(neu: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Deutscher Städtetag)
BERLIN (dpa-AFX) - Der schwedisch-britische Pharmakonzern Astrazeneca
Die Bewertung des Astrazeneca-Stoffs wird laut Mitteilung der EMA vom Dienstag "in einem beschleunigten Zeitrahmen" erfolgen. Die EU-Kommission hat bis zu 400 Millionen Dosen des Mittels für die 27 Mitgliedstaaten bestellt. Davon sollen 56 Millionen Dosen nach Deutschland gehen. Großbritannien setzt den Impfstoff bereits seit gut einer Woche ein.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Ankündigung als gute Nachricht. Die EMA werde die Sicherheit und Wirksamkeit beurteilen. "Sobald der Impfstoff eine positive wissenschaftliche Beurteilung erhält, werden wir mit vollem Tempo daran arbeiten, die Nutzung in Europa zuzulassen", schrieb von der Leyen auf Twitter.
Astrazeneca könnte "möglicherweise bis zum Ende des Monats eine Zulassung haben", sagte die für Gesundheit zuständige Generaldirektorin der Kommission, Sandra Gallina, in einer Anhörung im EU-Parlament. Der 29. Januar könnte der Tag der Genehmigung sein. Doch sei die EMA unabhängig in ihrer Bewertung. Die Knappheit bei Corona-Impfstoffen dürfte demnach in wenigen Wochen nachlassen. "Im zweiten Quartal werden wir alle Impfstoffe bekommen, die wir haben wollen", sagte Gallina.
Der Konzern Astrazeneca entwickelte das Vakzin gemeinsam mit der renommierten britischen Universität Oxford. Anders als die Impfstoffe der Mainzer Firma Biontech und des Pharmakonzerns Pfizer
Der vielversprechende Wirkstoff AZD1222 beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Ein großer Vorteil des Impfstoffes ist, dass man ihn den Angaben zufolge bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad aufbewahren kann. Außerdem ist das Mittel Berichten zufolge viel preiswerter als die von Biontech oder Moderna.
Der Corona-Impfstoff des US-Herstellers Moderna sollte laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch am Dienstag an die Bundesländer gehen. Dann könnten die Impfzentren beginnen, auch dieses Präparat zu impfen, kündigte der CDU-Politiker am Montag im ZDF an. Bis Ende des Quartals rechne er mit zwei Millionen Dosen von Moderna für Deutschland, im Laufe des Jahres mit 50 Millionen Dosen.
Unterdessen sorgte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit einer Äußerung zu einer möglichen Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen für Diskussionen. "Wir müssen uns überlegen, ob wir für die besonders hochsensiblen Bereiche, das sind die Alten- und Pflegeheime, den Schutz besonders erhöhen", sagte Söder am Dienstagmorgen im ZDF-"Morgenmagazin". Der deutsche Ethikrat solle sich mit der Frage beschäftigen. Zuvor hatte sich der CSU-Chef bereits in der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag) entsprechend geäußert.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnte eine solche Impfpflicht für Pflegekräfte ab. "Im Moment über eine Impfpflicht zu spekulieren, verbietet sich", sagte Heil am Dienstagmorgen in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv. Die bisherige Entscheidung gegen eine Impfpflicht halte er für richtig. Auch Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, äußerte sich ablehnend. "Ich bin kein Freund einer Impfpflicht", sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine "deutliche Empfehlung" für eine Impfung sei sinnvoll.
Aus Sicht des Deutschen Städtetags kommt die Debatte zu früh. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte im SWR2-"Tagesgespräch", man habe noch nicht alle Möglichkeiten ausgereizt, um Überzeugungsarbeit zu leisten. "Und jetzt zu sagen, wir können euch nicht überzeugen, also zwingen wir euch - das kommt mir ein bisschen früh", sagte Dedy. Auch die Stiftung Patientenschutz lehnte eine solche Debatte ab. "Das spielt den Impfgegnern und Skeptikern in die Hände", sagte der Vorstand Eugen Brysch dem RND.
Am Dienstag meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 12 802 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 891 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Dienstagmorgen bekanntgab. Die Interpretation der Daten ist weiterhin schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel herum Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden./si/DP/stw
Quelle: dpa-Afx