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BERLIN (dpa-AFX) - Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat jegliche Verantwortung für den Bilanzskandal um den ehemaligen Dax -Konzern Wirecard zurückgewiesen. "Die Verantwortung für diesen großangelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung", sagte der Finanzminister am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags. "In dem Unternehmen wurde offensichtlich mit hoher krimineller Energie gehandelt", betonte Scholz. Über elf Jahre seien die "Betrügereien" nicht aufgedeckt worden, weil die verantwortliche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft keine Unregelmäßigkeiten erkannt habe.

Auf die Frage eines Abgeordneten, ob er persönlich Verantwortung dafür trage, dass der Skandal nicht früher aufgefallen sei, antwortete Scholz: "Nein."

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem "gewerbsmäßigen Bandenbetrug" aus - und zwar seit dem Jahr 2015. Der Bilanzskandal hatte für hohe Schäden bei Anlegern gesorgt.

Der Untersuchungsausschuss soll herausfinden, ob Ministerien oder Behörden das aufstrebende Finanztech-Unternehmen vor dem Zusammenbruch mit Samthandschuhen angefasst haben, obwohl es seit langem Berichte über Unregelmäßigkeiten gab.

Scholz wies Vorwürfe zurück, die Finanzaufsicht Bafin oder das Finanzministerium hätten ihre schützende Hand über Wirecard gehalten - dies sei ein "absurdes Märchen". Scholz' Ministerium ist zuständig für die Bafin, der in dem mutmaßlichen Betrugsfall schwere Fehler vorgeworfen werden.

Der Minister räumte allerdings ein, dass staatliche Aufsichts- und Kontrollgefüge für einen solchen Angriff nicht gut genug gerüstet gewesen seien. Es sei wichtig, daraus zu lernen - auch, da viele Anleger getäuscht worden seien und hohe Summen verloren hätten. Die wichtigste Aufgabe sei es, verloren gegangenes Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland wiederherzustellen.

Scholz hat einen Gesetzentwurf vorlegt, der nicht nur mehr Befugnisse für die Bafin, sondern auch strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer vorsieht. Prüfer sollen ein Unternehmen nur noch maximal zehn Jahre lang betreuen dürfen. Prüfung und Beratungsleistungen werden stärker getrennt. Umstritten ist zwischen Union und SPD noch, wie die Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer verschärft werden sollen. Scholz hat vorgeschlagen, dass sie bei grob fahrlässigem Verhalten künftig uneingeschränkt haften. Er appellierte an die Abgeordneten, die Arbeit an dem Gesetz zur Reform bald abzuschließen, damit es rasch in Kraft treten könne und nicht von "Lobbyinteressen" verwässert werde.

Opposition und Union hatten vor der Befragung von Scholz deutlich gemacht, dass sie bei der politischen Aufarbeitung des Skandals viele Fragen offen sehen. Sie warfen Scholz mangelnde Transparenz vor. Grünen-Obmann Danyal Bayaz sagte, das Finanzministerium versuche, seine Rolle unter den Teppich zu kehren. FDP-Obmann Florian Toncar sagte, Scholz sei seiner Aufgabe nicht so gerecht geworden, wie es gut gewesen wäre. Unions-Obmann Matthias Hauer sagte, das Finanzministerium habe beim Versagen von Behörden im Fall Wirecard weggeschaut. Der Finanzminister müsse die politische Verantwortung für den Bilanzskandal mit Milliardenschaden für viele Kleinanleger übernehmen.

Für Freitag ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Zeugin im Untersuchungsausschuss geladen. Sie hatte sich während einer Reise nach China im September 2019 für Wirecard eingesetzt. Ein Regierungssprecher hatte gesagt, Merkel habe zum Zeitpunkt der Reise keine Kenntnis von möglichen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gehabt./tam/DP/nas

Quelle: dpa-Afx