BONN (dpa-AFX) - Es geht um verlorene Briefe, beschädigte Pakete oder verspätete Sendungen: Bei der Bundesnetzagentur sind noch nie so viele Post-Beschwerden
Im Vergleich zu 2021 hat sich das Beschwerde-Level fast verdreifacht (15.118). Damals machten Personalprobleme der Post zu schaffen, weswegen sich die Zustellung von vielen Sendungen verzögerte und der Ärger der Verbraucherinnen und Verbraucher größer wurde. Seither ist das Beschwerde-Level hoch geblieben. Die Möglichkeit zur Kritik bezieht sich auf die ganze Post- und Paketbranche, allerdings richteten sich im vergangenen Jahr 89 Prozent der Beschwerden gegen den Marktführer DHL und seine Briefsparte Deutsche Post.
Meistens geht es um Mängel bei der Zustellung, aber auch um andere Themen wie Filialen, bei denen Verbraucher auch innerhalb ihrer eigentlichen Öffnungszeiten vor verschlossenen Türen standen, oder um Briefkästen, die seltener geleert werden als früher. Für Frust sorgen auch angeblich fehlgeschlagene Zustellversuche, obwohl der Empfänger doch daheim wartete und die Klingel gut funktionierte - da drängt sich die Frage auf, ob der Paketbote es überhaupt ernsthaft versucht hat.
Es geht um einen winzigen Prozentwert plus X
Der Post-Konzern DHL teilt mit, dass die Anzahl der auf ihn bezogenen Beschwerden im Verhältnis zu den 12,2 Milliarden Briefen und 1,8 Milliarden Paketen, die im vergangenen Jahr ausgeliefert wurden, gering sei. Ein Firmensprecher betont aber, dass jede Beschwerde eine zu viel sei. "Wir arbeiten täglich daran, unsere Qualität zu verbessern und möglichst wenig Anlässe für Beschwerden entstehen zu lassen."
Der Statistik zufolge führen nur 0,0003 Prozent der Sendungen zu einer Beschwerde bei der Bundesnetzagentur. Allerdings kann man sich auch direkt bei DHL beschweren. Wie viele kritische Wortmeldungen die Firma direkt erreicht haben, verrät der Konzern nicht. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von Zustellfehlern, die zwar zu Frust beim Empfänger geführt, diesen aber nicht zu einer Beschwerde bewegt haben. Letztlich ist die Beschwerdezahl der Bundesnetzagentur nur ein Indikator, dass etwas im Argen liegen könnte in der Branche, die einen hohen Zeit- und Kostendruck hat.
Post begründet Probleme mit Personalengpässen
Wenn sich kritische Wortmeldungen in einer Region häufen, leitet die Bundesnetzagentur sogenannte Anlassprüfungen wegen unterbliebener oder mangelhafter Briefzustellung ein. Im vergangenen Jahr waren das 27 und damit acht weniger als 2023. Relativ viel Unmut gab es nach Angaben der Bonner Behörde etwa im Oktober 2024 in Bochum, wo die Post ihre Zustellprobleme mit Personalengpässen und organisatorischen Engpässen begründete. Die Post reagierte dort mit Neueinstellungen und Vertretungskräften. Im Januar 2025 hatte sich die Zustellsituation stabilisiert, wie die Bundesnetzagentur schreibt.
Ähnliche Zustelldefizite gab es im vergangenen Jahr zwischenzeitlich etwa in Stuhr (Niedersachsen), Erlensee (Hessen), Hamburg, Freudenstadt (Baden-Württemberg), Planegg (Bayern) und Neuenhagen (Brandenburg). Nicht nur Personallücken spielten eine Rolle, sondern mitunter auch schlechtes Wetter und ungewohnt hohe Sendungsmengen.
Bei den Anlassprüfungen handelt es sich nur um eine Art mahnenden Zeigefinger der Bundesnetzagentur. Mit der Anfang 2025 in Kraft getretenen Postgesetz-Reform ist das bislang stumpfe Schwert der Aufsichtsbehörde aber etwas schärfer geworden, künftig kann die Behörde Bußgelder verhängen. Auch wenn solche Zahlungen noch reine Theorie und somit gar nicht absehbar sind: Der Druck auf den Logistikkonzern ist gestiegen, damit er keine allzu schlechte Arbeit abliefert.
Verschlechtert der Personalabbau die Zustellqualität?
Kürzlich verkündete die Post binnen weniger Tage zwei Nachrichten. Zunächst wurde eine Tarifeinigung mit Verdi vermeldet, die den 170.000 Tarifbeschäftigten schrittweise insgesamt fünf Prozent mehr Lohn einbringt. Wenig später folgte eine schlechte Nachricht: Wegen hoher Kosten baut die Post bis zum Jahresende 8000 Stellen ab, das sind etwas mehr als vier Prozent der zuletzt 187.000 Stellen im deutschen Brief- und Paketgeschäft. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Portoerhöhung, die es Anfang des Jahres gegeben hatte, der Post nicht hoch genug gewesen war und die Firma daher nicht so viel Geld in die Kasse bekommt wie erhofft.
Und was sagt die Politik zu dem hohen Beschwerdeaufkommen? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff gibt der Post in dem Punkt recht, als dass die Zahl der Beschwerden im Verhältnis zu den Milliarden an Sendungen tatsächlich gering sei. Dennoch dürfe der Ärger von Zehntausenden Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht auf die leichte Schulter genommen werden, mahnt der Sozialdemokrat. "Die Post ist gehalten, den Universaldienst in hoher Qualität sicherzustellen und die Beschwerden weiterhin ernst zu nehmen." Mit Universaldienst ist gemeint, dass die Post überall in Deutschland Briefe zustellen sowie flächendeckend Briefkästen und Filialen haben muss.
Mit Blick auf den Stellenabbau der Post merkt Roloff an, dass dieser nicht zu einem Qualitätsverlust in der Zustellung führen dürfe. "Die regionalen Anlassprüfungen zeigen schon jetzt, dass das Personal mancherorts knapp ist", sagt der SPDler, der die Postgesetz-Reform mitverhandelt hat. "Den Gürtel noch enger zu schnallen, könnte die Zustellsituation verschlechtern und den Unmut der Bürgerinnen und Bürger wachsen lassen."/wdw/DP/mis
Quelle: dpa-Afx