(neu: EU hat Liste der betroffenen US-Produkte veröffentlicht)
BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Die EU führt ungeachtet des bevorstehenden Machtwechsels im Weißen Haus neue Strafzölle auf Waren aus den USA ein. Die von der Welthandelsorganisation WTO genehmigten Sonderabgaben wegen unerlaubter Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing
Politisch sollen die Strafzölle die USA im transatlantischen Streit um Zuschüsse für die Luftfahrtindustrie zurück an den Verhandlungstisch bringen und ein klares Signal an den künftigen US-Präsidenten Joe Biden sein. Dieser warb im Wahlkampf wie der noch amtierende Präsident Donald Trump für eine Wirtschaftspolitik nach dem Motto "America First".
Trump hatte Gesprächsangebote über den Subventionsstreit immer wieder ungenutzt gelassen und wegen unerlaubter Zuschüsse für den europäischen Flugzeugbauer Airbus
Von den europäischen Sonderabgaben werden nach einer im EU-Amtsblatt veröffentlichten Liste neben Tomatenketchup und Traktoren auch Cranberrys, Nüsse, Tabakwaren, Rum, Wodka und Spielekonsolen betroffen sein. Zudem stehen unter anderem Schaufellader und Flugzeuge auf der EU-Liste. Der Strafzoll auf Luftfahrzeuge wird 15 Prozent betragen, der auf alle anderen Produkte 25 Prozent. Für Verbraucher in der EU könnten die Zusatzabgaben Preiserhöhungen zufolge haben - zum Beispiel dann, wenn Importeure sie einfach auf den bisherigen Preis für US-Produkte draufschlagen.
Von den US-Sonderzöllen wegen unerlaubter Subventionen für Airbus sind etwa Wein aus Deutschland und Frankreich, Parmesan aus Italien und Olivenöl aus Spanien betroffen. Auf europäische Flugzeugimporte gibt es ebenfalls eine Sonderabgabe in Höhe von 15 Prozent.
Der EU gehe es nicht darum, den Konflikt zu eskalieren, betonte nun EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis am Montag zur Ankündigung der Strafmaßnahme. Die EU nehme lediglich ihre Rechte wahr. Die US-Zölle seien bereits seit einem Jahr in Kraft.
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, kritisierte die EU-Entscheidung als "das völlig falsche Signal". Die jetzige Regierung unter US-Präsident Donald Trump werde sicher nicht in Verhandlungen einsteigen, die neue um den designierten Wahlsieger Joe Biden sei noch nicht im Amt, sagte er dem "Handelsblatt". "Man fragt sich wirklich, was damit gewonnen sein soll."
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die EU hätte es sehr begrüßt, wenn eine einvernehmliche Regelung bereits vor den amerikanischen Präsidentenwahlen hätte gefunden werden können. "Das war nicht möglich." Die EU werde bis Februar oder März nicht wissen, wer genau in einer Biden-Regierung "Prokura" habe.
Direkt nach der WTO-Entscheidung Mitte Oktober hatte die EU angekündigt, zunächst noch einmal mit der Regierung von Trump die Möglichkeiten für eine Verhandlungslösung ausloten zu wollen.
Altmaier und Dombrovskis betonten, dass die EU für Verhandlungen weiter bereit sei. Sollten die USA ihre Zölle wegen der Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus zurückziehen oder aussetzen, werde das auch die EU tun.
Grundlage für das jetzt angekündigte Vorgehen der EU ist eine WTO-Ankündigung aus dem vergangenen Monat. Deren Streitschlichter hatten Mitte Oktober entschieden, dass die EU wegen rechtswidriger Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) im Jahr verhängen darf.
In einem ähnlich gelagerten Fall hatten Schlichter den USA wegen unerlaubter Subventionen für Airbus bereits Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt. Die Sonderabgaben sollen die durch die Subventionen entstehenden Wettbewerbsnachteile ausgleichen.
Altmaier betonte, die EU hoffe auf einen Neuanfang der transatlantischen Beziehungen, die unter Trump von Konflikten geprägt waren. "Wir wollen sobald wie möglich und schrittweise wieder zu einer aktiven transatlantischen Handelsagenda gelangen", sagte er mit Blick auf den Wahlsieg von Biden.
Konkret nannte Altmaier in diesem Zusammenhang auch die von Trump eingeführten US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, auf die die EU ebenfalls mit Vergeltungszöllen auf US-Produkte reagiert hat. Trump hatte diese Abgaben eingeführt, weil er den Exportüberschuss der EU-Länder gegenüber den USA für ungerecht und gefährlich für die Sicherheit seines Landes hält.
Das Ziel müsse sein, dass Zölle auf breiter Front sinken und nicht erhöht werden, sagte Altmaier. Das könnte einen Schub auch für die coronageplagte deutsche Wirtschaft geben und Jobs sichern. Die USA sind der größte Einzelmarkt für den Export von Waren "Made in Germany".
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte eine schnelle Lösung im Zollstreit zwischen den EU und USA. "Je schneller diese Zölle wieder vom Tisch sind, desto besser", sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, dem "Handelsblatt". Gegenseitig verhängte Zölle schadeten dem transatlantischen Handel und damit beiden Partnern. Niedermark mahnte, die Zölle müssten angemessen sein und dürften nicht zu Eigentoren für die europäische Wirtschaft führen./aha/hoe/DP/stw
Quelle: dpa-Afx