(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Liquidität, Kurzarbeit, Belastung durch Stellenabbau, Aktienkurs, Analysten.)
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Einbruch des Flugverkehrs in der Corona-Krise zehrt beim Triebwerksbauer MTU
Nachdem die MTU-Aktie nach Bekanntgabe der neuen Jahresprognose des Vorstands am Freitag zugelegt hatte, ging es für sie am Montag immer weiter abwärts. Um die Mittagszeit lag sie zuletzt mit 10,2 Prozent im Minus bei rund 131,85 Euro. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier damit wieder fast die Hälfte an Wert eingebüßt. Nach Ansicht von Analyst David Perry von JPMorgan nimmt der Gegenwind wegen der wieder verschlechterten Viruslage in Europa und den USA und deren Folgen für die Flugbranche zu. Die Entwicklung der Liquidität des Konzerns habe hingegen positiv überrascht.
Im zweiten Quartal brockten der weitgehende Stillstand des Flugverkehrs und ein wochenlanger Betriebsstopp an den MTU-Standorten dem Hersteller herbe Einbrüche bei Umsatz und Gewinn ein. Die Erlöse sackten im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent auf 776 Millionen Euro ab. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) brach um rund drei Viertel auf gut 42 Millionen Euro ein. Unter dem Strich blieb ein Quartalsgewinn von gut 13 Millionen Euro, ein Rückgang um 87 Prozent. Während Analysten beim Umsatz einen noch stärkeren Einbruch erwartet hatten, ging der operative Gewinn noch deutlicher zurück als gedacht.
"Die Sicherung unserer Liquidität hat für uns nach wie vor oberste Priorität", sagte Finanzchef Peter Kameritsch. Einschließlich einer Kreditlinie von 700 Millionen Euro lägen die Liquiditätsreserven bei rund 1,5 Milliarden Euro. Auch im Gesamtjahr will das Management einen positiven freien Barmittelzufluss vorweisen. Die Liquidität sollte in etwa auf dem jetzigen Niveau bleiben, sagte Kameritsch in einer Telefonkonferenz.
Unterstützung bekam der Konzern auch durch das Kurzarbeitergeld. Im ersten Halbjahr habe dies MTU mit rund 20 Millionen Euro entlastet, ließ der Vorstand wissen. Derzeit befänden sich noch rund 80 Prozent der MTU-Beschäftigten in Deutschland in Kurzarbeit und arbeiten im Schnitt etwa vier statt fünf Tage pro Woche. Das Geschäft im Militärbereich, wo MTU an den Antrieben für den Kampfjet Eurofighter und des Militärtransporters A400M beteiligt ist, laufe hingegen auf vollem Niveau weiter, sagte Winkler.
An anderen Stellen zwingen die Produktionskürzungen bei Boeing und Airbus den Triebwerksbauer jedoch zum Handeln. Nachdem die Flugzeugbauer bereits den Abbau Tausender Jobs angekündigt hatten, hat auch MTU beschlossen, 10 bis 15 Prozent der zuletzt 10 661 Arbeitsplätze abzubauen. Das betrifft auch die deutschen Standorte.
Rund 80 Prozent der MTU-Beschäftigten arbeiteten in Deutschland, sagte Winkler. Die Mitarbeiter im Ausland seien in der Regel in Gemeinschaftsunternehmen angestellt, die in den Beschäftigtenzahlen des Konzerns nicht enthalten sind. Rückstellungen für den Personalabbau will der Vorstand voraussichtlich im dritten Quartal verbuchen und betriebsbedingte Kündigungen möglichst vermeiden. Winkler hofft, das mit dem Auslaufen befristeter Verträge, der Rückführung von 40-Stunden- auf 35-Stunden-Verträge, Altersteilzeit und freiwilligen Abgängen zu erreichen.
Der Triebwerksbauer ist vor allem bei den Mittelstreckenjets der Airbus-Modellfamilie A320neo stark im Geschäft. Der Flugzeugbauer hat die Produktion in diesem Segment von 60 auf 40 Maschinen pro Monat gekürzt und sieht wenig Hoffnung, die Zahlen vor dem Jahr 2022 wieder hochfahren zu können. Denn so lange der Flugverkehr nicht wieder auf das alte Niveau zurückkommt, brauchen Fluggesellschaften auch kaum neue Flieger.
Winkler geht davon aus, dass der Verkehr auf der Kurz- und Mittelstrecke erst 2023 wieder das Niveau von 2019 erreicht - und im Interkontinentalverkehr vielleicht ein Jahr später. Die Hersteller haben die Produktion ihrer Langstreckenjets daher besonders deutlich gedrosselt - so Boeing etwa bei seinem Modell 787 "Dreamliner".
Für MTU sieht Winkler dabei Glück im Unglück. So habe das "Dreamliner"-Triebwerk des US-Konzerns General Electric, an dem der Münchner Hersteller beteiligt ist, Marktanteile gewonnen. Der Konkurrenzantrieb des britischen Herstellers Rolls-Royce macht seit Längerem mit technischen Problemen Schlagzeilen.
Angesichts der konkretisierten Planungen der Flugzeugbauer hatte sich die MTU-Führung am Freitag mit einer neuen Umsatz- und Ergebnisprognose aus der Deckung gewagt. Winkler erwartet für 2020 jetzt einen Umsatz von 4,0 bis 4,4 Milliarden Euro. Davon sollen 9 bis 10 Prozent als operativer Gewinn beim Unternehmen hängen bleiben - nach über 16 Prozent im Vorjahr. Geht man von der Mitte der beiden Zielspannen aus, entspricht dies für 2020 einem operativen Gewinn von knapp 400 Millionen Euro. 2019 hatte MTU einen Rekordumsatz von gut 4,6 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von 757 Millionen Euro erzielt.
Dass der prognostizierte Umsatzrückgang trotz der Krise nicht noch stärker ausfällt, erklärte der Vorstand mit dem Wartungsgeschäft, in dem die Erlöse nur im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich zurückgehen sollen. Die Wartung mache rund die Hälfte der gesamten MTU-Erlöse aus, erklärte Kameritsch. Düsterer sind die Aussichten im Geschäft mit neuen Triebwerken und Ersatzteilen, in denen das Management für 2020 mit Rückgängen von bis zu fast 30 Prozent rechnet. "Den Ersatzteilbereich trifft die Krise am stärksten", sagte Kameritsch. Sonst verdient MTU an Ersatzteilen viel mehr als an neuen Antrieben, die meist mit satten Rabatten verkauft werden./stw/rol/eas/jha/
Quelle: dpa-Afx