(neu: Details, Habeck)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Folgen des Ukraine-Kriegs treffen auch die deutsche Wirtschaft immer härter. In der Autoindustrie gibt es bereits Produktionsstopps, weil wichtige Teile aus der Ukraine fehlen. Wirtschaftsverbände erwarten, dass Lieferketten immer weiter bröckeln. Deutsche Hersteller stoppen ihre Fertigung in Russland. Und unaufhörlich steigende Energiepreise belasten fast alle Branchen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht deshalb "eine so komplexe Lage wie vielleicht seit vielen Jahren nicht in der deutschen Wirtschaftsgeschichte". So gut wie alle Branchen seien betroffen. Und dennoch, so betonte der Grünen-Politiker am Donnerstag anerkennend, sei die Solidarität der deutschen Wirtschaft mit der Ukraine ungebrochen. Trotz ihrer erheblichen Belastung trügen alle Unternehmen die Sanktionen gegen Russland mit.
Damit die Kosten dafür nicht zu hoch werden, legt die Bundesregierung ein Kreditprogramm für betroffene Firmen auf. Sie sollen von den guten Zinsbedingungen des Staates profitieren und sich mit dem Geld neue Geschäftsfelder aufbauen. Außerdem springt der Staat mit Bürgschaften und Investitionsgarantien in die Bresche. Habeck sprach von einem Ausfallrisiko von knapp 20 Milliarden Euro, "die natürlich tragbar sind und getragen werden".
Trotzdem zeichnen sich enorme Folgen ab: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kappte seine Exportprognose für dieses Jahr. Eine Rezession in Deutschland sehen allerdings weder Habeck noch der DIHK. Sie sei dann zu befürchten, wenn die deutsche Wirtschaft nicht mehr produzieren könne, sagte Habeck. Man arbeite aber daran, genau das zu verhindern.
DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier machte deutlich, die wirtschaftlichen Folgen seien noch gar nicht richtig abzusehen. Das bisher prognostizierte deutsche Exportwachstum von sechs Prozent für 2022 aber sei nicht mehr zu schaffen. Bereits vor dem Krieg habe es weltweite Lieferprobleme und Engpässe gegeben, die durch die jetzigen Ereignisse noch einmal verstärkt worden seien.
Wegen des Kriegs kommt es auch zu Produktionsunterbrechungen in deutschen Autowerken, weil Teile von Zulieferern in der Ukraine fehlen. Alexander Markus, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer, sagte, er persönlich rechne damit, dass es noch weitere Unterbrechungen der Lieferketten geben werde.
Markus schilderte eindrücklich die Lage in der Ukraine. Die Sorgen um Mitarbeiter seien sehr groß, er habe täglich Kontakt. Sie gingen nachts in Keller und stellten sich morgens oder tagsüber in die Schlange, um Essen zu kaufen oder Medikamente. Die Kammer arbeite trotzdem weiter.
In der vergangenen Woche, als der Krieg schon lief, hätten immer noch einige Unternehmen produziert, sagte Markus. Er vermute, es seien aber immer weniger. "In der Regel fahren sie dann die Produktion runter, frieren ihre Unternehmen ein. Da ist dann nur noch der Wachschutz, der die Unternehmen beschützt."
Habeck betonte, die deutsche Wirtschaft kümmere sich mit großer persönlicher Verantwortung um ihre Mitarbeiter vor Ort, versuche, sie rauszuholen und helfe bestmöglich jenen, die sich zum Bleiben entschieden.
Der DIHK blickt nicht nur in die Ukraine, sondern auch nach Russland. Im vergangenen Jahr stieg das deutsche Handelsvolumen mit Russland um mehr als 34 Prozent auf knapp 60 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürfte es drastisch einbrechen, sagte Treier. Die Wirtschaft unterstütze die umfangreichen westlichen Sanktionen gegen Russland. Diese kämen einem "Vollembargo" gleich. Doch die Kosten sind hoch: Rund 250 000 Stellen bei Unternehmen in Deutschland hingen von Exporten nach Russland ab.
Immer mehr Firmen liefern gar nicht mehr nach Russland oder stellen Verkäufe dort ein. Am Donnerstag gab Volkswagen
In Deutschland führen die Kriegshandlungen Russlands zu Produktionsstopps in Autofabriken etwa von BMW
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet außerdem mit einer Knappheit und einem Preisanstieg bei Rohmaterialien. Dies betreffe vor allem die Rohstoffe Neongas, Palladium und Nickel. Bei Neongas sei die Ukraine einer wichtigsten Lieferanten. "Wir erwarten Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion, da Chips bereits jetzt Mangelware sind", so der VDA. Zum anderen könnte Palladium aus Russland für Katalysatoren fehlen. Ein wichtiger Rohstoff zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien sei Nickel, Russland ein wichtiges Förderland für Nickelerz: "Damit ist dieser Rohstoff unersetzbar für den Hochlauf der Elektromobilität."
Der Lufthansa
Quelle: dpa-Afx