(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Analystenstimmen, Aktienkurs)

ESSEN (dpa-AFX) - Der Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp profitiert weiter von den gestiegenen Materialpreisen. Umsatz und operatives Ergebnis nahmen daher im dritten Quartal (per Ende Juni) deutlich zu und fielen besser aus als von Analysten erwartet worden war. Die Zukunft der derzeit gut verdienenden Stahlsparte ist aktuell weiter offen. Thyssenkrupp will das Geschäft gerne abspalten, derzeit ist die Umsetzung aber wegen des instabilen Umfeldes unsicher.

Finanzchef Klaus Keysberg hält die Verselbständigung des Stahls weiter für die beste Option. "Wir arbeiten weiter dran", sagte er in einer Telefonkonferenz am Donnerstag zu den Quartalszahlen. Die genaue Form steht jedoch nicht fest. Dazu könne man derzeit keine konkreten Aussagen machen. Die Chefin der Großaktionärin, der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, würde dabei einen Einstieg des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Stahlsparte begrüßen. In einem Interview hatte sie einen solchen Schritt als "denkbare Option" bezeichnet und dies auch damit begründet, dass das Geschäft Kapital brauche, um die Investitionen in den grünen Stahl stemmen zu können. Keysberg hielt sich dabei zurück. Derzeit gebe es mit der Landesregierung keine Gespräche über einen Einstieg, sagte er.

Ebenfalls noch offen ist ein möglicher Börsengang für das Wasserstoffgeschäft Nucera. Eine Aktiennotierung bleibt die bevorzugte Option - allerdings hängt der Zeitpunkt Keysberg zufolge auch hier vom Marktumfeld ab. Das Potenzial für die Wasserelektrolyse sei weiter beträchtlich, sagte er und verwies auch auf den inzwischen auf rund 1,4 Milliarden Euro gewachsenen Auftragsbestand.

Im dritten Quartal (per Ende Juni) stieg der Konzernumsatz um gut ein Viertel auf knapp elf Milliarden Euro, wie das Unternehmen in Essen mitteilte. Die Auftragseingänge konnten um 13 Prozent auf knapp zehn Milliarden Euro zulegen. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) konnte Thyssenkrupp mit 721 Millionen Euro fast verdreifachen.

Treiber waren höhere Umsätze und bessere Margen im Handels- und im Stahlgeschäft. Dazu kamen Effizienzsteigerungen durch das laufende Restrukturierungsprogramm. Von den angekündigten 12 000 Stellen bis 2023/24 habe Thyssenkrupp per Ende Juni bereits 9500 Arbeitsplätze abgebaut, hieß es.

Gegenläufige Faktoren waren die anhaltenden Lieferkettenprobleme und höhere Rohstoff- und Materialkosten. Diese belasteten insbesondere das Automobilzuliefergeschäft sowie die Sparte für Industriekomponenten spürbar, wie der Konzern erläuterte. Lieferengpässe sorgen auch für verzögerte Abrufe aus der Automobilbranche im Stahlgeschäft.

"Auch im dritten Quartal haben wir unsere verbesserte Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt", kommentierte Keysberg. "Da werden wir nicht nachlassen."

Das Quartal sei besser gewesen als erwartet, kommentierte Jefferies-Analyst Alan Spence. Besonders gut habe die Sparte Material Services abgeschnitten. Auch die Barmittel des Industriekonzerns seien besser als angenommen. Dagegen monierte Christian Obst von der Baader Bank eine niedrigere Auslastung der Kapazitäten und steigende Kosten. Die Aktie zeigte sich am Vormittag zunächst sehr volatil. Nach einem Kursverlust zu Handelsbeginn drehte das Papier deutlich ins Plus, um dann wieder nachzugeben. Aktuell liegt die im Mittelwertesegment MDax notierte Aktie rund 0,5 Prozent im Plus.

Wegen der gestiegenen Zinsen und damit einhergehenden höheren Kapitalkosten musste Thyssenkrupp im dritten Quartal Wertberichtigungen von 480 Millionen Euro vornehmen, die überwiegend auf den Stahlbereich entfielen. Das Nettoergebnis nach Minderheiten ging daher von 125 auf 76 Millionen Euro zurück. Aus diesem Grund senkte der Konzern auch die Prognose für den Jahresüberschuss und geht nun von einem hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich aus. Bislang wollte Thyssenkrupp hier mindestens eine Milliarde erreichen.

Die stark gestiegenen Rohstoff- und Materialpreise und verzögerte Kundenabrufe sorgten auch im dritten Quartal für einen Anstieg des Umlaufvermögens. Der bei Analysten im Fokus stehende freie Mittelfluss (Cashflow) vor Fusionen und Übernahmen verschlechterte sich daher auf minus 412 Millionen Euro, nach einem Abfluss von 235 Millionen ein Jahr zuvor. Im Vergleich zum Vorquartal war der Mittelabfluss jedoch deutlich geringer.

Der Preisanstieg habe Thyssenkrupp auch im dritten Quartal belastet, so Keysberg. "Für das vierte Quartal erwarten wir aber eine deutliche Entspannung beim Nettoumlaufvermögen und auch einen deutlich positiven Cashflow."

Den restlichen Ausblick bestätigte das Unternehmen. Thyssenkrupp erwartet für 2021/22 (per Ende September) einen Umsatzanstieg im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) soll von 796 Millionen auf mindestens zwei Milliarden Euro steigen. Dazu rechnet das Management mit einem freien Mittelabfluss vor Fusionen und Akquisitionen im mittleren dreistelligen Millionenbereich./nas/he/jcf/jha/

Quelle: dpa-Afx