ZÜRICH (dpa-AFX) - Beim letzten Aktionärstreffen der Krisenbank Credit Suisse haben die Anteilseigner ihrer Wut und Enttäuschung über das Ende des Geldhauses Luft gemacht. Ihr Ärger bezog sich nicht nur auf den Niedergang des fast 167 Jahre alten Instituts, sondern auch das Vorgehen des Staates und des Managements bei der geplanten Notübernahme durch die größere Rivalin UBS. So stimmte nur gut die Hälfte der Aktionäre für die Wiederwahl von Verwaltungsratschef Axel Lehmann. Für die Vergütung der Konzernleitung um Bankchef Ulrich Körner für die Zeit bis zum Vollzug der Übernahme fand sich gar keine Mehrheit. Bei dem Geschäft selbst haben die Anteilseigner nicht mitzureden.
Die Führungsspitze der Bank verteidigte die Übernahme durch UBS als einzig gangbaren Weg. "Bis zuletzt haben wir um Lösungen gerungen. Doch zum Schluss gab es nur noch die Option 'Deal' oder 'Konkurs'", sagte Lehmann auf der Hauptversammlung am Dienstag in Zürich. Er bat um Entschuldigung dafür, "dass wir den über Jahre hinweg angestauten Vertrauensverlust nicht mehr aufhalten konnten".
Die UBS soll Credit Suisse im Laufe der nächsten Monate für drei Milliarden Schweizer Franken (gut 3 Mrd Euro) übernehmen. Dieser Schritt als Alternative zum Konkurs sei extrem wichtig gewesen, sagte Bankchef Ulrich Körner. "Der Zusammenbruch der Credit Suisse wäre für die Weltwirtschaft und für die Schweiz eine Katastrophe gewesen."
Eine Katastrophe sehen viele Credit-Suisse-Aktionäre auch in ihren Depots. Mit dem festgelegten Übernahmepreis, der in UBS-Aktien ausbezahlt wird, verbüßen die Anteilseigner der Krisenbank bei ihren Anteilen allein im laufenden Jahr einen Verlust von rund 70 Prozent. Bereits in den Vorjahren hatten die Aktien von Credit Suisse immens an Wert verloren, nachdem das Institut nach der weltweiten Finanzkrise von 2008 noch als Vorzeigebank gegolten hatte.
Anteilseigner zeigten sich verbittert und forderten Konsequenzen. "Ich fühle mich als Aktionär - ja auf Schweizerdeutsch sagt man - beschissen", so ein Aktieninhaber. Nicht zuletzt seien bei der Überwachung der Bank schwere Fehler gemacht worden. "Sie haben diesem Land geschadet", sagte ein anderer: "Ich schäme mich als ehemaliger Mitarbeiter und als Aktionär der Credit Suisse, diesen gesamten Schlamassel nicht verhindert haben zu können."
Ein weiterer Aktionär kritisierte die "Misswirtschaft" und die bisherige Bonus-Kultur des Hauses, die trotz schwacher Ergebnisse zu üppigen Ausschüttungen an Manager und andere Mitarbeiter geführt hatte. Verwaltungsratschef Lehmann zeigte Verständnis für die Kritik. "Wir waren dran, diesen Punkt genau zu adressieren: Wenn es gut läuft, gibt es Bonus, und wenn es schlecht läuft, gibt es keinen."
Auch für die staatliche Eilaktion zur Rettung hagelte es Kritik. Die Sache sei schneller beschlossen worden, als andere Menschen brauchten, um ein Smartphone einzurichten, sagte ein Aktionär.
Die Aktionärsvereinigung Ethos forderte, die Verantwortlichkeiten für die herbe Schieflage der Bank festzustellen. "Wir haben alle einen irreversiblen finanziellen Schaden erlitten", sagte deren Vertreter Vincent Kaufmann. Zwar sei das Eingreifen der Behörden nötig gewesen. Allerdings sei nicht einzusehen, dass Credit Suisse nur noch einen Bruchteil ihres Eigenkapitals wert sein solle.
Laut Lehmann hat die Bank keine Klagen gegen ehemalige Verantwortungsträger - also Manager oder Verwaltungsräte - eingereicht. Boni, die noch nicht ausgezahlt wurden, würden jedoch überprüft. Der Antrag eines Aktionärs auf eine Sonderprüfung im Zusammenhang mit der Übernahme fand nur wenig Zustimmung.
Unterdessen wählten die Aktionäre Lehmann mit 55,7 Prozent wieder zum Verwaltungsratschef, auch die anderen Mitglieder des verkleinerten Gremiums erhielten eine Mehrheit. Insgesamt waren rund 1700 Aktionäre zugegen - deutlich mehr als bei der letzten Präsenzveranstaltung im Jahr 2019 vor der dreijährigen Corona-Pause. Unterdessen lehnten die Aktionäre den Fixlohn für die Konzernleitung für die Zeit bis zur Übernahme ab. Jetzt müsse das Aufsichtsgremium die nächsten Schritte prüfen, sagte Lehmann. Derweil genehmigten die Anteilseigner die Vergütung des Verwaltungsrats, wenn auch nur knapp.
Über andere wichtige Tagesordnungspunkte wie die Entlastung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung wurde wegen der staatlich verfügten Rettung der Bank nicht abgestimmt. Das galt auch für die ursprünglich vorgesehene Ausschüttung einer Dividende. Auch über die Boni für das Management wurde nicht entschieden.
Die Hauptversammlung ist die letzte in der mehr als 166-jährigen Geschichte von Credit Suisse. Das Schicksal der Bank ist mit der Übernahme durch UBS besiegelt. Bankchef Körner begründete den Beinahe-Untergang vor allem mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in den USA. Diese hätten zu globalen Schockwellen und zu einem immensen Vertrauensverlust in der Finanzbranche geführt. Schon zuvor sei Credit Suisse durch die starken Abflüsse von Kundengeldern im Oktober 2022 "substanziell geschwächt" gewesen.
"Was uns Ende 2022 noch einmal gelang, das Herumreißen des Steuers, war uns dieses Mal leider nicht mehr möglich", sagte Körner. Dies bedauere er "persönlich zutiefst". Lehmann und Körner sind erst seit 2022 im Amt, konnten den Absturz der Bank aber nicht mehr verhindern.
Nach Skandalen, Kritik wegen eines schlechten Risikomanagements und Geldabflüssen in dreistelliger Milliardenhöhe war Credit Suisse Ende März durch einen staatlich organisierten Notverkauf an UBS gerettet worden. Noch ist die Übernahme nicht vollzogen. Ermöglicht wurde das Geschäft durch eine staatliche Verlustgarantie von neun Milliarden Franken sowie Liquiditätszusagen im Umfang von bis zu 200 Milliarden Franken. Es ist die größte Bankenübernahme in Europa seit der globalen Finanzkrise vor 15 Jahren./stw/mrd/ys/tp/jb/AWP/jsl/he
Quelle: dpa-Afx