(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Kurs, Analysten)
ERLANGEN (dpa-AFX) - Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers
Doch abseits der guten Geschäfte mit den Schnelltests belasten hohe Kosten und Lieferengpässe die Diagnostiksparte. Die Einführung einer kleineren Version des Laborsystems Atellica verschob sich wegen der Pandemie. So begann die Markteinführung erst kürzlich in diesem Jahr in Europa. Großflächig sollen die Systeme für kleinere und mittlere Test-Volumina im kommenden Kalenderjahr ausgerollt werden. Wegen der Lockdowns in China blieben zudem monatelang Umsätze mit Routinetests aus. Das Unternehmen kündigte daher bei der Veröffentlichung der Zahlen am Mittwoch eine Beschleunigung des Umbaus der Sparte an, um Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität zu verbessern.
So will sich Healthineers nun auf die Atellica-Plattformen konzentrieren und ältere Technologien sukzessive aufgeben. Vorstandschef Bernd Montag zufolge soll so die Anzahl der Plattformen "um mehr als die Hälfte" verringert werden. Dies gehe mit weniger Standorten und einer geringeren Produktion einher, sagte Montag in einer Telefonkonferenz. Auch Arbeitsplätze werden davon betroffen sein - wo und in welchem Umfang sei jedoch noch offen.
Die Vereinfachung des Portfolios soll auch die Komplexität verringern. Der Plan sieht schlankere Strukturen in der Organisation und in der Forschung vor. Seine Investitionen will Healthineers auf Schlüsselregionen konzentrieren. Auch Lieferketten und Service sollen "optimiert" werden. Dabei erwartet das Management Einsparungen von 300 Millionen Euro bis 2025. Die Kosten bezifferte Finanzvorstand Jochen Schmitz für den gleichen Zeitraum auf 350 bis 450 Millionen Euro. Davon sollen Gesamtkosten von bis zu 200 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr anfallen.
Unterdessen senkte das Management seine mittelfristigen Erwartungen an Wachstum und Profitabilität des Geschäftsbereichs. Dies spiegele auch das stark veränderte Umfeld wider, sagte Montag. An der Wachstumsprognose für den Konzern bis zum Jahr 2025 hält Healthineers hingegen fest.
Im vergangenen Geschäftsjahr steigerte Healthineers die Erlöse um knapp 21 Prozent auf 21,7 Milliarden Euro. Die Schnelltests trugen hierzu rund 1,5 Milliarden Euro bei. Auf vergleichbarer Basis, bei der Währungseffekte sowie der Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen ausgeklammert sind, legten die Erlöse um 5,9 Prozent zu. Dabei trugen alle Segmente bei. Rechnet man hier die coronabedingten Umsätze heraus, betrug das vergleichbare Wachstum den Angaben zufolge 3,8 Prozent.
Nach Steuern stieg der Gewinn um 18 Prozent auf knapp 2,1 Milliarden Euro, das bereinigte Ergebnis je Aktie legte um 13 Prozent auf 2,29 Euro zu. Dabei verzeichnete Healthineers noch einmal ein starkes Schlussquartal und schnitt besser ab als von Analysten erwartet. Die Aktionäre sollen eine um zehn Cent erhöhte Dividende von 95 Cent je Aktie erhalten.
Für das neue Geschäftsjahr 2022/23 erwartet Healthineers einen vergleichbaren Umsatz in der Spanne von minus einem bis plus einem Prozent. Klammert man das Testgeschäft aus, dürfte das vergleichbare Umsatzwachstum bei sechs bis acht Prozent liegen. Dabei kann Healthineers auf ein dickes Auftragspolster bauen. Das bereinigte Ergebnis je Aktie dürfte im kommenden Jahr auf 2,00 bis 2,20 Euro sinken. Bereinigt um das Testgeschäft würde Healthineers jedoch ebenfalls Zugewinne erzielen, hieß es. Analysten hatten sich insgesamt etwas mehr erhofft.
Der Aktienkurs zeigte sich den Tag über volatil. Nach einem kurzen Rutsch ins Minus zum Handelsstart kletterte er zeitweise um fast fünf Prozent nach oben. Danach gab das Papier seine Gewinne jedoch wieder fast vollständig ab, nur um gegen Mittag erneut um 1,6 Prozent nach oben zu klettern. Damit setzte sich Healthineers an die Spitze des Dax.
Von Analysten gab es Lob und Kritik. Die Quartalszahlen seien besser ausgefallen als erwartet, notierte Analyst Hassan Al-Wakeel von der britischen Investmentbank Barclays. Die Bewertung sei günstig, und die langfristigen Aussichten erschienen gut. Auch die UBS lobte die Quartalszahlen. Da die Prognosen für die Diagnostik-Sparte auf eine neue Basis gestellt würden, dürften die Markterwartungen für das neue Geschäftsjahr sinken, bemerkte Analyst Graham Doyle./nas/stw/stk
Quelle: dpa-Afx