(Neu: Äußerungen aus der Telefonkonferenz mit Analysten im vierten Absatz, Details zu Glyphosat in den letzten beiden Absätzen, Kursentwicklung aktualisiert)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Bayer
Zuletzt ging es um mehr als vier Prozent auf gut 61 Euro nach oben, was einen der vorderen Plätze im Dax bedeutete. Die wegen des Glyphosat-Rechtsstreits in den USA in den letzten Jahren arg gebeutelten Papiere haben in diesem Jahr einen guten Lauf. Sie profitierten vom starken Agrarumfeld, besseren Perspektiven für die Pharmasparte und der Hoffnung auf eine Lösung in der Causa Glyphosat. Trotz des Rückschlags seit Mitte April summieren sich die Kursgewinne 2022 immer noch auf rund 30 Prozent.
"Für den weiteren Jahresverlauf sind wir trotz der hohen Unsicherheit, unter anderem in Bezug auf die Stabilität der Lieferketten und der Energieversorgung, zuversichtlich und bestätigen die im März veröffentlichte währungsbereinigte Prognose für das Gesamtjahr", sagte Unternehmenschef Werner Baumann laut Mitteilung anlässlich der Zahlenvorlage am Dienstag in Leverkusen.
In einer Telefonkonferenz mit Analysten am frühen Nachmittag betonte die Unternehmensführung dann, dass beim Ausblick die vielen konjunkturellen Unwägbarkeiten für die kommenden Monate eine Rolle spielten. Sollte das Umfeld bleiben, wie es derzeit sei, würde es sehr gut aussehen.
Der Konzernumsatz stieg den Angaben zufolge im ersten Quartal um fast ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr auf 14,6 Milliarden Euro. Währungseffekte und Zu- sowie Verkäufe von Unternehmensteilen herausgerechnet, ergibt sich ein Plus von gut 14 Prozent. Das operative Ergebnis (Ebitda) vor Sondereffekten legte von Januar bis März im Jahresvergleich um mehr als ein Viertel auf 5,25 Milliarden Euro zu. Unter dem Strich blieben zum Jahresstart 3,3 Milliarden Euro hängen, nach 2,1 Milliarden vor einem Jahr.
Baumann hatte die Aktionäre auf der Hauptversammlung Ende April bereits auf einen positiven Auftakt eingestellt. Es zeichne sich ab, "dass wir trotz aller Unsicherheiten in der Welt sehr erfolgreich ins Jahr gestartet sind", hatte der Bayer-Chef dabei gesagt. "Gerade im Agrargeschäft sehen wir ein deutlich positiveres Marktumfeld als in den vergangenen Jahren."
Die Agrarsparte steigerte den Umsatz im ersten Quartal denn auch aus eigener Kraft um mehr als ein Fünftel 8,4 Milliarden Euro, inklusive Währungseffekten war es noch etwas mehr. Dabei wuchs das Geschäft mit Herbiziden um fast 60 Prozent. Rückenwind lieferte hier auch der Preis für den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat, der vor allem in der zweiten Hälfte 2021 stark gestiegen war. Zuletzt kam er zwar ein wenig zurück, liegt aber immer noch deutlich über dem Niveau von vor einem Jahr. Und auch Maissaat verkaufte sich gut, hier konnte Bayer Preiserhöhungen in allen Regionen durchsetzen. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen der Sparte schnellte um die Hälfte auf fast 3,7 Milliarden Euro nach oben.
Dank dieses starken Abschneidens der Agrarsparte in deren wichtigstem Quartal habe Bayer im ersten Quartal die Erwartungen übertroffen, erklärte Analyst Andreas Heine vom Investmenthaus Stifel in einer Studie. Das stimme zuversichtlich, dass Bayer den Jahresausblick für diesen Geschäftsbereich übertreffen könne. Experte Keyur Parekh von der Investmentbank Goldman Sachs sieht in puncto Konzernjahresausblick nun eher Chancen nach oben als Risiken nach unten.
In der Pharmasparte fiel das bereinigte operative Ergebnis hingegen - bei einem kleinen Umsatzplus - um gut sieben Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Das hängt allerdings auch damit zusammen, dass das Unternehmen aktuell viel Geld für die Vermarktung neuer Medikamente ausgibt, insbesondere für das Nierenmedikament für Diabetiker Kerendia und für Nubeqa gegen Prostatakrebs. Zudem liefen die Geschäfte mit dem Kassenschlager Xarelto schlechter als von Analysten erwartet. Der Gerinnungshemmer, mit Abstand umsatzstärkstes Medikament von Bayer, erlöste knapp 1,1 Milliarden Euro. Während ein Umsatzrückgang in China wegen dortiger Preissenkungen erwartet worden sein, komme der Rückgang in den USA überraschend, erklärte Stifel-Analyst Heine.
Die kleinste Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente profitierte hingegen von der Aufhebung zahlreicher Corona-Beschränkungen in vielen Ländern. Die Menschen gingen mehr aus, auch ohne Maske und fingen sich damit wieder mehr Erkältungen ein. Das operative Ergebnis von Consumer Health stieg um ein Drittel auf 388 Millionen Euro.
Für das Jahr 2022 insgesamt rechnet Bayer weiterhin auf Basis konstanter Wechselkurse und portfoliobereinigt mit einem Wachstum des Konzernumsatzes um rund 5 Prozent auf etwa 46 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis soll sich auf etwa 12 Milliarden Euro verbessern. 2021 waren es 11,2 Milliarden. Der freie Mittelzufluss soll demnach 2022 währungsbereinigt sowie nach Abzug von Vergleichszahlungen im US-Glyphosatstreit etwa 2 bis 2,5 Milliarden Euro erreichen - nach 1,4 Milliarden im vergangenen Jahr.
Mit Blick auf das Glyphosat-Thema wird es voraussichtlich zum Sommer hin spannend. In dem bereits milliardenteuren Streit um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter kann sich Bayer seit Ende vergangenen Jahres durchaus Hoffnung machen. Denn das oberste US-Gericht könnte einen wegweisenden Fall in der Causa zur Überprüfung annehmen. Zunächst aber will der US Supreme Court die Meinung der US-Regierung einholen, vertreten durch den sogenannten Solicitor General. Der bekleidet einen der Top-Posten im US-Justizministerium und ist so etwas wie der oberste Anwalt der USA, der die Regierung unter anderem vor dem obersten US-Gericht vertritt.
Bayer-Chef Baumann erklärte am Dienstag abermals, dass es keinen festen Zeitplan für die Entscheidung des Solicitor General gebe. Experten halten eine Entscheidung aber noch vor dem Sommer für möglich, im Anschluss entscheiden dann die Richter, ob sie den Fall annehmen. Sollte es zur Verhandlung kommen, hätte das Urteil Signalwirkung. Von einem möglichen Sieg versprechen sich die Leverkusener, die Streitigkeiten im Grunde beenden zu können./mis/tav/eas
Quelle: dpa-Afx