(Neu: Kassenärzte in den letzten beiden Absätzen ergänzt, Stiko-Aussage ergänzt)
BERLIN (dpa-AFX) - Klarheit für mehr als zwei Millionen Menschen unter 60 Jahren, die in Deutschland bereits eine Erstimpfung mit Astrazeneca
Bei den Beratungen sei klar geworden, dass die Zweitimpfung mit einem mRNA-Imfpstoff, also dem Präparat von Biontech
Hintergrund der Empfehlung sind Fälle von Hirnvenen-Thrombosen nach einer Impfung mit Astrazeneca. Experten vermuten, dass das sehr geringe Risiko vor allem jüngere Menschen betrifft. Bund und Länder hatten deshalb kürzlich beschlossen, dass in der Regel nur noch Menschen über 60 mit Astrazeneca geimpft werden sollen. Laut Bundesgesundheitsministerium haben in Deutschland aber bereits rund 2,2 Millionen Menschen unter 60 eine erste Impfung mit dem Präparat erhalten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bisher noch keine Empfehlung für sogenannte Kreuzimpfungen gegen das Coronavirus ausgesprochen. Es lägen noch keine ausreichenden Daten für mögliche Risiken einer ersten Impfdosis mit Astrazeneca und einem anderen Mittel als Zweitimpfung vor, hatte WHO-Sprecherin Margaret Harris am vergangenen Freitag erklärt. Sie bezog sich auf eine vorläufige Empfehlungen eines WHO-Expertengremiums von Februar. Demnach solle vorläufig das gleiche Produkt für beide Impfungen gespritzt werden.
Berichte über Sinusvenen-Thrombosen haben inzwischen auch den Pharmakonzern Johnson & Johnson
In der EU ist der Impfstoff von Johnson & Johnson am 11. März zugelassen worden. Die Brüsseler Behörde erwartet bis Ende Juni 55 Millionen Dosen des Impfstoffs. Gut 10 Millionen Dosen sollen nach Deutschland gehen. Das Präparat ist ebenso wie das von Astrazeneca ein sogenannter vektorbasierter Impfstoff. Er nutzt ein harmloses Virus, um Erbinformationen des Coronavirus in den Körper zu schleusen. Stiko-Chef Thomas Mertens erklärte auf Anfrage, dass es jetzt zunächst Aufgabe der EMA sei, die erfolgte Zulassung zu prüfen. Folgen für Deutschland würden sich aus der verzögerten Auslieferung des Impfstoffes in Deutschland ergeben. Für weitergehende Aussagen sei es zu früh.
Angesichts der Entwicklung warnen Immunologen vor einem Scheitern der deutschen Impfstrategie und fordern von Bundesregierung schnelle Nachbestellungen von mRNA-Impfstoffen im nationalen Alleingang. Wenn sich bewahrheiten sollte, dass Nebenwirkungen bei Johnson & Johnson ähnlich häufig seien wie bei Astrazeneca, wäre die Konsequenz, dass auch dieser Impfstoff Menschen unter 60 nicht verabreicht werden sollte, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch).
Für die Impfung der unter 60-Jährigen stehe jedoch bis Herbst nicht ausreichend mRNA-Impfstoff zur Verfügung. "Der deutschen Impfkampagne droht ein großes Problem, deswegen muss die Bundesregierung jetzt reagieren und sowohl mit Biontech als auch mit Curevac
Die niedergelassenen Ärzte kritisieren unterdessen eine Benachteiligung gegenüber Impfzentren in der Corona-Impfkampagne. "Den Praxen werden in den kommenden Wochen viel weniger Biontech-Dosen zugewiesen als versprochen, weil der Impfstoff offensichtlich vorrangig an die Impfzentren geht", sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). "Die Zuteilung für die Hausärzte wurde halbiert. Daher wächst bei den niedergelassenen Ärzten die Sorge, dass sie in den kommenden Wochen eher weniger als mehr am Impfgeschehen teilhaben können."
Zwar erhalten die Arztpraxen den Angaben zufolge als Ausgleich für Biontech-Kürzungen mehr Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs. "Aber das wird so nicht aufgehen", warnte Gassen. "Wenn die Impfzentren komplett den vergleichsweise unproblematischen Impfstoff erhalten, die Praxen aber den umstrittenen, der zumal den unter 60-Jährigen nicht gespritzt werden darf, wird die Impfkampagne massiv ins Stocken geraten. Das darf nicht passieren!"/wn/DP/mis
Quelle: dpa-Afx