(neu: Bundesnetzagentur, aktuelle Kurse, Details zu Funkturmbau)
MÜNCHEN/MONTABAUR (dpa-AFX) - Telefonkunden in Deutschland können sich wieder auf ein viertes Handynetz freuen: Auf dem Weg zum neuen Mobilfunk-Netzbetreiber im Land hat 1&1 Drillisch
"Die Vereinbarung mit 1&1 Drillisch sorgt für langfristige Planungssicherheit und in den kommenden Jahren für signifikante Umsatz- und Ergebnisbeiträge. Unseren mittelfristigen Ausblick bestätigen wir", sagte Telefonica-Deutschland-Chef Markus Haas. Telefonica kann nun besser mit Mieteinnahmen planen und sein Netz besser auslasten. Die Gesellschaft will die Erlöse aus dem neuen National-Roaming-Abkommen ins eigene Netz investieren. Über die finanziellen Details des Deals wurde Stillschweigen vereinbart.
Die Drillisch-Papiere legten bis zum Nachmittag um fast sieben Prozent zu, der Aktienkurs der Mutter United Internet ging um rund drei Prozent nach oben. Dagegen stieg die Telefonica-Aktie nur um gut ein Prozent.
Die Bundesnetzagentur lobte den Schulterschluss und bezeichnete die Kooperation als gute Nachricht für die Mobilfunkkunden. "Jetzt ist es an 1&1 Drillisch, den Netzaufbau zu beginnen und die erworbenen Frequenzen effizient einzusetzen", sagte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.
Wann der Bau der Funktürme beginnt, bleibt aber unklar. Nach den Auflagen der Bundesnetzagentur muss 1&1 Drillisch spätestens Ende 2022 mindestens 1000 eigene 5G-Standorte betreiben. Allerdings will die Firma für die Antennenstandorte einen externen Dienstleister ins Rennen schicken - Namen hierzu sind noch nicht bekannt. Mit den Standortbetreibern und Netzwerkausrüstern könne man nun abschließend verhandeln, sagte der Chef von 1&1 Drillisch und United Internet, Ralph Dommermuth.
Durch den neuen Vertrag können 1&1 Drillisch und seine Kunden ein sogenanntes National Roaming nutzen - und damit weiterhin im Netz von Telefonica telefonieren. Der Vertrag soll zunächst fünf Jahre lang gelten und kann zweimal verlängert werden. Er umfasst die Mobilfunkstandards 2G, 3G und 4G, aber nicht den neuen Standard 5G, den 1&1 Drillisch selbst mittels neuer Mobilfunkmasten anbieten will.
Bereits im Oktober hatte Telefonica seinem Wettbewerber ein Angebot gemacht. Allerdings passten dem Unternehmen aus Maintal die Preise nicht: Nach Darstellung von 1&1 Drillisch musste letztlich die EU-Kommission die Münchner bitten, das Angebot aus dem Oktober nachzubessern. Telefonica hingegen sieht einen Kompromiss beider Seiten.
Im Zuge der Auflagen für den Erwerb von E-Plus im Jahr 2014 hatte sich Telefonica verpflichtet, bis zu 30 Prozent der Netzkapazität an einen Wettbewerber zu verkaufen. Der Vertrag mit Drillisch ermöglicht eine Überprüfung der Konditionen zweimal im Jahr. Verhandelt hatte 1&1 Drillisch auch mit der Deutschen Telekom
1&1 Drillisch ist auf die Mitnutzung eines Fremdnetzes (National Roaming) angewiesen, solange das Unternehmen selbst noch nicht genug Mobilfunkstandorte für eine ausreichende Versorgung in der Fläche hat. Dabei können sich Handynutzer in Gebieten, in denen ihr Netzbetreiber keine eigenen Antennen hat, mit einem anderen Netz verbinden. Die Mitnutzung ist eine Zwischenlösung, bis 1&1 Drillisch eigene 5G-Mobilfunkmasten gebaut hat.
Aus dem neuen Angebot ergibt sich für 1&1 Drillisch für das Geschäftsjahr 2020 ein positiver Ergebniseffekt von rund 34 Millionen Euro, der aber erst im laufenden Geschäftsjahr gebucht werden soll. Zuvor hatte das Unternehmen aber wegen "erheblicher Preiserhöhungen" für die Nutzung des Telefonica-Netzes seine Prognose für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen deutlich auf 600 Millionen Euro gesenkt, nachdem es bis dahin einen Wert auf Vorjahresniveau (683,5 Mio Euro) in Aussicht gestellt hatte.
Unterdessen meldete die Drillisch-Mutter United Internet für 2020 auf Basis vorläufiger Zahlen einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) von 1,18 Milliarden Euro erzielt zu haben. Das sind knapp 5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Allerdings fielen für die Ausbuchung nicht mehr genutzter VDSL-Kontingente hohe Kosten an, sodass inklusive Sonderposten ein operatives Ergebnis von 1,05 Milliarden Euro zu Buche stand. Für 2021 stellte das Management ein Ebitda von 1,22 Milliarden Euro in Aussicht - ohne den erwarteten Sonderertrag aus dem Telefonica-Deal.
Seine Erlöse will United Internet weiter nach oben treiben. Nach 5,36 Milliarden Euro im vergangenen Jahr soll der Umsatz 2021 auf 5,5 Milliarden Euro steigen. Zuletzt zählte das Unternehmen 25 Millionen kostenpflichtige Kundenverträge, rund 910 000 mehr als ein Jahr zuvor.
Bei der Tochter 1&1 Drillisch stieg der Umsatz im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen um 3 Prozent auf 3,79 Milliarden Euro. Der von Analysten stark beachtete Service-Umsatz stieg um 2,6 Prozent auf gut 3 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda lag wie nach der Gewinnwarnung prognostiziert bei 600 Millionen Euro, nachdem 1&1 Drillisch im Jahr zuvor noch 12 Prozent mehr vorweisen konnte. Inklusive der Sonderkosten für die Ausbuchung von VDSL-Kontingenten lag das Ergebnis (Ebitda) allerdings nur bei 470 Millionen Euro.
Für das laufende Jahr erwartet das Drillisch-Management nun einen Service-Umsatz von 3,1 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda soll um rund 8 Prozent auf 650 Millionen Euro zulegen. Eine Prognose zum gesamten Jahresumsatz gab der Vorstand nicht ab./ngu/wdw/stw/he
Quelle: dpa-Afx