WASHINGTON (dpa-AFX) - Boeings
Am Finanzmarkt wurden die Neuigkeiten mit Erleichterung aufgenommen. Die Boeing-Aktie legte im vorbörslichen New Yorker Handel um fast sechs Prozent zu. Schon am Vortag hatte sie - beflügelt von der Aussicht auf die Wiederzulassung - mehr als acht Prozent an Wert gewonnen.
Die 737 Max war im März 2019 im Zuge zweier Abstürze mit insgesamt 346 Toten aus dem Verkehr gezogen worden. Als Hauptursache der Unglücke galt ein fehlerhaftes Steuerungsprogramm. Boeing hatte die Probleme eigentlich bereits nach dem ersten Absturz beheben wollen. Doch es traten wiederholt weitere Mängel auf, sodass es letztlich rund 20 Monate dauerte, bis die FAA das Flugverbot aufhob.
Europas Luftfahrtbehörde EASA hatte bereits Mitte Oktober erklärt, dass die 737 Max wieder ausreichend sicher sei und damit ihre Zustimmung zu einer Wiederzulassung signalisiert. Experten rechnen damit, dass die europäischen und andere internationale Aufsichtsbehörden nun ebenfalls zügig grünes Licht geben werden. Neben der EASA hatten Kanadas und Brasiliens Aufseher bereits bei Teilen des Wiederzulassungsverfahrens mit der FAA kooperiert.
Ohnehin muss sich zeigen, wie Fluggesellschaften und Passagiere die Krisenflieger annehmen. Fest steht, dass die Unglücke das Vertrauen in Boeing erschüttert und enorm am Image des Unternehmens gekratzt haben, das bis zu den Abstürzen als erfolgsverwöhnter Vorzeigekonzern und Triebkraft der US-Wirtschaft galt. Boeing war wegen des Debakels um die 737 Max massiv in die Kritik geraten und verdächtigt worden, das Modell im scharfen Wettbewerb mit Airbus
Der Abschlussbericht des US-Kongresses zu den Abstürzen kam zu dem Schluss, dass technische Fehler sowie Verheimlichungen und Aufsichtsversagen zu den Unglücken führten. Auch die FAA musste sich heftige Kritik gefallen lassen. Der Behörde wird im Abschlussbericht eine grob unzureichende Kontrolle zur Last gelegt. Die Regulierer sollen bei der ursprünglichen Zertifizierung der 737 Max die Augen zugedrückt und sich von Boeing an der Nase herumführen lassen. Heikle Interna ließen die FAA in sehr schlechtem Licht erscheinen. In brisanten Boeing-Chats hieß es zur 737 Max etwa: "Dieses Flugzeug ist von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt werden."
Das 737-Max-Desaster hat Boeing auch finanziell stark unter Druck gebracht. Der Airbus-Erzrivale konnte die 737 Max - sein bis zu den Abstürzen bestverkauftes Modell - wegen der Flugverbote seit Frühjahr 2019 nicht mehr an Kunden ausliefern. Zahlreiche Aufträge wurden storniert, Boeing entstanden etliche Milliarden an Sonderkosten. In den drei Monaten bis Ende September fiel bereits der vierte Quartalsverlust in Folge an.
Da auch die Corona-Krise Boeing zusätzlich zu schaffen macht, reagiert der Konzern auf die klamme Finanzlage mit drastischen Sparmaßnahmen und will seine Mitarbeiterzahl bis Ende 2021 auf rund 130 000 senken. Zum Vergleich: Anfang 2020 hatte Boeing noch etwa 160 000 Beschäftigte.
FAA-Chef Steve Dickson hatte stets betont, bei der Wiederzulassung der 737 Max besonders penibel zu sein. Dickson selbst ist erst seit August 2019 im Amt, übernahm die Leitung der Aufsicht also deutlich nach den Abstürzen vom Oktober 2018 und März 2019. Der FAA-Chef, der als Pilot unter anderem lange für Delta Air Lines
Im Oktober hatte die US-Luftfahrtaufsicht ihre Entwürfe für das überarbeitete Piloten-Training der 737 Max öffentlich vorgestellt. Das Feedback war jedoch nicht nur positiv. So gab es etwa deutliche Kritik der Pilotengewerkschaft. Auch Angehörige von einigen Absturzopfern äußerten Bedenken, ob die neuen Richtlinien ausreichten, um sicherzustellen, dass die als Hauptursache der Unglücke geltende Steuerungssoftware MCAS künftig besser von Flugcrews beherrschbar sei. Einer der großen Kritikpunkte war, dass Piloten nicht in der Lage waren, die Automatik bei Notfällen zu übersteuern.
Auch wenn die Wiederzulassung der 737 Max für Boeing eine große Erleichterung ist, blickt der US-Flugzeugriese weiter äußerst schwierigen Zeiten entgegen. Die Corona-Pandemie, die weite Teile des Luftverkehrs lahmgelegt und viele Fluggesellschaften in Finanznot gebracht hat, dürfte noch deutlich länger belasten. Der Konzern rechnet mit einer Durststrecke, die die Nachfrage nach Flugzeugen dauerhaft dämpfen wird. Boeing geht davon aus, dass es etwa drei Jahre dauern wird, um das Niveau von 2019 wieder zu erreichen. Bis die Luftfahrtbranche zu ihrem langfristigen Wachstumstrend zurückkehre, dürften fünf oder sogar mehr Jahre vergehen./hbr/DP/stw
Quelle: dpa-Afx