(neu: Im 2. Absatz weitere Äußerungen GDL-Chef Weselsky.)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) setzt ihren Streik bei der Deutschen Bahn konsequent fort. Nachdem der Ausstand am Mittwoch erhebliche Probleme im Nah- und Fernverkehr verursacht hat, rechnet die Bahn auch bis zum angekündigten Streikende in der Nacht zum Freitag mit zahlreichen Zugausfällen. Auf Pendler und Touristen kommen daher auch an diesem Donnerstag Probleme zu. Nach dem Ersatzfahrplan werden erneut drei Viertel der Fernzüge nicht fahren, während es in den Regio-Netzen zu unterschiedlich Störungen kommen soll. Die Bahn setzt nach eigenen Angaben alles daran, am Freitag wieder den Regelbetrieb zu fahren.
GDL-Chef Claus Weselsky drohte mit weiteren Streiks. Man werde mit der ersten Maßnahme nicht durchkommen, sagte er vor Gewerkschaftern in Berlin. "Von daher brauchen wir einen langen Atem." Insbesondere die von der Bahn vorgeschlagene lange Laufzeit von 40 Monaten müsse vom Tisch. Zu seinen Gefolgsleuten sagte Weselsky: "Ich verspreche Euch nicht, dass es am Freitag schon vorbei ist. Aber wir gehen sorgsam mit unserer Tarifmacht um." Eine Entscheidung über weitere Arbeitskampfmaßnahmen soll in der kommenden Woche fallen.
Zusätzliche Sorgen bereitet in Corona-Zeiten der Platzmangel in den wenigen verbliebenen Zügen. "Die Züge werden dadurch natürlich voller als sie es sonst sind. Das macht die Sache nicht gerade leichter, denn wir versuchen ja in Pandemiezeiten möglichst viel Abstand zu bieten", sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Er kritisierte die GDL für die kurzfristige Streikankündigung. "Das ist unverantwortlich von der Lokführergewerkschaft, nur 15 Stunden Zeit zu lassen zwischen Streikankündigung und Streikbeginn."
Laut Bahn gefährdet der Streik auch die Lieferketten der deutschen und europäischen Industrie. Momentan stünden rund 190 Güterzüge im Stau, berichtete das Staatsunternehmen. Mit großem Aufwand und enger Zusammenarbeit mit anderen Bahnbetrieben fahre die Güterverkehrs-Tochter DB Cargo die versorgungsrelevanten Züge etwa zu Kraftwerken oder großen Industriebetrieben.
Viele Reisende hatten die GDL-Ankündigung vom Dienstagvormittag mitbekommen und stiegen auf andere Verkehrsmittel um. Wegen des Passagierandrangs setzt die Lufthansa
Auch Fernbus-Anbieter Flixbus sowie Mietwagen-Anbieter verzeichneten eine deutlich erhöhte Nachfrage. Damit stiegen auch die Preise. Flixbus wie Lufthansa arbeiten mit automatisierten Buchungssystemen, die teurere Buchungsklassen aufmachen, wenn die Plätze knapp werden. Ungewöhnlich lange Staus gab es im Berufsverkehr hingegen nicht. In der Mehrzahl der Bundesländer sind Schulferien.
Im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen fielen zehn Linien der DB Regio sowie zwei S-Bahn-Verbindungen ganz aus. In vielen anderen Ballungsräumen wie Frankfurt oder Stuttgart fuhren die S-Bahnen nur im Stundentakt. Die Bahn sprach von 40 Prozent Angebot im Regionalverkehr.
Urlauber waren beispielsweise auf den Wegen zu den Inseln Usedom und Sylt betroffen und in Erfurt standen die Menschen bis auf die Straße Schlange am DB-Reisezentrum. Wenn doch einmal ein Fernzug einfuhr, hieß es "Zug stark ausgelastet. Ohne Reservierung keine Mitfahrt möglich". Auf manchen Strecken waren auch Ersatzbusse im Einsatz, etwa zwischen Leipzig und Nürnberg sowie Berlin-Dresden. Im Osten ist die GDL traditionell schlagkräftiger, weil im Westen noch mehr Beamte aus Bundesbahn-Zeiten tätig sind und nicht streiken dürfen.
Nicht bestreikt wurden Konkurrenten der Deutschen Bahn, die im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile haben. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen möglich, wenn sich auch Fahrdienstleiter dem GDL-Streik anschließen. Im Güterverkehr sei bei den Bahnkonkurrenten am Mittwoch aber alles normal gelaufen, hieß es vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen. Für die Personenbahnen berichtete der Verband Mofair nur von vereinzelten Störungen in Berlin, Memmingen und Unna.
Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL bei den Mitarbeitern im Machtkampf mit der EVG punkten.
Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. "Wir erwarten Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit", sagte Weselsky. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsrenten wird gerungen. Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
EVG-Chef Klaus Hommel warf der GDL vor, nur eine Minderheit in der Bahn-Belegschaft zu vertreten. "Für den Streik haben nach unseren Berechnungen so um die 5000 Bahnbeschäftigte gestimmt." Ihm sei aus dem Unternehmen sehr viel Unverständnis für den Streik der Lokführer vermittelt worden, sagte Hommel. In dem Arbeitskampf gehe es nicht um eine normale Tarifrunde, sondern um den Existenzkampf der GDL. Deren Chef Weselsky habe das Ziel ausgegeben, die größere EVG aus dem Unternehmen zu drängen./bf/ceb/DP/men
Quelle: dpa-Afx