BERLIN (dpa-AFX) - Die Aufarbeitung der gescheiterten Pkw-Maut ist auch nach einer erneuten Befragung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags noch lange nicht zu Ende. Die Opposition erzielte einen Erfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dabei geht es um die Vorlage von Protokolldateien dienstlicher E-Mail-Postfächer von Scheuer.
In dem Beschluss eines Ermittlungsrichters des BGH vom Freitag heißt es, der Untersuchungsausschuss müsse Beweise erheben, indem er den Bundestagspräsidenten um Vorlage dieser Protokolldateien (Logfiles) ersuche. Der Deutschen Presse-Agentur lag der Beschluss vor.
Dabei geht es um drei Abgeordneten-Accounts von Scheuer. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheide, heißt es in dem Beschluss.
Die Oppositionsfraktionen Grüne, FDP und Linke hatten deswegen den BGH angerufen. Sie vermuten, dass Scheuer nicht alle relevante Kommunikation zur gescheiterten Pkw-Maut über E-Mail-Postfächer vorgelegt hat. Scheuer bestreitet dies. Aus Sicht der Opposition lassen sich aus den Protokolldateien Rückschlüsse ziehen über Art, Häufigkeit, Dauer und Teilnehmer von E-Mail-Verkehr.
Der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) erklärte, er werde den 25-seitigen Beschluss des BGH gründlich auswerten und dann über weitere Schritte beraten. FDP-Obmann Christian Jung sagte, die Logfiles zu den MdB-Accounts Scheuers und seiner MdB-Mitarbeiter könnten nun ausgewertet werden. Scheuer müsse nun auch sofort mit dem vom Untersuchungsausschuss eingesetzten Ermittlungsbeauftragten kooperieren. "Infolgedessen geht die Ermittlungsarbeit weiter. Wir gehen immer noch davon aus, dass Andreas Scheuer trotz aller Bekundungen nicht alle Unterlagen dem Ausschuss vorgelegt hat."
In einer erneuten Aussage vor dem Untersuchungsausschuss hatte Scheuer am Donnerstag sein umstrittenes Vorgehen bei der gescheiterten Pkw-Maut verteidigt. Die Opposition und auch der Koalitionspartner SPD machten aber nach der erneuten Aussage des CSU-Politikers deutlich, dass für sie wichtige Kritikpunkte nicht ausgeräumt seien. Die Befragung Scheuers endete am späten Donnerstagabend nach rund zehn Stunden.
Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler im Haushalts- und Vergaberecht zu Lasten der Steuerzahler vor. Er habe die Maut-Verträge abgeschlossen, bevor Rechtssicherheit bestand. Die eigentlich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Sommer 2019 gekündigt hatte. Der EuGH hatte die Maut gekippt.
Scheuer betonte im Ausschuss mehrfach, er habe nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Er verstehe Unmut über das Projekt, hatte der CSU-Politiker vor der Befragung in Berlin gesagt. "Fakt ist aber, dass wir rechtens gehandelt haben." Vergabe- und Haushaltsrecht seien eingehalten worden. Scheuer wies auch erneut die Millionenforderungen der Maut-Betreiber entschieden zurück.
Die Vernehmung Scheuers war die letzte bisher geplante Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss, der vor mehr als einem Jahr seine Arbeit aufgenommen hatte. Für den Minister war es schon der zweite Ausschuss-Termin nach einer stundenlangen ersten Vernehmung in einer Oktobernacht.
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, es sei an Hybris nicht zu überbieten, wenn Scheuer es so darstelle, als sei alles richtig gelaufen. Es sei unglaublich, dass der für das Desaster verantwortliche Minister jede Verantwortung von sich weise.
FDP-Obmann Jung sagte, Scheuer habe die Vorwürfe nicht entkräften können, dass er und sein Ministerium bei der Pkw-Maut gegen Vergaberecht, Haushaltsrecht und Europarecht verstoßen hätten. " Linke-Obmann Jörg Cezanne kritisierte, Scheuer habe weitreichende Entscheidungen auf nicht nachvollziehbaren Informationsgrundlagen gefällt.
FDP, Grüne und Linke fordern seit langem einen Rücktritt Scheuers. SPD-Obfrau Kirsten Lühmann sagte, politisch liege die Verantwortung eindeutig beim Minister. Juristisch gebe es aber keinen Punkt zu sagen, es sei ihm strafrechtlich in irgendeiner Form etwas vorzuwerfen. Auf die Frage, ob die SPD einen Rücktritt Scheuers fordere, sagte Lühmann: "Nein, das ist nicht unsere Sache." Das müsse CSU-Chef Markus Söder gefragt werden.
Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte dagegen, Vorwürfe gegen den Minister hätten sich an keiner Stelle bestätigt. Scheuer sei "eindeutig entlastet". Er habe Gesetze stringent umgesetzt. Es habe auch keine mangelhafte Organisation im Ministerium gegeben./sam/hoe/DP/men
Quelle: dpa-Afx