(neu: Aussagen zu Kostensteigerungen und Preiserhöhungen, Vorbereitungen auf möglichen Gas-Lieferstopp, aktualisierte Kursreaktion, Analystenstimme)

GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Der Pharma- und Laborausrüster Sartorius ist mit überraschend starken Zuwächsen ins Jahr gestartet. Der Umsatz knackte im ersten Quartal die Milliardenmarke, und der Konzern holte viele Aufträge herein - wenn auch etwas weniger als während des coronabedingten Booms ein Jahr zuvor. Vorstandschef Joachim Kreuzburg berichtete am Donnerstag von einer hohen Nachfrage nach den Sartorius-Produkten, auch wenn sich die Effekte aus der Pandemie normalisierten. Um im laufenden Jahr neben dem Umsatz auch den operativen Gewinn zu steigern, verhandelt der Konzern mit seinen Kunden über weitere Preiserhöhungen - und bereitet sich auf einen möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland vor.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die Sartorius-Vorzugsaktie legte am Vormittag um bis zu sechs Prozent zu und war damit stärkster Titel im Dax . Der Konzern ist einer der Gewinner der Corona-Krise. Entsprechend stark war der Kurs während der Pandemie gestiegen - und mit der Entspannung der Lage in den vergangenen Monaten wieder gefallen. Mit einem Kursverlust von rund einem Drittel gehört das Papier im bisherigen Jahresverlauf zu den größten Verlierern im Dax. Allerdings hatte sich sein Kurs von Ende 2019 bis Ende 2021 mehr als verdreifacht.

Branchenexperten zeigten sich von den Quartalszahlen positiv überrascht. Abseits der pandemiebedingten Effekte sei das Geschäft der Biotechnologie-Sparte noch stärker gewachsen als erwartet, schrieb Analyst Odysseas Manesiotis von der Privatbank Berenberg.

Im ersten Quartal erzielte der Konzern einen Umsatz von gut einer Milliarde Euro und damit fast 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie er am Morgen in Göttingen mitteilte. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) legte um knapp ein Drittel auf 349 Millionen Euro zu.

Unterdessen sicherte sich Sartorius weitere Aufträge. Mit gut 1,1 Milliarden Euro lag der Auftragseingang im ersten Quartal höher als der Umsatz, wenn auch rund zwei Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Da hatten vor allem Kunden der Biotechnologie-Sparte wegen der Pandemie außergewöhnlich früh und viel bestellt.

Unter dem Strich verdiente Sartorius in den Monaten Januar bis März knapp 206 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Rechnet man Sondereffekte und Posten wie Bewertungseffekte infolge Übernahmen heraus und legt ein normalisiertes Finanzergebnis und eine normalisierte Steuerquote zugrunde, wuchs der Überschuss noch um knapp 38 Prozent auf 167 Millionen Euro.

Das Biotechnologie-Geschäft des Unternehmens läuft größtenteils unter dem Dach der französischen Tochter Sartorius Stedim Biotech . Der deutsche Konzern hält knapp 74 Prozent des an der Börse mit 33 Milliarden Euro bewerteten französischen Unternehmens. Der Bereich mit Einweg-Materialien wie Bioreaktoren und Membranbeuteln ist schon seit einigen Jahren gefragt, da in der Medizin biologisch hergestellte Medikamente und neue Behandlungsmethoden wie Gen- und Zelltherapien auf dem Vormarsch sind. Die kleinere Laborsparte liefert etwa Pipetten für Corona-Tests.

"Die Nachfrage nach unseren Produkten ist in allen Segmenten hoch", sagte Kreuzburg. Auch die Investitionen in den Ausbau der Produktionskapazitäten kämen gut voran. Zudem habe Sartorius beide Geschäftsbereiche durch Übernahmen weiter gestärkt. Für das laufende Jahr peilt die Sartorius-Spitze weiterhin eine währungsbereinigte Umsatzsteigerung von 15 bis 19 Prozent an. Vom Erlös sollen etwa 34 Prozent als bereinigter operativer Gewinn hängen bleiben - im ersten Quartal waren es 34,1 Prozent.

Trotz gestiegener Kosten für Logistik und Material habe der Konzern seine Ertragsmarge nochmals gesteigert, sagte Kreuzburg. Allerdings gehen die Folgen des Ukraine-Kriegs für die Wirtschaft, die angespannten Lieferketten und steigenden Kosten an Sartorius nicht spurlos vorbei. Schon jetzt hätten sich die Lieferzeiten für Vorprodukte wie Kunststoffgranulate und Silikone verlängert, und auch die Preise seien gestiegen, sagte Kreuzburg in einer Videokonferenz. Ähnliches gelte für Elektronikbauteile, die in manchen Sartorius-Produkten zum Einsatz kommen.

Allerdings zeigte sich der Manager zuversichtlich, die höheren Kosten in Form von Preiserhöhungen an seine Kunden durchreichen zu können: Man führe dazu bereits Gespräche. Zudem habe Sartorius seine Preise schon zu Jahresbeginn erhöht - und zwar etwas stärker als sonst üblich.

Für einen möglichen Stopp russischer Gaslieferungen als Folge des Ukraine-Kriegs sieht der Manager Sartorius in Kürze gerüstet. Ende des Monats sollte der Konzern in der Lage sein, an seinen deutschen Standorten von Gas auf Öl zu wechseln, falls nötig. Dabei gehe es vor allem um industrielle Prozesswärme. Kritischer bewertet Kreuzburg die Lage von Zulieferern, etwa aus der chemischen Industrie. Denn die deutsche Chemie-Industrie ist stark von Gaslieferungen abhängig.

Das frühere MDax-Schwergewicht Sartorius war mit der Index-Erweiterung im September in den Dax aufgestiegen. Das Aktienkapital ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Von den handelbaren rund 34 Millionen Stammaktien gehören rund 55 Prozent einer Erbengemeinschaft und rund 38 Prozent dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Rund sieben Prozent befinden sich im Streubesitz.

Ganz anders sieht es bei den Vorzugsaktien aus: Hier werden rund 72 Prozent der Anteile, die nicht im Besitz des Unternehmens selbst sind, im Streubesitz gehandelt; 28 Prozent liegen nach Sartorius-Angaben bei Bio-Rad Laboratories. Sartorius' Börsenwert lag zuletzt bei knapp 28 Milliarden Euro./stw/zb/mis

Quelle: dpa-Afx