(neu: Aussagen aus der Journalistenkonferenz, weiterer Hintergrund und neue Analystenstimmen, Aktienkurs aktualisiert.)
GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Der Biopharmazulieferer und Laborausrüster Sartorius
Vom Krieg in der Ukraine sei Sartorius vor allem indirekt betroffen, teilte der Dax
Sartorius habe die anziehenden Ausgaben inzwischen weitgehend über Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben können, sagte Firmenchef Kreuzburg vor Journalisten. "Wir wollen und müssen in der Balance bleiben." Somit hätten die Kostensteigerungen bisher unter dem Strich keine Auswirkungen auf die Sartorius-Zahlen. Eine Entspannung der Materialsituation erwartet der Firmenlenker absehbar in den nächsten sechs Monaten nicht. Die Lage könne sich womöglich noch zuspitzen - abhängig davon, "inwieweit die chemische Industrie mit Herausforderungen zu kämpfen hat".
Sorgen bereitet dem Sartorius-Chef deshalb vor allem das Thema Energiesicherheit. Der Konzern selbst sei inzwischen in der Lage, statt mit Gas auch mit Öl zu arbeiten. Dafür wurden etwa Dampferzeuger für Prozessenergie am Hauptstandort Göttingen entsprechend umgestellt, an den Lagerkapazitäten für Öl werde gearbeitet. Auch hier habe die Firma bislang die Kosten gut im Griff, jedoch hänge viel auch von der Lage bei Zulieferern und dem Fortschreiten der Energiekrise ab.
Anders als sonst zu dieser Jahreszeit üblich wagt Sartorius wegen der vielen Unsicherheitsfaktoren keine Einengung seiner Prognose. Kreuzburg hofft auf mehr Klarheit nach dem dritten Quartal. Der Konzern will unverändert im laufenden Jahr währungsbereinigt ein Umsatzplus von 15 bis 19 Prozent erzielen - trotz der halbierten Ziele für den Corona-Umsatz. Inzwischen rechnet das Management für 2022 nur noch mit rund 250 Millionen Euro Erlös aus pandemiebedingtem Geschäft. Zuvor war der Konzern noch - auf dem Niveau des Vorjahres - von rund einer halben Milliarde Euro ausgegangen. Die Nachfrage sinke jedoch schneller als erwartet, räumte Kreuzburg ein, treffe aber die gesamte Branche.
Gleichwohl bleibt die Auftragslage für den Konzern robust. Im ersten Halbjahr lag der Wert mit knapp 2,17 Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahr, in dem Sartorius durch die Pandemie eine Sonderkonjunktur erlebt hatte. Seinerzeit hatte vor allem die Biotechnologiesparte von der regen Nachfrage von Impfstoffforschern und -herstellern profitiert, zudem zogen viele Kunden Bestellungen vor. Entsprechend ist der Biotechnologiebereich aktuell von den rückläufigen Aufträgen betroffen. Weil aber das Kerngeschäft der Sparte weiter rund läuft, erzielte der Bereich erneut ein prozentual zweistelliges Umsatz- und Ergebnisplus.
Sartorius profitiert schon seit längerem vom Boom der Biotechnologie, die dank neuer wissenschaftlicher Ansätze wie mRNA, Gen- und Zelltherapien rasant wächst. Die Produkte des Biotechnologiegeschäfts, das hauptsächlich unter dem Dach der französischen Tochter Stedim Biotech läuft, sind gefragt - etwa Bioreaktoren und wichtige Einwegmaterialien wie Beutel und Filter. Aber auch die kleinere Laborsparte floriert - sie zeigt sich zudem weniger schwankungsanfällig und zog im ersten Halbjahr ein Fünftel mehr Aufträge an Land als vor einem Jahr.
Konzernweit stieg der Umsatz in den sechs Monaten im Jahresvergleich um knapp 27 Prozent auf rund 2,06 Milliarden Euro. In kleinerem Maße trugen hierzu auch die jüngsten Übernahmen bei. Rückenwind kam zudem vom schwächeren Euro - währungsbereinigt lag das Plus bei rund 21 Prozent. Im vergangenen Quartal ließ das Wachstumstempo zwar etwas nach, blieb aber immer noch hoch. Auch die Analystenerwartungen wurden leicht übertroffen.
Das bereinigte Betriebsergebnis (bereinigtes Ebitda) erreichte von Januar bis Juni 697,5 Millionen Euro, nach rund 555 Millionen im Vorjahr. Dabei lag die entsprechende Marge in beiden Quartalen im Rahmen der für das Gesamtjahr angepeilten Profitabilität von rund 34 Prozent. Unter dem Strich entfiel auf die Aktionäre im Halbjahr ein Gewinn von 371,5 Millionen Euro, nach 201,4 Millionen vor einem Jahr.
Berenberg-Analyst Odysseas Manesiotis lobte vor allem, dass der Ausblick trotz geringerer Beiträge der Corona-bezogenen Geschäfte beibehalten wurde. Das spreche für die beeindruckende Entwicklung in der Biotechnologie-Sparte BPS. Ähnlich argumentierte auch Analyst Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan. Er attestierte Sartorius solide Ergebnisse für das zweite Quartal.
Bei den Anlegern kamen die Resultate denn auch gut an. Die Aktien schossen am Vormittag mit zeitweise mehr als 417 Euro auf das höchste Niveau seit Ende März, zuletzt standen sie an der Dax-Spitze mit mehr als sechs Prozent auf 407,30 Euro im Plus. 2022 summieren sich die Kursverluste aber immer noch auf rund ein Drittel.
Dabei zählte Sartorius in der Pandemie zu den großen Börsen-Lieblingen. Noch Ende November 2021 hatte die Aktie ein Rekordhoch bei 631,60 Euro erreicht - nach Kursen um die 200 Euro zu Corona-Beginn. Mit der sich abzeichnenden gewissen Entspannung der Corona-Lage waren die Papiere dann aber - wie viele andere Pandemie-Profiteure auch - unter Druck geraten./tav/men/mis
Quelle: dpa-Afx