ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag
Das Papier gewann nach Handelsstart mehr als fünf Prozent auf 63,80 Euro. Von einem Händler hieß es, mit den abgeblasenen Plänen sei das Risiko einer Kapitalerhöhung vom Tisch, die Aktie sei zudem günstiger zu haben als die von Branchenrivalen. Im vergangenen Jahr hatte der Kurs sich unterdurchschnittlich entwickelt, das Minus lag 2022 bei fast einem Viertel, der deutsche Leitindex selbst gab gut zwölf Prozent ab.
Primestone hatte die "sofortige Beendigung" der Gespräche mit Univar gefordert. Die Investmentgesellschaft hielt zu dem Zeitpunkt zwei Prozent der Brenntag-Anteile. Die Essener hatten sich nicht direkt zu der Forderung geäußert, aber betont, bei der Umsetzung des Plans zur Wertsteigerung für die Anteilseigner "großen Wert auf einen offenen und konstruktiven Dialog mit allen Brenntag-Aktionären" zu legen.
Nach Vorstellung von Primestone sollte sich Brenntag statt auf eine "risikoreiche" Übernahme vielmehr auf die Verbesserung des Kerngeschäfts konzentrieren. Hierzu forderte der Investor auch eine Aufspaltung des Unternehmens. Ferner kritisierte der Aktionär, dass für eine Übernahme die erforderliche Zustimmung der Anteilseigner fehle. Die Risiken und Unwägbarkeiten seien sehr hoch, wie eine eigene sorgfältige Überprüfung eines möglichen Kaufs ergeben habe. So ging Primestone davon aus, dass sich eher Synergieverluste ergeben, die sämtliche Kostensenkungen zunichtemachen würden. Auch würde ein Kartellverfahren wohl langwierig und schwierig.
Primestone stellte in dem Schreiben seinerseits Forderungen, mit denen Brenntag nach Ansicht des aktivistischen Investors seine Bilanz aufpolieren und die eigene Börsenbewertung von zum damaligen Zeitpunkt weniger als 60 Euro in drei Jahren auf 150 bis 170 Euro je Aktie steigern könne. Dazu forderte Primestone auch ein Aktienrückkaufprogramm über 2,5 Milliarden Euro.
Auch sei es nach Jahren der "enttäuschenden Performance" an der Zeit, das Potenzial der beiden Brenntag-Geschäftsbereiche Specialties und Essentials durch eine Aufspaltung in zwei separate, börsennotierte Unternehmen zu heben, hatte es in der Mitteilung weiter geheißen. Auch zu diesen Forderungen bezog Brenntag keine Stellung.
Für die Essener wäre die Übernahme von Univar einer Wende gleichgekommen, war das Unternehmen bisher doch eher für kleinere Zukäufe bekannt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pläne betrug die Marktkapitalisierung der Amerikaner gut fünf Milliarden US-Dollar - und damit nur etwas weniger als die Hälfte der Bewertung von Brenntag.
Das Unternehmen selbst hatte sich kurz vor dem Bekanntwerden der Pläne noch bescheiden mit Blick auf Übernahmen gegeben. Ein neuer Wachstumsplan bis 2026 hatte neben einer deutlichen Verbesserung der operativen Ergebnisse zwar mehr Ausgaben für Übernahmen vorgesehen. Geplant waren demnach aber lediglich jährlich 400 bis 500 Millionen Euro, was schon doppelt so viel wie bisher bedeutet hätte.
Analysten hatten sich überwiegend positiv zu einem möglichen Deal geäußert. So hatte Chetan Udeshi von JPMorgan eine Übernahme von Univar als strategisch attraktiv bezeichnet. Das daraus resultierende Potenzial für Brenntag hänge aber letztlich von Preis und Umsetzung ab. Auch für Laurence Alexander vom Analysehaus Jefferies erschien eine Übernahme logisch. Käme es dazu, würden sich die beiden weltgrößten Chemikalienhändler zusammenschließen, die zusammen auf einen Marktanteil von rund acht Prozent kämen.
Barclays-Analyst Alex Stewart hatte sich hingegen skeptisch gezeigt. Eine Übernahme von Univar würde strategisch gesehen eine Kehrtwende bedeuten bei den Prioritäten des Chemikalienhändlers, welche er als unerwünschte Ablenkung betrachte in einer ansonsten überzeugenden Anlagestory. Aus finanziellem Blickwinkel könnte ein Deal sinnvoll sein, notierte der Experte. Die strategische Logik dahinter sei gleichwohl zu hinterfragen./he/men/mis/jha/
Quelle: dpa-Afx