KÖLN (dpa-AFX) - Für Kunden ist es vor allem praktisch: Sie sparen den Weg zum Bankautomaten und können sich beim Einkaufen nebenbei mit Geld eindecken. Das Abheben von Bargeld in Supermärkten und anderen Geschäften wird in Deutschland immer beliebter. Die anbietenden Händler könnte das jedoch noch in die Bredouille bringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI.
"Immer mehr Menschen möchten Geld abheben, aber immer weniger zahlen mit Bargeld. Wenn die Bargeldquote weiter rückläufig sein sollte, wird es für den Handel in einigen Fällen schwierig werden, diesen Service vollumfänglich aufrechtzuerhalten und die Nachfrage zu bedienen. Dann müsste Bargeld von Versorgern zugekauft werden", sagt EHI-Studienautor Horst Rüter.
Händler zahlten 2023 rund 17,2 Millionen Euro Gebühren
Die Nutzung und Verbreitung des Abhebens von Bargeld ist rasant gestiegen. Im Jahr 2019 zahlten Händler 2,23 Milliarden Euro an Kunden aus, 2023 waren es mehr als 12,3 Milliarden. Der Service wird unter anderem von den Lebensmitteleinzelhändlern Rewe und Edeka, Drogerien wie DM und Rossmann und auch Baumärkten angeboten. Der Handel muss dafür zahlen, pro Transaktion sind es laut EHI zwischen 0,1 und 0,2 Prozent des ausgezahlten Betrages. Im Jahr 2023 haben die Unternehmen Gebühren in Höhe von 17,23 Millionen Euro an die Banken abgeführt und damit 25,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
EHI-Zahlungsexperte Rüter prognostiziert, dass die Summe wegen der hohen Nachfrage weiter steigt. "Das könnte vor allem vormittags, wenn die Kassen noch leerer sind, dazu führen, dass die Geschäfte nicht immer in der Lage sind, Bargeld an Kunden auszuzahlen. Der Handel müsste sich dann mit zusätzlichem Geld bevorraten", sagt er. Die kritische Grenze ist der Studie zufolge erreicht, wenn der Barumsatz unter 25 Prozent rutscht.
Wie gehen die Handelsunternehmen damit um? "Die prognostizierten Probleme und Engpässe können wir für unsere Gruppe nicht sehen", sagt ein Sprecher von Rewe. Die Supermarktkette zählte im Jahr 2003 zu den ersten Einzelhändlern, bei denen Kunden Geld abheben konnten. Ab einem Einkaufswert von 1 Cent kann der Service mit einer Girokarte genutzt werden, die Obergrenze liegt bei 200 Euro. Eine Änderung ist nicht geplant. Die Discounter Lidl und Aldi Süd äußern sich zu etwaigen Plänen und Umstellungen nicht.
dm fordert: Banken sollen auf Gebühren verzichten
Die Drogeriekette Rossmann möchte kein Bargeld zukaufen, wie sie auf Nachfrage erklärt. Dies sei auch in Zukunft nicht geplant, eine Einschränkung des Angebots sehe man nicht. Selbst bei hochfrequentierten Verkaufsstellen könnten in der Regel alle Kundenwünsche erfüllt werden, heißt es. Rossmann hat die Bargeldauszahlung erst vor einem Jahr eingeführt, ab einem Einkaufswert von 10 Euro. Wettbewerber dm gibt an, die Entwicklungen im Bargeldbereich zu beobachten und den Service auf Optimierungen zu prüfen. Es sei "zu begrüßen, wenn die Banken auf eine Erhebung von Gebühren auf den Auszahlbetrag verzichten würden", sagt eine Sprecherin des Unternehmens.
Studienautor Rüter glaubt nicht, dass die Händler das Angebot einstellen. Denkbar sei jedoch eine Einschränkung, zum Beispiel in Form einer geringeren Obergrenze für die ausgezahlten Summen. Laut EHI zahlen die Händler aktuell 13,3 Prozent ihres vereinnahmten Bargelds wieder an Kunden aus. Der Anteil des Bargelds am Gesamtumsatz ging 2023 um zwei Prozentpunkte auf 35,5 Prozent zurück - Tendenz weiter sinkend. Rüter erwartet, dass es bis 2025 nur noch 25 Prozent sind.
Warum heben die Menschen immer mehr Bargeld ab, obwohl sie seltener damit bezahlen? Das ist auch aus Sicht von Rüter widersprüchlich, dennoch hat er eine Erklärung. "Die Nachfrage steigt auch durch die rückläufige Zahl von Geldautomaten". Außerdem gebe es nach wie vor viele Bargeldfreunde in Deutschland, die sich gegen eine Zahlung per Karte wehren./cr/DP/zb
Quelle: dpa-Afx