(neu: Daten zu Finerenon, Schlusskurs)
BERLIN (dpa-AFX) - Bayer
Mit einem Kursplus von mehr als drei Prozent kostete die Aktie erstmals seit Juli 2020 wieder mehr als 65 Euro. Sie schloss bei 65,07 Euro. Seit Jahresbeginn liegen die Gewinne bei gut 38 Prozent. Anleger, die den Anteilschein jedoch schon seit fünf Jahren im Depot haben, verbuchen noch einen Verlust von knapp 40 Prozent.
Analysten zeigten sich von den Daten positiv überrascht. Im Falle einer Zulassung könnte das Mittel laut Analyst Alistair Campbell vom Investmenthaus Liberum ein noch größerer Erfolg werden als der Kassenschlager Xarelto, der jedes Jahr Milliardenumsätze in die Bayer-Kassen spült.
Die britische Bank Barclays reagierte prompt und stufte die Aktie hoch. Neue Erkenntnisse zum Wirkstoff Asundexian verbesserten die Perspektive für die Pharma-Produktpipeline, schrieb Analystin Emily Field. Parallel laufe das Agrar-Geschäft auf vollen Touren und die Wahrscheinlichkeit einer Lösung im Glyphosat-Rechtsstreit werde größer.
Die Aktie werde noch immer mit einem deutlichen Abschlag zu anderen großen europäischen Pharmawerten gehandelt, so die Barclays-Analystin. Deshalb stufte die britische Bank das Bayer-Papier von "Equal Weight" auf "Overweight" hoch und hob auch das Kursziel deutlich auf 85 Euro an.
JPMorgan-Analyst Richard Vosser stufte die Daten und das gezeigte geringere Blutungsrisiko im Vergleich zum Mittel Eliquis als sehr positiv ein. Nach Einschätzung von Vosser hat Asundexian ein Umsatz-Potenzial, das leicht fünf Milliarden Euro erreichen könnte. Selbst bei einer risikobereinigten Schätzung von 2,5 Milliarden Euro bis 2030 würde sich die Prognose für den Kerngewinn je Aktie um etwa zehn Prozent erhöhen. Dies könne zu einem Wachstumspotenzial im Gesundheitsgeschäft auch nach dem Ablauf des Xarelto-Patents 2026/2027 führen.
Konkret seien in der Pacific-AF-Studie die Blutungsraten für den primären Endpunkt (schwere und klinisch relevante nicht schwere Blutung nach den Kriterien der Fachorganisation ISTH) um 67 Prozent reduziert gewesen, teilte Bayer am Wochenende mit. Bei der Studie ging es zunächst insbesondere um den Vergleich der Sicherheit. Unterschiede beim Auftreten thrombotischer Ereignisse, also etwa eines Schlaganfalls, sind Thema weiterer Studien. Die Ergebnisse stellte Bayer am Sonntag auf einer Kardiologentagung in den USA vor.
Asundexian ist ein sogenannter Faktor XI-Hemmer, eine noch junge Wirkstoffklasse, von der sich Experten geringere Blutungsrisiken als bei aktuellen Blutgerinnungshemmern wie Apixaban (Handelsname Eliquis) von Bristol-Myers Squibb (BMS) und Pfizer sowie Xarelto von Bayer versprechen.
Bayer untersucht Asundexian auch für andere Indikationen in Phase-II-Studien: Für kürzlich aufgetretene Herzinfarkte sowie für den Einsatz zur Sekundärprävention bei Patienten mit nicht-kardioembolischem ischämischem Schlaganfall. Für letztere Indikation erhielt der Dax-Konzern im Februar von der US-Gesundheitsbehörde FDA den "Fast Track"-Status. Mit diesem können Pharmaunternehmen ihre Kandidaten unter bestimmten Voraussetzungen perspektivisch schneller auf den Markt bringen.
Ein Erfolg von Asundexian auch in den möglichen Phase-III-Studien und damit die Aussicht auf eine Zulassung ist für Bayer sehr wichtig. So laufen Patente für Xarelto in den kommenden Jahren nach und nach aus. Dann können Wettbewerber Nachahmermedikamente verkaufen, was bei Bayer auf den Umsatz drückt.
Bedeutend wäre das neue Medikament für Bayer auch, weil es aktuell ohne Partner entwickelt werde, schreibt Liberum-Analyst Campbell. Umsätze damit müssten also nicht geteilt werden - anders als bei Xarelto, das außerhalb der USA von Bayer, aber innerhalb des wichtigen US-Marktes vom Konkurrenten Johnson & Johnson vermarktet wird.
Vielmehr hat sich Johnson & Johnson mit Bristol-Myers Squibb (BMS) zusammengetan, um den potenziellen Asundexian-Konkurrenten Milvexian weiterzuentwickeln. Zu diesem Mittel hatte es bereits im Herbst Phase-II-Studiendaten gegeben. BMS ist mit seinem Faktor XI-Gerinnungshemmer damit Bayer in der klinischen Entwicklung ungefähr sechs bis zwölf Monate voraus, wie Campbell schreibt.
Derweil untersucht Bayer auch Xarelto für weitere Indikationen. Eine Studie zeige beim Gerinnungshemmer einen größeren klinischen Gesamtnutzen und ein verringertes Risiko für Nierenversagen im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten, wie Bayer am Montag mitteilte.
Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung hätten nach einer Beobachtungszeit von mindestens einem Jahr nach der Einnahme von Xarelto weniger Schlaganfälle und andere thromboembolische Ereignisse sowie weniger schwere Blutungen gehabt. Zudem sei es zu einer geringeren Sterblichkeit gekommen, hieß es weiter. Nicht valvuläres Vorhofflimmern wird nicht von Herzklappenproblemen verursacht und gilt als häufigste Art von Vorhofflimmern.
Xarelto mit dem Wirkstoff Rivaroxaban ist seit 2008 auf dem Markt. Es wird zur Prävention von Blutgerinnseln und von Schlaganfällen eingesetzt und ist der wichtigste Umsatzbringer im Bayer-Pharmageschäft. 2021 erlöste der Pharma- und Agrarchemiekonzern mit dem Medikament gut 4,7 Milliarden Euro. Das sind rund ein Viertel der gesamten Pharmaerlöse und knapp zehn Prozent des Konzernumsatzes.
Am Montagabend legte Bayer zudem noch neue Daten für sein Diabetes-Medikament Kerendia vor. Der Pharmakonzern hatte mehrere Phase-III-Studien mit Blick auf kardiovaskuläre und renale (die Nieren betreffende) Ereignisse analysiert. Bei dieser Subgruppenanalyse sei beobachtet worden, dass der Wirkstoff Finerenon das Risiko solcher Ereignisse kardiovaskulärer und renaler Ereignisse im Vergleich zu einem Placebo verringere, hieß es.
Kerendia hat im Februar 2022 von der Europäischen Union die Zulassung zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung in Verbindung mit Typ-2-Diabetes erhalten. Im März erhielt das Medikament die Marktzulassung in Japan. Zuvor war es im Juli 2021 bereits in den USA genehmigt worden. Der Wirkstoff Finerenon sei in mehreren anderen Ländern weltweit zur Marktzulassung eingereicht wurden, diese Anträge würden derzeit geprüft. In Deutschland ist das Mittel noch nicht auf dem Markt./mis/mne/lew/jha/nas/he
Quelle: dpa-Afx