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STUTTGART (dpa-AFX) - Manchmal ändert sich der Blick auf die Welt innerhalb von nur einem Jahr gewaltig. Noch im Juli 2020 schien der Stuttgarter Auto- und Lastwagenbauer Daimler
Noch ein Jahr zuvor hatten die Stuttgarter wegen des Einbruchs der Automärkte in der Pandemie einen operativen Verlust von 1,7 Millionen Euro ausgewiesen und unter dem Strich sogar ein Minus von 1,9 Milliarden Euro angehäuft. Es herrschte zeitweilig Alarmstimmung, der ohnehin eingeleitete Sparkurs bei Daimler wurde nochmals massiv verschärft, und die Sorge vor einer andauernden Flaute war spürbar. Nicht nur Mitarbeiter des Stuttgarter Konzerns fürchteten unruhigere Zeiten, auch die Politik wurde hellhörig, sind Autobauer und -zulieferer doch maßgebliche Wirtschaftsmotoren.
Im Rückblick war die Nervosität übertrieben und womöglich auch unbegründet, denn vor allem Premiumhersteller wie Daimler mit seiner Pkw-Stammmarke Mercedes-Benz erfreuten sich nach dem coronabedingten Einbruch wieder schnell einer stark wachsenden Nachfrage.
Der Konzern verkaufte im ersten Halbjahr rund 1,16 Millionen Mercedes-Autos - und verpasste damit seinen Absatzbestwert aus dem Jahr 2018 nur knapp. In ihrem wichtigsten Markt China konnten die Schwaben einen Verkaufsrekord vermelden, hier stieg die Zahl der verkauften Mercedes-Pkw auf mehr als etwa 440 000. Welche Auswirkungen das alles auf den Umsatz und den Nettogewinn im zweiten Quartal hatte, will der Konzern an diesem Mittwoch (21. Juli) bekanntgeben.
Längst nicht nur Daimler profitiert von dem Marktaufschwung, mit BMW
Der Vergleich mit Volkswagen war es denn unter anderem auch, der den Effekt der starken Quartalszahlen auf Daimler am Donnerstag an der Börse schnell wieder verpuffen ließ. Nach dem zuletzt guten Lauf der Aktien reichten die vorläufigen Quartalszahlen nicht für eine Fortsetzung der Erholung. Nach bis zu 1,8 Prozent Plus im frühen Handel setzten Gewinnmitnahmen ein und so drehte der Daimler-Kurs mit dem schwachen Marktumfeld ins Minus. Am frühen Nachmittag gaben die Papiere um rund 0,3 Prozent auf 73,25 Euro nach.
Analysten lobten zwar das starke Abschneiden von Daimler. Dieses erstreckt sich laut Jefferies-Analyst Philippe Houchois über sämtliche Sparten. Und Stifel-Analyst Daniel Schwarz erinnerte daran, dass das abgeschlossene Quartal mittlerweile das vierte in Folge sei, dass die Stuttgarter besser als prognostiziert abgeschlossen hätten. Ein Börsianer schränkte indes ein, dass das Ausmaß der positiven Überraschung nicht an die extrem guten Resultate von VW heranreiche. Die Wolfsburger hatten für das erste Halbjahr ein Betriebsergebnis von rund 11 Milliarden Euro verkündet.
Außerdem monierte der Marktteilnehmer, dass sich Daimler anders als der Hersteller aus Niedersachsen in seiner Mitteilung nicht auf neue Aussagen zum Ausblick eingelassen habe. VW hatte zuletzt sein mittelfristiges Renditeziel für 2025 angehoben.
Die Autobauer behelfen sich angesichts der knappen Ressourcen derzeit unter anderem damit, dass sie gewinnträchtigere Modelle bevorzugt mit den knappen Teilen bestücken. So profitiert auch Daimler davon, dass Kunden mehr und mehr zu größeren Autos greifen und der Konzern auf dem Markt hohe Preise durchsetzen kann.
Obendrein machen sich gerade beim operativen Gewinn inzwischen die Auswirkungen etlicher Sparprogramme bemerkbar, die sich Daimler in den Vorjahren auferlegt hatte. Die Unternehmensspitze hatte den Abbau Zehntausender Jobs auf den Weg gebracht, als Gründe hatten ihr der Umbau von Verbrennungs- zu Elektromotoren und die Corona-Folgen gedient. Gewerkschaften und Betriebsräte hatten Einschnitte akzeptiert, auch weil der Konzern Mitte 2020 tiefrote Zahlen schrieb und etliche Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken musste.
Die Kurzarbeit ist bei Daimler im Jahr 2021 immer noch ein Thema, allerdings in ganz anderem Umfang und auch aus einem anderen Grund: Wegen der Chipkrise stoppt das Unternehmen seit Monaten immer mal wieder die Produktion in einzelnen Werken und schickt Tausende Mitarbeiter in solche vor allem staatlich bezahlten Auszeiten.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt, insbesondere der Abbau Zehntausender Stellen habe das Unternehmen verschlankt und zu einer signifikanten Kostenersparnis geführt, die auch im operativen Ergebnis sichtbar werde. Zumal Einmalkosten für allerhand Abfindungen bereits zum Großteil in der 2020er-Bilanz gesteckt hätten.
Den mit weitem Abstand größten Teil seines Geldes verdient Daimler übrigens nach wie vor mit klassischen Verbrennerfahrzeugen. Die Zahl der verkauften vollelektrischen Pkw machte im ersten Halbjahr gerade mal etwas mehr als 3 Prozent aller ausgelieferten Autos aus. Wie der sich anbahnende Kampf um die Vorherrschaft im E-Zeitalter ausgeht, ist offen. Daimler hat sich bisher vorgenommen, dass spätestens 2039 die gesamte Mercedes-Neuwagenflotte CO2-neutral sein soll, andere Wettbewerber haben allerdings schon mutigere Ziele formuliert. Ob die Stuttgarter nachziehen? Für den 22. Juli hat Konzernchef Ola Källenius ein Strategieupdate zur Elektrooffensive angekündigt./mbr/DP/tav/jha/
Quelle: dpa-Afx