BRÜSSEL/FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Schonfrist für Europas Banken bei der Umsetzung strengerer Kapitalregeln geht zu Ende: Die nach der Finanzmarktkrise international auf den Weg gebrachten Vorgaben werden in der Europäischen Union nun in die Tat umgesetzt. EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness und Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis stellten am Mittwoch Vorschläge für die finale Umsetzung der "Basel III"-Reform vor. Die EU-Kommission will den Banken dabei allerdings lange Übergangsfristen gewähren. Insgesamt müssten Banken in der Europäischen Union demnach bis 2030 ihre Kapitalpuffer um bis zu 8,4 Prozent verstärken, um mögliche Risiken besser abzufedern.
Die "Basel III"-Reformen waren nach der Finanzmarktkrise 2008/2009 von der EU und den G20-Staaten auf den Weg gebracht worden, um Risiken im globalen Finanzsystem zu verringern und besser auf künftige Krisen vorbereitet zu sein. "Der heutige Vorschlag stellt sicher, dass wir die Kernstücke der internationalen Standards von Basel III erfüllen. Das ist wichtig für die Stabilität und Resilienz unserer Banken", sagte Dombrovskis.
Ein wichtiger Teil des Gesetzespaketes dreht sich um den Umgang mit Krediten für Unternehmen, die nicht von Rating-Agenturen bewertet werden. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen bekommen keine solche Bonitätsnote, die angibt, wie riskant es ist, in sie zu investieren. Kredite an solche Unternehmen sollen Banken nach dem Willen der EU-Kommission mit mehr Eigenkapital absichern. Die Institute sollen dies nach und nach bis Ende 2032 umsetzen. Kritiker hatten zuvor gewarnt, dass die Maßnahmen zu Finanzierungsengpässen für den Mittelstand führen könnten.
Das Gesetzespaket beschäftigt sich auch damit, wie Banken ihre Risiken kalkulieren. Die Institute nutzen teils eigene Modelle, um so den Bedarf an Eigenkapital zu berechnen. Kritiker meinen, Banken rechneten sich dadurch schön. Die Reform schreibt nun vor, dass vor allem Großbanken nur begrenzt eigene Rechenmodelle nutzen dürfen. Zu 72,5 Prozent müssen sie sich künftig an die eher konservativen Standardmodelle halten. Dafür gibt die Kommission den Banken fünf Jahre Zeit.
Mit ihren Vorschlägen folgt die Brüsseler Behörde im Kern dem Ende 2017 nach monatelangem Streit zwischen Europäern und Amerikanern vereinbarten Kompromiss zur Ausgestaltung der Kapitalregeln. Erklärtes Ziel der im "Baseler Ausschuss" vertretenen Zentralbanker und Bankenaufseher aus 28 Staaten ist es, die Vorgaben global einzuführen, um das Finanzsystem insgesamt widerstandsfähiger für Krisenzeiten zu machen.
Die Kommission will außerdem Anreize für umwelt- und klimafreundliche Investitionen schaffen. Banken sollen Aufsichtsbehörden über ökologische und soziale Risiken ihrer Anlagen informieren. Einen Bonus für grüne Investitionen führt Brüssel indes nicht ein. Allerdings soll die europäische Bankenaufsicht EBA in einer Studie bis 2023 diese Möglichkeit überprüfen.
Die EU-Kommission zieht auch Lehren aus dem Wirecard
Angesichts des britischen EU-Austritts will die Kommission zudem Vorgaben für Zweigstellen von Banken von außerhalb der EU harmonisieren. Zurzeit gibt es keine einheitlichen Regelungen für Zweigstellen aus Drittstaaten, jedes EU-Land ist selbst dafür zuständig. Der Vorschlag sieht vor, dass sich zum Beispiel Zweigstellen von britischen Banken an EU-Standards halten müssen, zum Beispiel für Kapitalanforderungen.
Die Gesetzesvorschläge werden nun dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten vorgelegt. Sie können noch Änderungen vornehmen, bevor das Paket verabschiedet wird - das könnte allerdings noch dauern./dub/ben/DP/eas
Quelle: dpa-Afx