LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Bayer
Am Kapitalmarkt wurden die Nachrichten am Freitag leicht positiv aufgenommen - auch wenn angesichts des noch viel teureren und immer noch nicht vollständig beendeten Glyphosat-Streits keine Euphorie aufkommen wollte. Die Bayer-Aktie legte am Morgen um rund 0,6 Prozent zu und damit kaum mehr als der Gesamtmarkt. Im laufenden Jahr haben die Papiere rund ein Fünftel an Wert verloren. Auf längere Sicht sieht es mit einem Minus von über der Hälfte in den zurückliegenden fünf Jahren noch deutlich schlechter aus.
Eine Einigung zu Essure war angesichts zuletzt intensivierter Gespräche erwartet worden, weshalb Bayer dafür schon Geld beiseite gelegt hatte. Die Vergleichssumme sei durch Rückstellungen gedeckt, hieß es denn auch von den Leverkusenern.
Während ein Aktienhändler die Einigung als positiv wertete, verwies ein anderer darauf, dass Bayer es erneut nicht gelungen sei, einen Rechtsstreit vollständig beizulegen. Insofern könne man weiterhin nicht von positiven Nachrichten für den Konzern sprechen.
Aus Sicht des Experten Alistair Campbell vom Analysehaus Liberum hat Bayer mit der nun erzielten Einigung ein weiteres, durch einen unglücklichen Zukauf bestehendes Prozessrisiko beendet. Mit Blick auf den nach wie vor nicht vollständig beendeten Glyphosat-Rechtsstreit seien weitere Baustellen wenig hilfreich. Bayers Aktien seien aktuell zwar günstig und verfügten über viel Aufwärtspotenzial, doch müsse der Konzern jetzt liefern und das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen, urteilt der Analyst.
Bayer hatte das umstrittene Geschäft mit der Metallspirale 2013 mit dem Kauf des US-Herstellers Conceptus übernommen. Ende 2018 wurde es in den USA eingestellt. Die Spirale konnte ohne chirurgischen Eingriff in die Eileiter eingesetzt werden. Allerdings klagten viele der Frauen unter anderem über chronische Schmerzen, unregelmäßige Blutungen, über Verletzungen an Gebärmutter und Eileiter sowie Depressionen.
Die Klägerinnen, die sich dem Vergleich anschließen, werden ihre Klagen zurücknehmen oder nicht einreichen, hieß es von Bayer weiter. Der Konzern betonte zudem abermals, dass die Vergleichsvereinbarungen kein Schuldeingeständnis seien.
Mit dem Vergleich räumt Bayer eine weitere rechtliche Großbaustelle auf. Wie seit Juni bekannt ist, nehmen die Leverkusener 820 Millionen Dollar in die Hand, um den wesentlichen Teil der US-Verfahren wegen des seit 1979 in den USA verbotenen Umweltgifts PCB beizulegen, das die Tochter Monsanto früher produziert hatte. Hinzu kommt ein 400 Millionen Dollar teurer Kompromiss wegen Klagen um angebliche Ernteschäden durch Verwehungen des Unkrautvernichters Dicamba. Bei letzterem will Bayer aber auch den mitverklagten Wettbewerber BASF
Der weitaus teuerste Streit bleibt derjenige um angebliche Krebsrisiken bei glyphosathaltigen Unkrautvernichtern. Hier wackelt allerdings der angestrebte Vergleich mit der Mehrzahl der Kläger. Der zuständige Bundesrichter Vince Chhabria störte sich an dem Teil der Vereinbarung, der mögliche künftige Fälle abdeckt. Daher zog Bayer den Antrag auf Zustimmung zum Umgang mit diesen Fällen zurück, für deren Beilegung 1,25 Milliarden Dollar geplant waren.
Damit ändert sich zwar im Grunde nichts an der Einigung mit dem Großteil der insgesamt etwa 125 000 eingereichten und nicht eingereichten Klagen, für die bis zu 9,6 Milliarden Dollar vorgesehen sind. Allerdings hatte Bayer-Chef Werner Baumann immer wieder betont, dass mit einer groß angelegten Einigung auch künftige Rechtsstreitigkeiten beigelegt werden müssten. Der Ansatz bleibe, eine umfassende Lösung zu finden, betonte der Manager im Zuge der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen Anfang August. Ein neuer Vorschlag werde mit den Repräsentanten künftiger Fälle besprochen./mis/eas/stw/jha/
Quelle: dpa-Afx