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BERLIN (dpa-AFX) - Nach Kritik an der umstrittenen Gasumlage will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) profitablen Firmen den Zugang zu der Rettungshilfe erschweren. Das Ministerium schaue, ob es rechtssichere Möglichkeiten gebe, "Trittbrettfahrer" wieder auszusortieren, sagte Habeck am Freitag in Berlin. Bei der Umlage gebe es einen Anteil von knapp zehn Prozent, der durch Unternehmen mit guter Gewinnbilanz hereingebracht werde. Der Gleichheitsgrundsatz habe es geboten, so vorzugehen. "Gleichwohl ist es so nicht gemeint gewesen. Wir wollten ja nicht Unternehmen, die gute Gewinne machen, weitere Gewinnchancen geben", sagte Habeck.
Mit der Umlage sollen durch die Drosselung russischer Gaslieferungen stark erhöhte Beschaffungskosten von Großimporteuren wie Uniper
Die Union will im Bundestag die Verordnung der Bundesregierung "mit sofortiger Wirkung" aufheben. Das geht aus einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion hervor. Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung darüber berichtet. Von Mitteln aus der Umlage würden auch Unternehmen profitieren, die gar keine Unterstützung bräuchten, da sie für das laufende Geschäftsjahr Gewinne in Millionen- und Milliardenhöhe erwarten, heißt es in dem Antrag der Oppositionsfraktion. Vorrangig hätten Stabilisierungsmaßnahmen für Firmen geprüft werden müssen. Für den Gasimporteur Uniper hatte die Bundesregierung ein milliardenschweres Rettungspaket beschlossen.
Eine Rücknahme forderten auch AfD und Linke. Linken-Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch meinte: "Die Gasumlage gehört nicht überarbeitet, sondern gestoppt." Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sagte: "Die Gasumlage ist von Anfang an vermurkst und nicht zu retten."
Habeck verteidigte die Umlage: Das Umlagesystem insgesamt stehe nicht zur Debatte, betonte er. Es müsse verhindert werden, dass die Gasversorgung in Deutschland gefährdet werde oder gar zusammenbreche. Er verstehe jeden, der sich darüber ärgere, dass Firmen die Umlage in Anspruch nehmen wollen, die Gewinne machen. "Ich reihe mich ein in diese Reihe. Aber wir sind natürlich auch daran gebunden, rechtssichere Formen zu finden."
Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigte sich offen für mögliche Nachbesserungen. "Eine Maßnahme der Solidarität kann nicht dazu dienen, dass einzelne Unternehmen ihre Rendite pflegen und Gewinne darauf machen", sagte der FDP-Chef am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Das müsse man sich genau ansehen. "Aber wenn es eine Notwendigkeit gibt, etwas zu verändern, um dieses Instrument zielgenauer zu machen, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, dann scheuen wir uns nicht vor Korrekturen."
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sprach von einer schwierigen rechtlichen Prüfung, die es abzuwarten gelte. Sollte ein Ausschluss von Firmen rechtlich nicht möglich sein, bliebe es dabei, dass man an Unternehmen appellieren könne, die Umlage nicht wahrzunehmen.
Die Energiewirtschaft verteidigte die geplante Regelung: "Die Gas-Umlage ist in jedem Fall gerechter als der ursprüngliche Plan, die Ersatzbeschaffung für unterlassene russische Gaslieferungen nur den unmittelbar betroffenen Kundinnen und Kunden aufzubürden", betonte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae. Der Verband forderte eine gleichmäßige Verteilung der Umlage auf alle Gas-Endverbraucher: "Sowohl aus Gas produzierte Fernwärme als auch alle Gas-Festpreisverträge müssen in die Finanzierung einbezogen werden. Das ermöglicht eine faire Lastenverteilung."
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter bezeichnete die Gasumlage in ihrer jetzigen Form als Fehler und forderte eine Überarbeitung. "Die Gasumlage muss sich so verändern, dass Firmen, die gigantische Gewinne machen, schlichtweg davon nicht profitieren. Das ist nicht vermittelbar", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart".
Man habe die Gasumlage in der Bundesregierung sehr schnell und wegen der schwierigen Lage des Energieversorgers Uniper beschlossen, so Hofreiter. Es sei aber eine Stärke demokratischer Politik, Entscheidungen korrigieren zu können. "Denn Fehler passieren, und da ist eindeutig ein Fehler passiert."
Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm nannte die Diskussion um die Gasumlage verfehlt. Der Gaspreis habe sich vermehrfacht, die Gasumlage mache mit 2,4 Cent pro Kilowattstunde nur einen vergleichsweise kleinen Teil aus. "Die Gasumlage ist derzeit nicht der entscheidende Punkt", betonte sie./tob/DP/nas
Quelle: dpa-Afx