten bis zu 40 Prozent des deutschen Evonik-Erdgasbezugs ohne nennenswerte Einschränkung der Chemieproduktion ersetzt werden, hieß es jüngst. Die bedeutendste Maßnahme wird am Standort in Marl realisiert. Im dortigen Gaskraftwerk will Evonik etwa Liquefied Petroleum Gas (LPG) anstatt Erdgas zur Energieerzeugung nutzen. Im Unterschied zu vor allem aus Methan bestehenden Erdgas besteht LPG vor allem aus Butangas.
Analysten sprachen insgesamt von durchwachsenen Resultaten. Zwar habe Evonik die Gewinnerwartungen im zweiten Quartal übertroffen, doch sei die Qualität auf den zweiten Blick dann doch schlechter, sagte Experte Markus Mayer von der Baader Bank. So sei die Entwicklung vor allem vom Performance-Materials-Geschäft getrieben gewesen. Hier sei aber fraglich, ob sich dies weiterhin derart positiv gestalten werde.
Experten verwiesen zudem auf den negativen freien Mittelfluss von 106 Millionen Euro. Hier bekam Evonik - wie viele andere Chemieunternehmen auch - die stark gestiegenen Rohstoffpreise und Lagerbestände zu spüren, die zu einem Anstieg des Betriebskapitals führten.
Mit Blick auf die sich weiter verschärfende Lage beim Niedrigwasser im Rhein beruhigte Finanzchefin Ute Wolf: Evonik sei vorbereitet. Der Konzern sei wegen der Lage am Niederrhein weniger betroffen und habe zudem vorgesorgt, etwa durch die Buchung von mehr Lastschiffen, da diese bei Niedrigwasser jeweils weniger Güter aufnehmen können. Ähnliches dürfte mit Blick auf die Lage am Rhein auch auf Covestro
Nach dem trockenen Sommer 2018, der den Schiffsverkehr auf dem Rhein ebenfalls schwer belastet und die Chemieunternehmen viele Millionen gekostet hatte, hatte die Branche insgesamt aber begonnen vorzusorgen. BASF etwa setzt auf Niedrigwasser-Schiffe. Flaggschiff soll dabei ein neuartiges Tankschiff mit hoher Tragfähigkeit werden, das die kritische Stelle im Rhein in Kaub selbst bei einem Pegelstand von 30 Zentimetern noch mit einer Ladung von 650 Tonnen passieren könne. Der Pegel gilt als Orientierung, unterscheidet sich allerdings vom Wasserstand in der Fahrrinne.
Aktuell liegt der Pegel bei kaum unter 50 Zentimeter und dürfte laut der Bundesanstalt für Gewässerkunde in den kommenden Tagen unter die Marke von 40 Zentimeter fallen. Ab einem gewissen Pegelstand müssen gewöhnliche Frachtschiffe ihre Ladung so weit reduzieren, dass sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, ab einem gewissen Punkt können sie die Stelle gar nicht mehr passieren./mis/jcf/ajx/he
Quelle: dpa-Afx