(neu: Aussagen aus der Bilanzpressekonferenz, aktualisierter Kurs)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Industrie- und Stahlkonzern Thyssenkrupp
An der Börse kamen die Aussagen sehr gut an: Die Aktie gewann am Morgen kurz nach Handelsbeginn 6 Prozent und stieg damit auf ein Hoch seit Mai. Zuletzt ging es an der MDax-Spitze
"Das Schlimmste ist vorbei", betonte Analyst Christian Obst von der Baader Bank in einer ersten Reaktion. Der Ausblick auf das Geschäftsjahr 2021/22 liege deutlich über den Erwartungen. Alan Spence von der Investmentbank Jefferies lobte die Quartalszahlen. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) habe die Markterwartungen klar übertroffen. Der Ausblick sei ebenfalls stark.
Thyssenkrupp erwartet für 2021/22 (per Ende September) ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich, was schwächer ist als im Vorjahr, als die Erlöse im fortgeführten Geschäft um 18 Prozent auf 34 Milliarden Euro zulegten. "Große Herausforderungen" sieht Konzernchefin Merz weiterhin im derzeit herrschenden Halbleitermangel, in den Engpässen bei weiteren Vorprodukten sowie in der Corona-Pandemie. Das bereinigte operative Ergebnis will Thyssenkrupp auf 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro aber in etwa verdoppeln. Dabei ist der Konzern deutlich zuversichtlicher als Analysten, die mit weniger gerechnet hatten. Der Jahresüberschuss soll mindestens eine Milliarde Euro erreichen.
Nach jahrelangen Mittelabflüssen strebt Thyssenkrupp 2020/21 einen ausgeglichenen Cahsflow an - zum ersten mal seit 2015/16, wie Finanzchef Klaus Keysberg auf der Bilanzpressekonferenz erläuterte. Daher habe sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, in diesem Geschäftsjahr wieder eine Dividende zu zahlen, sagte Merz. Für das vergangene Geschäftsjahr will Thyssenkrupp die Ausschüttung erneut streichen. 2020/21 hatte das Unternehmen wegen hoher Restrukturierungskosten einen Verlust nach Minderheiten von 109 Millionen Euro verbucht. Dies war jedoch im Vergleich zum Vorjahr eine deutliche Verbesserung, als noch ein Fehlbetrag von 5,5 Milliarden Euro angefallen war.
Thyssenkrupp schnitt im vergangenen Geschäftsjahr insgesamt besser ab als von Analysten erwartet. Im vierten Quartal konnte das Unternehmen Umsatz und Gewinn gegenüber dem schwachen Vorjahresquartal deutlich steigern und die Prognosen des Marktes ebenfalls übertreffen.
Beim Stellenabbau kommt Thyssenkrupp voran: So wurden von den angekündigten mehr als 12 000 Arbeitsplätzen, die bis 2023/24 wegfallen sollen, bereits rund 7800 abgebaut, wie es hieß. Und auch beim Konzernumbau macht das Unternehmen weiter Fortschritte. So wurden zuletzt einige Randbereiche verkauft oder geschlossen. Hier plant das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr weitere Schritte.
Für sein Wasserstoffgeschäft Uhde Chlorine Engineers favorisiert Thyssenkrupp unterdessen einen Börsengang, um so von der starken Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu profitieren. Zudem prüfe das Unternehmen Optionen, wie das Geschäft bestmöglich weiterentwickelt werden könne. Ein Börsengang sei jedoch die beste Lösung, sagte Merz. "Wir sehen eine extrem dynamische Marktentwicklung. Da ist Schnelligkeit Trumpf." Als möglicher Zeitpunkt werde dabei das Frühjahr angestrebt. In jedem Falle würde Thyssenkrupp aber eine Mehrheit behalten.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte vor wenigen Tagen unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen berichtet, dass ein Börsengang im ersten Quartal 2022 möglich sein könnte und eine Bewertung von bis zu 5 Milliarden Euro erreichbar wäre.
Noch keine Entscheidung gibt es hingegen zur Zukunft des Stahlgeschäfts. Hier favorisiere das Management weiterhin eine Verselbstständigung, hieß es von Thyssenkrupp. Dies sei jedoch ein sehr komplexes Vorhaben. Eine endgültige Entscheidung hänge von einer Vielzahl von Faktoren ab. Unter anderem brauche es Planungssicherheit bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, gerade hinsichtlich der Transformation zu "grünem Stahl". Neben der Vorbereitung der üblichen Carve-out-Themen prüfe Thyssenkrupp, unter welchen Bedingungen der Stahlbereich in die Eigenständigkeit überführt werden könne.
Vorstandschefin Merz will die Stahlsparte des Revierkonzerns aus eigener Kraft wieder wettbewerbsfähig machen. Am Ende könne eine Abspaltung stehen oder eine selbstständige Tochter mit eigener Finanzierung, hatte sie zuletzt gesagt. Die Sparte befindet sich derzeit im Umbau, inklusive des Abbaus von Stellen. Hier kommt Thyssenkrupp voran. Bis zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres seien mehr als die Hälfte des bis 2026 vorgesehenen Abbaus von 3750 Stellen erreicht worden. Das bereinigte operative Ergebnis konnte die Sparte deutlich verbessern und schrieb nach einem Verlust wieder schwarze Zahlen. Dämpfend wirkten jedoch die stark gestiegenen Rohstoffkosten sowie temporäre Einschränkungen in der Produktion./nas/lew/mis
Quelle: dpa-Afx