FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Bauzinsen haben sich in rasantem Tempo vervierfacht - doch allzu große Hoffnungen auf wieder niedrigere Kreditkosten sollten sich Immobilienkäufer und Bauherren nicht machen. Experten sehen bis Jahresende teils weiteren Aufwärtsdruck und rechnen mit stabilen bis steigenden Bauzinsen in den kommenden Monaten. Damit drohen Immobilienkäufern und Hausbauern noch höhere Kreditkosten. Doch auch die Immobilienpreise könnten mit den konstant hohen Zinsen länger unter Druck bleiben.
"Eine grundlegende Entspannung bei den Bauzinsen ist nicht absehbar", sagt Max Herbst, Gründer der Frankfurter FMH-Finanzberatung. Auch wenn die Kreditkonditionen derzeit spürbar schwankten, erwarte er "eher leicht steigende Bauzinsen" bis Jahresende. "Ich sehe keine Tendenz, dass die Bauzinsen wieder um 0,5 Prozentpunkte sinken könnten - in keinem wirtschaftlichen Szenario", sagt Herbst.
Eine Gefahr liege in einer Eskalation des Nahostkonflikts, die Ölpreise und Inflation hochtreiben könnte und Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in noch weitere Ferne rücken würde.
FMH-Daten zufolge lagen die Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen am Dienstag im Schnitt bei 4,24 Prozent pro Jahr. Anfang Oktober waren die Bauzinsen erneut über die Vier-Prozent-Marke geklettert und hatten ein Zwölf-Jahres-Hoch erreicht. Der Zinsanstieg gilt als wichtigster Grund für die gesunkenen Immobilienpreise, da sie Finanzierungen verteuern.
Fünf-Prozent-Marke rückt bei manchen Schuldnern näher
Bei den Konditionen gibt es Unterschiede je nach Kreditwürdigkeit: Bei Darlehen mit einer hohen Beleihung von 90 Prozent seien auch deutlich höhere Zinsen zu beobachten, sagt Herbst: "Rund ein Drittel der Banken verlangt dann schon mehr als fünf Prozent." Zum Vergleich: Im Januar 2022 konnten Immobilienkäufer noch Finanzierungen mit zehn Jahren Zinsbindung zu unter einem Prozent Zins abschließen.
Doch mit dem Ukraine-Krieg und den Preissprüngen für Energie stieg die Inflation stark, große Zentralbanken reagierten mit einer Serie von Leitzinserhöhungen. Die EZB legte vorige Woche nach zehn Anhebungen in Folge eine Pause ein, stellte aber klar, dass eine Diskussion über Zinssenkungen "völlig verfrüht" sei.
In den USA sandte die Notenbank Fed zuletzt Signale, dass die Leitzinsen mindestens stabil bleiben werden. In diesem Umfeld stiegen die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen jüngst erstmals seit 16 Jahren über die Marke von fünf Prozent. Die Rendite von Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, an denen sich die Bauzinsen orientieren, erreichten zeitweilig drei Prozent.
Die immer höheren Renditen bei Staatsanleihen wirkten sich meist erst mit leichter Verzögerung bei den Bauzinsen aus, schrieb Tomas Peeters, Chef des Kreditvermittlers Baufi24: "Die Fünf-Prozent-Marke bei Kreditzinsen rückt gerade bei langlaufenden Finanzierungen mit hohem Beleihungswert immer empfindlicher in Reichweite."
Der Baufinanzierungsvermittler Interhyp erwartet, dass sich die Zinsen für zehnjährige Kredite um vier Prozent bewegen und bis Jahresende auf ähnlichem Niveau bleiben werden wie derzeit. "Auch die jüngste Entscheidung der EZB, den Leitzins nicht weiter anzuheben, deutet darauf hin", sagt die für das Interhyp-Privatkundengeschäft zuständige Vorständin Mirjam Mohr. Ähnlich schätzt der Wettbewerber Dr. Klein die Lage bis Jahresende ein.
Interhyp-Vorständin Mohr empfiehlt Immobilieninteressenten, Zinsdellen zu nutzen, da selbst Differenzen von 0,1 oder 0,2 Prozentpunkten eine Hebelwirkung entfalten. "Das ermöglicht teilweise Zinseinsparungen von mehreren Tausend Euro über die gesamte Laufzeit." Zudem könnten sich Förderungen wie das KfW-Programm "Wohneigentum für Familien" lohnen, bei dem im Oktober die Konditionen gelockert wurden.
Druck am Immobilienmarkt hält an
Konstant hohe Kreditzinsen dürften eine Erholung am Immobilienmarkt verzögern. Ökonomen rechnen damit, dass die EZB erst im zweiten Halbjahr 2024 die Leitzinsen senken wird und damit später als von vielen in der Immobilienbranche erhofft. Im zweiten Quartal hatten sich Wohnimmobilien überraschend stark um fast zehn Prozent verbilligt - der kräftigste Rückgang seit dem Jahr 2000.
"Das Thema ist noch nicht ausgestanden", sagt Peter Barkow, Geschäftsführer der Analysefirma Barkow Consulting. Käufer und Verkäufer fänden weiterhin nur selten zusammen. Die übliche Rate bei Immobiliendarlehen habe sich seit Anfang 2021 verdoppelt. "Die Immobilienpreise haben zwar nachgegeben, aber bei weitem nicht so stark, um das auszugleichen", sagt Barkow.
Herbst von der FMH-Finanzberatung sieht eine Zweiklassengesellschaft bei Immobilieninteressenten: "Wer geerbt hat und viel Eigenkapital besitzt, kann kaufen. Der Rest hat das Nachsehen."/als/DP/stw
Quelle: dpa-Afx